Was man bei der Workation beachten sollte

"Ohne Geneh­mi­gung keine Minute Arbeit erlaubt"

Interview von Tanja PodolskiLesedauer: 5 Minuten

Für eine Mehrheit ist die Option von Workation ein entscheidendes Kriterium bei der Wahl der neuen Jobs. Doch Arbeiten im Ausland muss richtig eingestielt sein, erklärt Michael Fausel. Einfacher ist remote Work im Allgäu oder Nordfriesland.

Herr Dr. Fausel, für über die Hälfte der Bewerber:innen ist entscheidend, ob der potenzielle neue Arbeitgeber Workation anbietet. Worüber reden wir bei dem Begriff?

Dr. Michael Fausel: Der Begriff "Workation" ist eine Kombination von "vacation" und "work". Wir verwenden das Wort, sobald es ums Arbeiten im Ausland geht. Beim reinen Arbeitsortwechsel innerhalb Deutschlands, selbst wenn es ins Ferienhaus, auf den Campingplatz oder in eine Datsche im Berliner Umland geht, sprechen wir hingegen von remote Work. Letztere ist erheblich unkomplizierter umzusetzen als echte Workation. Doch rechtlich spannend wird es erst bei dieser Verlegung des Arbeitsortes ins Ausland.

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Oft freie Ortswahl im Inland

Heißt das, Beschäftigte können im Inland ihre Arbeit unproblematisch an jedem gewünschten Ort verrichten, also je nach Vorlieben in die Berge oder ans Meer verlegen?

Entscheidend ist der Arbeitsvertrag. Dort ist geregelt, wo Beschäftigte ihre Arbeit verrichten müssen. Das kann auch am Sitz des Unternehmens sein – dann geht die freie Ortswahl natürlich nicht.

Viele neuere Betriebsvereinbarungen oder Arbeitsverträge aber – immer vorausgesetzt, das passt zu der Position im Unternehmen – lassen in der Tat inzwischen sehr oft zu, dass Menschen an jedem beliebigen Ort im Inland arbeiten. Wir reden hier von Regelungen im Inland inzwischen von Home-Office, mobile Work, hybrider Arbeit oder eben remote Work – die Begriffe meinen eigentlich immer sehr ähnliches, daher sollte man als Arbeitnehmer:in im Zweifel nachfragen, was das Unternehmen erlaubt. Im Wesentlichen bedeutet es: Ich muss nicht in einem Büro präsent sein, kann mich innerhalb Deutschlands oft frei bewegen und muss sogar Ortsveränderungen nicht zwangsläufig vorher mit dem Unternehmen absprechen.

Diese Freiheit habe ich übrigens häufig auch, wenn nur vereinzelte Präsenztage im Büro vereinbart sind.

Fünf Schubladen für das Ausland

Wo liegen die Herausforderungen, wenn Beschäftigte im Ausland arbeiten möchten?

Ich nenne das die "Fünf Schubladen der Entsendung" – denn auch, wenn Arbeiten im Ausland nicht immer gleich eine Entsendung ist, stellen sich doch die gleichen Fragen:

Da ist erstens das Arbeitsrecht mit der Frage, ob das deutsche oder das ausländische Recht Anwendung findet. Die zweite Schublade ist die Sozialversicherung mit den wiederum fünf Aspekten Renten-, Arbeitslosen-, Kranken-, Pflege- und Unfallversicherung – also wo halte ich mich auf und was gilt, wenn etwas passiert? Als drittes geht es um das Melderecht, denn auch in der Europäischen Union (EU) mit dem Recht auf Freizügigkeit muss ich mich anmelden, sobald ich in einem Mitgliedstaat einer Arbeit nachgehen möchte. Außerhalb der EU stellt sich viertens die Frage des Aufenthaltsrechts – man denke sich nur, mit einem Touristenvisum in den USA plötzlich arbeiten zu wollen. Und die fünfte Schublade schließlich ist das Steuerrecht – wer muss wo Steuern entrichten?

Recht des Arbeitsortes

Beginnen wir mit dem Arbeitsrecht: Inwieweit spielt es eine Rolle, ob das deutsche oder das ausländische Recht gilt?

Es gilt das Recht des Arbeitsortes, das dürfte vor allem bei den Arbeits- und Ruhezeiten eine wesentliche Rolle spielen. Denn wenn beispielsweise die Höchstarbeitszeit in dem Land, in dem ich mich aufhalte, bei 10 Stunden täglich liegt wie etwa in Frankreich, dürfen auch Ausländer nicht länger arbeiten. Das gilt auch für Personen mit einem deutschen Arbeitsvertrag.

