Teilzeit, Sabbatical & Co.

Chef, ich will weniger arbeiten

Interview von Tanja PodolskiLesedauer: 6 Minuten

Den Segelkurs um 16 Uhr buchen oder wöchentlich ein freier Tag fürs Fallschirmfliegen: Es gibt den Anspruch auf Reduzierung der Arbeitszeit. Was zu tun ist und ob auch ein Sabbatical-Anspruch besteht, erklärt Michael Fuhlrott im Interview.

LTO: Herr Professor Fuhlrott, ein Arbeitnehmer möchte eine Zeit lang die Arbeitszeit reduzieren, um Zeit für ein neues Hobby zu haben. Wäre das möglich, ohne gleich den Job zu verlieren?

Prof Dr. Michael Fuhlrott: Durchaus. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Arbeitszeit zu reduzieren. Das aktuellste Modell ist die sogenannte Brückenteilzeit. Die ist von der Bundesregierung beworben worden mit dem Slogan: "Arbeitszeit, die zum Leben passt." Der Clou ist, dass Beschäftigte ihre Arbeitszeit für einen begrenzten Zeitraum verringern können, die Regelung dazu findet sich in § 9a Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG). 

Danach kann man für mindestens ein Jahr und für höchstens fünf Jahre die Arbeitszeit reduzieren und danach auf die alte Arbeitszeit zurückkehren. Das Schöne an dieser Regelung ist, dass man keinen Grund anzugeben braucht, um die Arbeitszeit zu reduzieren. Jeder kann die Brückenteilzeit beanspruchen, der nicht mehr in der Probezeit ist. Nach dem Gesetz gibt es auch keine Vorgabe, um wie viele Stunden ich die Arbeitszeit senke, man kann also nach dem Gesetz auf fünf Stunden oder um fünf Stunden reduzieren, um jetzt einmal zwei extreme Beispiele anzuführen.

Als Arbeitnehmer muss ich dabei nur anfangs festlegen, für wie lange ich die Brückenteilzeit machen möchte. Während dieses Zeitraums kann ich sie nicht weiter verlängern. Nach Ablauf des vereinbarten Zeitraumes muss ich ein Jahr warten, bis ich erneut von der Brückenteilzeit Gebrauch machen kann.

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Muss der Arbeitgeber immer mitspielen?

Voraussetzung für den Anspruch ist nur, dass in dem Betrieb mindestens 45 Arbeitnehmer beschäftigt sind. Der Arbeitgeber kann das Anliegen nur aus betrieblichen Gründen ablehnen, da gilt aber ein sehr strenger Maßstab. Und bei einer Beschäftigtenzahl zwischen 45 und 200 Mitarbeitern kann der Arbeitgeber auch einwenden, dass schon zu viele Mitarbeiter in Teilzeit arbeiten. 

Die praktische Bedeutung dieses einfachen Anspruchs ist erstaunlicherweise sehr gering, obwohl es die Regelung seit einem guten Jahr gibt. Es gibt eine Studie vom Info-Institut und von Randstadt, wonach erst ein Drittel der Unternehmen überhaupt mal durch Mitarbeiter mit deren Anspruch auf Brückenteilzeit konfrontiert worden sind. Die Arbeitnehmer haben offenbar eher den Wunsch nach einem Sabbatical.

LTO: Ein schönes Stichwort: Was ist denn möglich, wenn eine befristete Reduzierung nicht ausreicht, etwa, weil der Beschäftigte nach Corona das Leben feiern und auf Weltreise gehen möchte?

Im Fall eines Sabbaticals geht der Beschäftigte für einen vereinbarten Zeitraum nicht arbeiten und wird für diese Zeit auch keinen Lohn bekommen, wenn nicht konkret für diese Zeit ein früherer Lohnverzicht mit späterer Auszahlung vereinbart wurde. 

Auf ein Sabbatical gibt es – außer im öffentlichen Dienst und in wenigen Tarifverträgen bei Vorliegen besonderer Gründe - keinen Anspruch, auch wenn immer mehr Unternehmen und vor allem Kanzleien den Mitarbeitern das ermöglichen. Um ein Sabbatical zu machen, nach welchem man auf seine Stelle zurückkehrt, braucht es also eine Vereinbarung, dass der Arbeitsvertrag für diesen Zeitraum ruht. Das ist ein ganz normaler Vertrag zwischen Arbeitnehmer und -geber, der sich nach den allgemeinen Regeln des Bürgerlichen Gesetzbuches richtet.

Kein Urlaub während des Urlaubs

Lange Zeit waren Unternehmen mit Sabbaticals zurückhaltend, vor allem weil nicht geklärt war, ob in dieser Zeit Urlaubsansprüche entstehen. Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) nun aber entschieden – es entsteht bei unbezahltem Sonderurlaub kein weiterer Urlaubsanspruch (BAG, Urt. v. 19.03.2019, Az. 9 AZR 315/17). Damit könnten Unternehmen offener werden für ein solches Anliegen. Wenn der Arbeitgeber die Anfrage aber ablehnt, haben die Beschäftigten keine Chance. Wenn sie dennoch auf Weltreise gehen möchten, müssen sie kündigen. 

