Befreiung von der Rentenversicherung wieder möglich
Bereits rasch nach dem Vorliegen der Urteilsgründe der vielfach kritisierten und mittlerweile auch mit Verfassungsbeschwerden angefochtenen Urteile des Bundessozialgerichts vom 3. April 2014 hatte Heiko Maas angekündigt, sich Gedanken über die Frage der rechtlichen Stellung der Syndikusanwälte zu machen. Jetzt hat er ein 13 Punkte* umfassendes Eckpunktepapier vorgestellt. Dabei spricht sich der Bundesjustizminister, abgestimmt in der Bundesregierung, für eine berufsrechtliche Lösung und damit gegen eine sozialversicherungsrechtliche Lösung der zurzeit heftig diskutierten Fragen rund um die Unternehmensjuristen und ihre rechtliche und praktische Stellung aus. Er möchte die Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) ändern und damit erstmals seit deren Schaffung im Jahr 1959dort auch das Recht der angestellten Rechtsanwälte. Diese stellen heute mit ca. 60 bis 70 Prozent die größte Gruppe innerhalb der deutschen Anwaltschaft, kommen aber in der BRAO nur rudimentär vor. Maas will klarstellen, dass der Anwaltsberuf auch im Angestelltenverhältnis sowohl bei einem anwaltlichen wie nichtanwaltlichen Arbeitgeber ausgeübt werden kann. Er verweist dabei auf die Regelungen im Steuerberatungsgesetz, das vor einigen Jahren ausdrücklich den Syndikussteuerberater geschaffen hat.
Aufgabe der Doppelberufstheorie
"Die Doppelberufstheorie wird aufgegeben", heißt es unter Nr. 3 des Papiers. Das bedeutet, dass auch der Rechtsanwalt, der seinen Beruf bei einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber, also in einem Unternehmen, bei einem Verband o.ä., ausübt, anwaltlich tätig ist, und zwar nicht nur – wie bisher etwa vom Bundesgerichtshof vertreten – im Nebenberuf. "Die Rechtsberatungsbefugnis beschränkt sich in diesem Falle auf die Beratung und Vertretung des Arbeitgebers des Rechtsanwalts", so lautet die neue Definition für den Syndikusanwalt. Das Ministerium entscheidet sich dann für ein Zulassungsmodell. Der Syndikusanwalt kann für seine Tätigkeit im Unternehmen – und zusätzlich, aber nicht zwingend, als freier Rechtsanwalt von der Rechtsanwaltskammer zugelassen werden. Die Begründung dürfte bundesweit für Erleichterung bei den Syndici sorgen: "Die Pflichtmitgliedschaft in der Rechtsanwaltskammer ist erforderlich, damit die Befreiungsmöglichkeit von der gesetzlichen Rentenversicherung besteht. Denn nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI besteht die Befreiungsmöglichkeit nur für eine Beschäftigung, wegen der kraft gesetzlicher Verpflichtung ein Beschäftigter Mitglied einer berufsständischen Kammer ist", heißt es wörtlich.Befreiung von der Rentenversicherung wird wieder möglich
Damit spricht sich Maas für eine Anpassung der BRAO zugunsten der Syndikusanwälte aus. Wenn die Zulassung als Syndikusanwalt erfolgt ist, können die Deutsche Rentenversicherung und das BSG nicht mehr argumentieren, dass eine Befreiung für angestellte Anwälte grundsätzlich nicht möglich ist. Diese Gesetzesänderung bedeutet auch eine Klarstellung, dass die bis 2014 vorhandene Befreiungsmöglichkeit von Syndikusanwälte, die das BSG mit den Urteilen vom 3. April 2014 abgelehnt hatte, wieder hergestellt wird. Wer als Syndikusanwalt tätig ist, kann dann auch nur diese Tätigkeit ausüben, er muss, auch wenn eine eigene Kanzlei sinnvoll ist, eine solche zukünftig nicht mehr nebenher betreiben, wenn er nicht möchte. Auf den zugelassenen Syndikusanwalt finden dann auch die berufsrechtlichen Vorschriften eindeutig Anwendung, was bisher umstritten war, aber richtig ist.2/2: Zulassung 2.0
