Eine schlechte Idee
"Schon zu Schulzeiten stand für mich fest: Ich wollte meinen Doktor machen. Und zwar so schnell wie möglich. Daher habe ich parallel zum Referendariat an meiner Promotion gearbeitet." Rechtsanwalt Dr. Michael Hördt ist damit einer der wenigen, die die Doppelbelastung Referendariat und Dissertation auf sich genommen haben. Im Nachhinein sagt er: "Ich würde es niemandem empfehlen."
Nach seinem Jurastudium an der Universität Heidelberg absolvierte Hördt ein Masterstudium in Mannheim und Australien und war anschließend als wissenschaftlicher Mitarbeiter in einer Frankfurter Kanzlei und als AG-Leiter an der Uni tätig, um Geld zu verdienen. "Über eine Recherche für ein Buchprojekt bin ich auf Idee für mein Promotionsthema im Bereich des Verfassungs- und Erbrechts gekommen", berichtet der 35-Jährige. Er fand einen Doktorvater in Potsdam und arbeitete weiter in der Frankfurter Kanzlei und an der Uni. "Als ich eineinhalb Jahre später das Referendariat begann, war ich schon mit einem Großteil der Promotion fertig. Trotzdem war noch viel mehr daran zu tun, als ich erwartet hatte."
Die Herausforderung bestand vor allem darin, die Arbeit weiter up-to-date zu halten. Auch die Erstellung der über 1.600 Fußnoten dauerte seine Zeit. "Ich habe für das Referendariat, meine Promotion und den nebenberuflichen Einsatz in der Kanzlei kontinuierlich 60 bis 70 Stunden in der Woche gearbeitet", erinnert sich Michael Hördt. "Das war sehr hart, und das Lernen für das Zweite Staatsexamen ist dabei definitiv zu kurz gekommen."
"Kaum eine Möglichkeit, sich beidem gleich gut zu widmen"
Aus diesem Grund rät auch Friederike Preu, Ausbildungsleiterin für Referendare am Landgericht Köln, von dieser Doppelbelastung ab. "Das Referendariat mit all seinen neuen Aufgaben sowie die Vertiefung in ein wissenschaftliches Thema sind zwei gewichtige Vorhaben", sagt die Richterin. "Ich sehe kaum eine Möglichkeit, sich beiden gleich gut zu widmen und bei beiden auch noch ein gutes Ergebnis zu erzielen." Mit der Arbeit in den Stationen und den Vor- und Nachbereitungen der Arbeitsgemeinschaften ist das Referendariat allein schon eine Vollzeitbeschäftigung. "Nicht umsonst muss man sich bezahlte Arbeit während des Referendariats genehmigen lassen", erklärt Preu. "Dadurch soll sichergestellt werden, dass genügend Zeit für die Ausbildung bleibt."
Laut dem Juristenausbildungsgesetz ist es in den meisten Bundesländern zwar möglich, sich im Referendariat eine Auszeit zu nehmen. Aber das hat auch viele Nachteile: "Man unterbricht geistig seine Ausbildung zum Volljuristen und muss sich dann erst wieder neu in den Lernstoff einfinden", sagt die Ausbildungsleiterin. Außerdem kommen Referendarinnen und Referendare nach der Auszeit in neue Arbeitsgemeinschaften, außerdem wird die Unterhaltsbeihilfe während der Unterbrechung nicht weitergezahlt. Wer glaubt, dass künftig mit der Einführung des Teilzeitreferendariats ab 2023 eine Promotion neben dem Referendariat möglich ist, wird ebenfalls enttäuscht: Ein Promotionsvorhaben wird aller Voraussicht nach nicht zu den Gründen zählen, die zum Teilzeitreferendariat berechtigen.
"Das Referendariat ist nicht einfach eine Fortsetzung der Studienzeit"
Auch Prof. Dr. Hinnerk Wißmann, Lehrstuhl für Öffentliches Recht an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, rät dringend davon ab, eine Promotion parallel zum Referendariat zu schreiben. "Beide Vorhaben erfordern eine hohe geistige Konzentration. Bei einer Dissertation gilt es, etwas Neues zu erforschen und nicht, wie im Studium, vor allem Bestehendes zu verstehen. Zudem ist das Referendariat nicht einfach eine Fortsetzung der Studienzeit, weil viele neue Arbeitstechniken zu lernen sind."
