Der direkte Draht zum Anwalt
Es ist kurz nach 19 Uhr und damit deutlich nach Ende Ihrer Bürozeiten als bei Tanja Leopold das Telefon klingelt. Sie hebt trotzdem ab. Den Mann am anderen Ende des Telefons kennt sie nicht, aber er ist hörbar aufgebracht, will wissen, wie lange seine Kündigungsfrist ist. Tanja Leopold stellt ein paar Rückfragen, gibt ihm die erwartete Antwort und beendet das Gespräch nach nicht einmal fünf Minuten. Dann klingelt das Telefon erneut.
Für die Rechtsanwältin ist dies mittlerweile Normalität. Seit über zehn Jahren hilft sie als Telefonanwältin über die Deutsche Anwaltshotline Menschen, die nur kurze Rechtsfragenhaben und hierfür nicht viel Geld ausgeben möchten oder können. Daneben hat sie auch ihre eigene Kanzlei im Herzen Nürnbergs. Ob sie sich durch die Telefonberatung denn nicht ihre eigenen Mandate wegnimmt, wollen wir wissen. "Nein", sagt sie, "denn diese Menschen würden normalerweise gar nicht zum Anwalt gehen, weil sie für ihre kurzen Fragen nicht gleich einen Termin ausmachen oder ein hohes Honorar zahlen wollen."
So sieht das auch Johannes Goth, selbst Jurist und Vorstand der Deutschen Anwaltshotline AG. Für ihn liegen die Stärken der telefonischen Rechtsberatung vor allem in der ständigen und unkomplizierten Verfügbarkeit der Rechtsberatung und im transparenten Preismodell, denn die Abrechnung erfolgt minutengenau und kommt mit der Telefonrechnung. Auch die Tatsache, dass die Gespräche am Telefon viel anonymer verlaufen, sei für viele Rechtssuchende ein Grund lieber zum Hörer zu greifen als eine Kanzlei aufzusuchen.
Genau diese Gründe bewegten den Juristen Goth im Spätsommer 2002 dazu, gemeinsam mit Freunden die Deutsche Anwaltshotline AG zu gründen. Die Idee dazu kam ihm, nachdem er in der Zeitung einen Bericht über das BGH-Urteil zur Zulässigkeit von telefonischer Rechtsberatung (Urteil vom 26.09.2002 - I ZR 102/00) gelesen hatte. "Wir haben darin sofort ein ganz neues Marktsegment mit viel Potential gesehen." Entsprechend stellt die Telefonberatung für Goth auch keine Ersetzung, sondern vielmehr eine sinnvolle Ergänzung der "gewöhnlichen" Mandantenberatung dar.
In der Praxis, so muss auch er zugeben, sieht das jedoch häufig anders aus: "Die meisten Sachen, auch wenn sie vom Betroffenen natürlich zu Recht als sehr schwerwiegend empfunden werden, sind ja doch recht alltäglich, etwa Probleme rund um Kauf, Miete oder den Arbeitsplatz." Diese würden sich mit nur einem Anruf bereits erledigen. Kompliziertere Fälle hingegen, insbesondere Fälle mit vielen Unterlagen, sieht auch Johannes Goth bei einer Kanzlei besser aufgehoben. Dennoch: Zumindest als Erstberatung sei die telefonische Rechtsberatung stets sinnvoll.
Einfach für die Kunden, ungewohnt für die Anwälte
Für Rechtssuchende stellt sich die telefonische Rechtsberatung denkbar einfach dar: Auf der Webseite eines Anbieters suchen sie sich einen auf das jeweilige Rechtsgebiet spezialisierten Anwalt heraus und können diesen dann für 1,99 Euro pro Minute direkt anrufen. Für die Telefonanwälte hingegen bedeutet die Beratung am Telefon eine erhebliche Umstellung im Vergleich zur gewöhnlichen Mandantenberatung.