Eine Ausnahme gibt es für den öffentlichen Dienst: Nach dem Tarifvertrag haben Beamte einen Anspruch auf ein Sabbatical, allerdings nur bei Vorliegen eines besonderen Grundes, etwa den Abschluss einer Fortbildung. Der Wunsch, einfach mal die Welt umsegeln zu wollen, reicht auch bei Arbeitnehmern im öffentlichen Dienst für einen solchen Anspruch nicht. 

LTO: Naheliegender ist also offenbar die Teilzeit. Den Anspruch darauf gibt es ja schon länger. Wann bietet sich die "normale" Teilzeit in Abgrenzung zur Brückenteilzeit an? 

Das Recht auf Teilzeit gem. § 8 TzBfG gibt es tatsächlich schon seit dem Jahr 2001 und es gilt für Betriebe ab 15 Arbeitnehmern. Auch hier muss ich als Arbeitnehmer keinen besonderen Grund angeben, warum ich den Wunsch hege, weniger zu arbeiten. Das Problem ist aber folgendes: Wenn ich einmal die Arbeitszeit reduziert habe, dann kann es passieren, dass ich auf dieser geringeren Stundenzahl sitzen bleibe, denn über diese normale Teilzeitregelung hinaus habe ich keinen durchsetzbaren Anspruch auf Rückkehr zu meiner ursprünglichen Arbeitszeit. Das Risiko, dass der Arbeitgeber einfach keine weiteren Stunden benötigt, trägt der Arbeitnehmer dann selbst. "Gefangen in der Teilzeitfalle" umschreibt diese Situation recht plakativ.

Auch diese Teilzeitregelung kann der Arbeitgeber aus betrieblichen Gründen ablehnen. Der Maßstab der Rechtsprechung ist dabei allerdings sehr streng und wird in drei Stufen geprüft. Erstens: Was sieht das Organisationskonzept des Unternehmenns vor, also etwa, ob die Kunden ganztägig den gleichen Ansprechpartner haben wollen. Zweitens ist zu klären, ob dieses Konzept dem Teilzeitwunsch tatsächlich entgegensteht. Auf dritter Stufe folgt dann die Abwägung der Interessen von Arbeitgeber und -nehmer - und daran wird die Ablehnung des Teilzeitwunsches durch den Arbeitgeber oftmals scheitern. 

Auf Wünsche ist zu reagieren

Die normale Teilzeit ist der Brückenteilzeit nur in speziellen Fällen überlegen, zum Beispiel für Menschen, die sich sagen: Ich heirate eine reiche Frau und möchte dauerhaft weniger arbeiten, weil ich es nicht mehr brauche. Dann sollte natürlich im besten Fall auch die Ehe halten – sonst ist man mit der Brückenteilzeit wie gesagt bessergestellt.

Ganz wichtig übrigens für beide Seiten: Der Arbeitgeber muss auf die Geltendmachung der Verringerung der Arbeitszeit reagieren. Macht er das nicht, so entsteht die Teilzeit in der Form, wie sie vom Arbeitnehmer beantragt wurde. Auch wenn der Arbeitgeber die Teilzeit fristgerecht ablehnt, so muss er die Gründe dafür genau benennen - und nur auf diese genannten Gründe kann er sich auch berufen, wenn die Sache gerichtlich geklärt werden muss. 

LTO: Derzeit geht es womöglich weniger um die Weltumsegelung als um die Pflege von Angehörigen oder die Kinderbetreuung – gibt es dafür zusätzliche Regelungen?

Ja, es gibt die Sonderfälle, wo es zwingende persönliche Gründe für eine Reduzierung der Arbeitszeit gibt, wie etwa Pflegezeit oder Teilzeit in Elternzeit, zudem gibt es Sonderregelungen für Schwerbehinderte. Die größte praktische Bedeutung hat dabei die Teilzeit für Eltern. 

Die übliche Karriere einer Mutter sieht ja derzeit leider immer noch so aus, dass überwiegend die Frau die Elternzeit allein nimmt. Die Frau geht dann nach dem Mutterschutz bis zu drei Jahre in Elternzeit. In dieser Zeit ruht das Arbeitsverhältnis. Beschäftigte können jedoch – sinnvoller Weise erst nach dem Auslaufen des Elterngeldes, weil der Verdienst angerechnet wird – in dieser Zeit sagen, dass sie 15 bis 30 Wochenstunden in Teilzeit arbeiten möchten. Darauf haben die Eltern einen Anspruch und genießen auch Sonderkündigungsschutz.

Möglich ist auch, sich die Elternzeit aufzusparen und darüber eine Zeit lang auszusteigen, das richtet sich nach § 15 Abs. 2 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG). Allerdings tragen auch dann die Beschäftigten das Risiko, ob ihr Arbeitsplatz noch frei ist, wenn sie zurückkehren möchten. Das ist ja ein immer wiederkehrendes Streitthema. 

LTO: Herr Professor Fuhlrott, vielen Dank für das Gespräch.

Der Interviewpartner Prof. Dr. Michael Fuhlrott ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner bei FHM Rechtsanwälte sowie Professor für Arbeitsrecht an der Hochschule Fresenius in Hamburg.

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