Weil das für viele Promovenden Neuland ist, bietet die Universität Münster ein einjähriges projektbegleitendes Promotionsprogramm an, das Hinnerk Wißmann mit Kollegen organisiert. "Hier merken die Teilnehmenden schnell, dass sie für die Planung und Durchführung der Promotion ausreichend Zeit und einen guten Plan brauchen", sagt der Professor. Manch einer glaubt, er könne sein Referendariat beginnen, wenn die Promotion so gut wie fertig ist. "Aber auch das ist ein Risiko", betont Wißmann. "Was passiert, wenn die Betreuenden zurückmelden, dass wichtige Teile in der Arbeit fehlen und man plötzlich noch viel mehr damit beschäftigt ist als erwartet?" Allenfalls letzte redaktionelle Arbeiten kann man laut Wißmann parallel zum Referendariat erledigen. Aber der eigentliche wissenschaftliche Text sollte schon abgeschlossen sein.
Der Münsteraner Professor schätzt, dass man für eine Dissertation zwei Jahre Vollzeit einkalkulieren sollte – von der Projektfindung über die Absprache mit dem Doktorvater oder der Doktormutter, der Recherche, unter Umständen auch im Ausland, bis zum Schreiben und zur Überarbeitung. Wer nebenher zum Beispiel am Lehrstuhl oder in einer Kanzlei arbeitet, kann auch länger benötigen. Universitätsstellen sind deshalb auch in aller Regel auf drei Jahre ausgelegt. Eine Promotion in der zweijährigen Referendarzeit von Anfang bis Ende durchzuführen, klappt also schon vom Zeitrahmen her nur in den seltensten Fällen.
"Während des Referendariats kann man die Dissertation schon planen"
"Was man allerdings gut im Referendariat schaffen kann: sich Gedanken zum Thema für die Dissertation machen. Auch das kann nämlich eine Weile dauern", sagt Prof. Dr. Michael Grünberger, der an seinem Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Wirtschafts- und Technikrecht an der Universität Bayreuth Doktoranden betreut. Im Anschluss an das Referendariat könne der Jurist oder die Juristin dann mit der eigentlichen Promotion beginnen. "Das kann gegenüber einer Promotion direkt nach dem Studium auch qualitative Vorteile haben, weil man nach dem Referendariat einfach mehr weiß."
Laut dem Bayreuther Professor gibt es nur zwei Ausnahmen, mit denen eine parallele Arbeit an Dissertation und praktischer Ausbildung gelingen kann: mit eiserner Disziplin und einem exzellenten Zeitmanagement sowie mit einem klaren, enggefassten dogmatischen Dissertationsthema. "Sobald es ansatzweise interdisziplinär wird, wird es sehr schwer." Grünberger sagt gegenüber angehenden Promovenden ganz offen, dass er nicht der Betreuer einer Doktorarbeit sein will, die parallel zum Referendariat geschrieben wird. "Die meisten sehen das auch realistisch und versuchen es gar nicht erst", so seine Erfahrung.
Auch Hördt musste ständig gegen seinen inneren Schweinehund ankämpfen, um seine Doktorarbeit im Referendariat abzuschließen. "Geholfen hat mir vor allem, dass ich mit meinem Doktorvater vereinbart hatte, ihm immer am Ende des Monats eine Mail mit meinen Fortschritten zu schicken." Dass er für das Repetitorium und den Klausurenkurs keine Zeit hatte, versteht sich bei seinem Arbeitspensum von selbst. Warum er es am Ende trotz aller Widrigkeiten geschafft hat? "Ich hatte einen sehr strikten Plan und bin nicht in Panik verfallen", sagt Hördt. Das muss man wollen.
Auf Jobsuche? Besuche jetzt den Stellenmarkt von LTO-Karriere.
2022 M07 25
Promotion
Verwandte Themen:- Promotion
- Referendariat
- Zeitmanagement
Teilen