So vermisst Tanja Leopold vor allem den persönlichen Kontakt: "Es ist doch um einiges weniger menschlich, mit jemandem am Telefon zu sprechen, als diesem in der Kanzlei gegenüberzusitzen. Dadurch kann man die Reaktionen des Gesprächspartners viel schlechter einschätzen." Manchmal würde sie zudem gerne wissen, wie die Angelegenheit ausgegangen ist. "Manchmal rufen die Kunden noch einmal an, um mir von den Resultaten zu berichten und sich bei mir zu bedanken, doch das kommt leider eher selten vor."
Auch im Hinblick auf die Bezahlung müssen sich die Telefonanwälte umstellen. Diese richtet sich nicht wie üblich nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, sondern auch hier erfolgt die Abrechnung minutengenau. An jeden 1,99 Euro pro Minute verdienen die Telefonanwälte einen Anteil*, der Rest geht an die Deutsche Anwaltshotline AG für die Bereitstellung der technischen Plattform und die Vermittlung. Als Haupteinnahmequelle kommt die Telefonberatung somit regelmäßig nicht in Betracht, sondern eignet sich eher als eine zusätzliche Beschäftigung neben der eigenen Kanzlei.
Gewöhnungsbedürftig sei es am Anfang auch, Rechtsfragen sofort und ohne viel Nachlesen zu beantworten. Dies aber sei enorm wichtig, denn die Kunden erwarten eine schnelle Antwort auf ihre Fragen, auch weil sie für jede einzelne Minute bezahlen müssen. Für Rechtsanwältin Leopold war das schon bald kein Problem mehr: "Meist kommen ja eh immer nur die gleichen Fragen, zum Beispiel nach Kündigungsfristen oder was man tun kann, wenn man gerade geblitzt worden ist."
Problemlos neben der eigenen Kanzlei möglich
Ein Telefonanwalt sollte daher vor allem drei Dinge mitbringen: Erfahrung, gute Kommunikationsfähigkeit und in etwa 20 Stunden Zeit pro Woche. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, so ist die Telefonberatung nach den Erfahrungen von Johannes Goth auch problemlos neben der Tätigkeit in einer eigenen Kanzlei möglich. "Der Anwalt kann seine Bereitschaft im Dialog mit uns selbst wählen. Er kann sogar zwischen zwei Anrufen an seinen eigenen Fällen weiterarbeiten oder Fachliteratur lesen. Nur extern telefonieren und Mandanten empfangen kann er nicht."
Solange ein separater Telefonanschluss vorhanden ist, können die Anwälte sogar von zuhause aus arbeiten. Eine Tätigkeit für die Deutsche Anwaltshotline AG entbindet den Anwalt allerdings nicht von der Haftung. So betont der Jurist Goth: "Nach dem BGH-Urteil kommt der Rechtsberatungsvertrag stets zwischen dem Anwalt und dem Anrufer zustande. Daher haftet allein der Anwalt." Die Deutsche Anwalthotline AG stelle dabei nur die technische Plattform zur Verfügung.
Dennoch sei es in zehn Jahren mit über 1.000.000 Telefonberatungen zu keinem Haftungsfall gekommen, so Goth. "Im Zweifelsfall müsste der Anrufer dem Anwalt eine telefonische Falschberatung nachweisen. Das dürfte nicht einfach sein - ebenso allerdings wie bei einer mündlichen Beratung vor Ort in einer Kanzlei."
Rechtsanwältin Tanja Leopold hat nie bereut, als Telefonanwältin tätig zu werden. Mehr noch: Sie könne sich sogar vorstellen, irgendwann einmal nur noch am Telefon Rechtsrat zu erteilen. "Vor allem wenn die Kanzleiarbeit mal abnimmt, ist dies sicherlich eine Option. Nur jetzt noch nicht, da würde ich den persönlichen Kontakt und den Gang zu Gericht zu sehr vermissen."
*Anm. d. Red.: Geändert am 30.07.2019 auf Bitten der Deutschen Anwaltshotline
Auf Jobsuche? Besuche jetzt den Stellenmarkt von LTO-Karriere.
2013 M02 26
Rechtsanwälte
Verwandte Themen:- Rechtsanwälte
- Kanzlei
Teilen