Auch an Feiertagen im Ausland dürften deutsche Arbeitnehmer:innen nicht arbeiten und müssten sich etwa in muslimisch geprägten Ländern daran halten, dass an Freitagen vielfach zumindest nicht voll gearbeitet werden darf.

Die anderen Schubladen – Sozialversicherung und Co.

Welche Rolle spielen die anderen Aspekte, das Sozialversicherungsrecht, die Meldepflichten, das Aufenthalts- und Steuerrecht?

Das Sozialversicherungsrecht ist das, was die Menschen absichert. Um also auch bei der Arbeit im Ausland kranken- oder rentenversichert zu sein, müssen Beschäftigte sich eine sogenannte A 1-Bescheinigung besorgen, dann gilt die Kranken- sowie die Rentenversicherung für einen begrenzten Zeitraum auch im Ausland. Die bekommen gesetzlich Versicherte bei ihrer Krankenversicherung, privat Versicherte bei der Deutschen Rentenversicherung.

In Hinblick auf die Meldepflichten lässt sich sagen, dass es innerhalb der EU leider keine einheitlichen Regelungen gibt, man muss sich also konkret für das jeweilige Land informieren, welche Voraussetzungen erfüllt werden müssen. Das gilt auch für das Aufenthaltsrecht, das bei Aufenthalten außerhalb der EU relevant ist.

Steuerrechtlich ist für Unternehmen wichtig, dass nicht plötzlich durch die Arbeit einer Person im Ausland aus Versehen eine neue Betriebsstätte gebildet wird. Die Kriterien sind zumindest in Europa inzwischen weitgehend festgelegt. Für eine neue Betriebsstätte müsste das Unternehmen mit dem Ziel, über Marketingmaßnahmen neues Geschäft zu generieren, in einem neuen Markt aktiv werden. Zudem braucht es eine räumliche Eingrenzung, also eine sogenannte "feste Geschäftseinrichtung". Schließlich kann die Zeichnungsberechtigung der/des Mitarbeiter:in ein Indiz darstellen.

Trotz dieser Herausforderungen wollen viele Unternehmen ihren Mitarbeitenden die Arbeit im Ausland ermöglichen. Einige Unternehmen erlauben die Workation nun nur in bestimmten Ländern innerhalb der EU, um den Verwaltungsaufwand im Griff zu behalten. Das kann ich sehr gut verstehen.

Es gibt wegen der unternehmerischen Risiken auch schon Arbeitgeber:innen, die Workation komplett untersagt haben.

Geltung ab der ersten Minute

Ab wann gelten die Bestimmungen für die Arbeit im Ausland? Es ist ja unter Jurist:innen durchaus gängig, Handy und Notebook mit auf die Malediven zu nehmen. Darf ich dort ein kurzes berufliches Telefonat führen oder Emails beantworten?

Streng genommen nicht: Ab dem ersten Tag und der allerersten Minute des Arbeitens im Ausland gelten die Regelungen des Landes, in dem ich mich befinde. Die Arbeitnehmer:innen müssten also die Erlaubnis des eigenen Unternehmens haben und noch zuhause die genannten Vorkehrungen für die Arbeit im Ausland getroffen haben. Das gilt sogar dann, wenn ich im Ausland arbeite, weil der Heimflug verschoben wurde.

In der Praxis machen viele Unternehmen aber beide Augen zu. In dem Fall müssen sich die Arbeitnehmer:innen in Bezug auf ihr Arbeitsverhältnis auch keine Gedanken machen. Mit rechtmäßigem Handeln der Unternehmen hat das allerdings dann nicht mehr viel zu tun.

Heimlich und arbeitsvertragswidrig im Ausland zu arbeiten ist hingegen keine Lösung: Das berechtigt den oder die Arbeitgeber:in mindestens zur Abmahnung, und falls dem Unternehmen daraus ein erheblicher Schaden entstanden ist, etwa Bußgelder wegen Verstoßes gegen die Meldepflicht, womöglich sogar zur Kündigung. Das lohnt sich nicht, dann kann man es sich besser irgendwo zwischen Hamburg und München schön einrichten.

Herr Dr. Fausel, vielen Dank für das Gespräch.

Der Gesprächspartner Dr. Michael Fausel ist Gründungspartner der Arbeitsrechtsboutique Bluedex Labour Law und spezialisiert auf Entsendungsrecht.

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