Bei der Zulassung muss der Arbeitsvertrag vorgelegt werden, was bisher schon zur Prüfung der Vereinbarkeit der Tätigkeit mit dem Anwaltsberuf notwendig war. Aus diesem muss sich auch ergeben, dass die Unabhängigkeit des Anwalts durch das Weisungsrecht des Arbeitgebers nicht beeinträchtigt wird. Dies gilt sowohl für Anwälte in Kanzleien als auch in Unternehmen und Verbänden. In der Praxis wird dies bedeuten, dass der Arbeitgeber bescheinigen muss, dass der bei ihm tätige Anwalt weisungsfrei ist in der Erteilung des Rechtsrats (und damit auch der Rechtsgestaltung) und dass er nicht verpflichtet werden kann, eine bestimmte Meinung zu vertreten. Ob der Arbeitgeber (Kanzlei/Unternehmen) als Arbeitgeber dem Rechtsrat folgt, ist eine andere Frage. Dies ist dann aber genauso wie im Verhältnis zwischen Anwalt und Mandant. Auch dort entscheidet immer noch der Mandant, wie er letztlich vorgeht. In der Praxis wird sich diese Regelung einfach handhaben lassen. Die Eckpunkte stellen auch klar, dass der angestellte Rechtsanwalt nicht nach dem RVG abrechnen darf und muss, was eigentlich eine Selbstverständlichkeit ist.Mehr Vertretungsbefugnis
Das Eckpunktepapier spricht sich auch für eine Änderung des § 46 BRAO aus. Maas will das dort bisher verankerte Vertretungsverbot, sehr praxisorientiert, künftig auf die Fälle beschränken, wenn es einen Anwaltszwang im zivil- und arbeitsrechtlichen Verfahren gibt. In allen anderen Fällen soll in Zukunft der Syndikusanwalt seinen Arbeitgeber vertreten können. Zu Recht verweist der Bundesjustizminister darauf, dass etwa Volljuristen in Behörden ihre Arbeitgeber schon immer auch in Verfahren mit Anwaltszwang vertreten durften. Mit dem neuen Vertretungsverbot möchte er die Unternehmen schützen, die keine Rechtsabteilung haben und externe Anwälte beauftragen müssen, die verpflichtet sind, in Gerichtsverfahren nach dem RVG abzurechnen, was unter Umständen deutlich teurer ist als die Vertretung durch den Unternehmensanwalt. Hier geht Maas sehr weit. Allerdings werden Syndikusanwälte auch in Zukunft wie schon heute dann Anwälte beauftragen, wenn es um Spezialfragen geht oder eine zweite Meinung erforderlich ist. Dass etwa Versicherungen jetzt flächendeckend selbst, vertreten durch ihre Syndici, vor Amtsgerichten auftreten werden, steht nicht zu erwarten. Aufrecht erhalten bleibt das Vertretungsverbot allerdings – wohl zu Recht – in Straf- und Bußgeldverfahren, hier besteht tatsächlich die Gefahr von Interessenkollisionen.Keine Gleichstellung, aber ein großer Schritt für die Einheit der Anwaltschaft
Keine Gleichstellung mit den Kanzleianwälten soll es bei den in der Strafprozessordnung geregelten Anwaltsprivilegien geben. Hier scheint sich das Bundesinnenministerium durchgesetzt zu haben, dass Sorge hatte, dass die Strafverfolgung gegen Unternehmen und deren Verantwortliche erschwert werden würde, wenn Syndikusanwälte Zeugnisverweigerungsrechte hätten wie ihre Kollegen in den Kanzleien. Vor allem die Gefahr der "Verschiebung von Beweismitteln" wird gesehen. Hier wird zwar eine Vorstellung von einer Tätigkeit des Syndikusanwalts deutlich, die so nicht zutreffend ist. Aber die meisten Syndikusanwälte werden damit leben können. Das Eckpunktepapier ist ein wichtiger und großer Schritt für die Syndikusanwälte. Der Deutsche Anwaltverein (DAV) hat bereits seine grundsätzliche Zustimmung erklärt, auch der Bundesverband der Unternehmensjuristen (BUJ) dürfte viele seiner Forderungen erfüllt sehen. Spannend wird es, wie sich die Hauptversammlung der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK), also die Präsidenten der regionalen Kammern, positionieren wird. Es gibt erhebliche Unterschiede in der Haltung zu den Syndikusanwälten. Die Auffassungen reichen von der grundsätzlichen Ablehnung gerade mancher kleinen Kammern bis zur Ansicht, dass die Syndikusanwälte vollständig wie normale Anwälte in Kanzleien zu behandeln sind, so etwa die Kammern Köln und Stuttgart. Bisher hat sich die Hauptversammlung für eine sozialversicherungsrechtliche Lösung, aber nach langen Diskussionen gegen die Ablehnung berufsrechtlicher Regelungen ausgesprochen. An diesem Freitag werden sich die Präsidenten der Kammern in Berlin erstmal mit dem Eckpunktepapier befassen. Eine Forderung ist bereits aus den Wirtschaftsverbänden zu hören. Sie schlagen vor, dass die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV) erst einmal die Umsetzung ihrer neuen Leitlinien vom 12. Dezember 2014 stoppen und damit eine weitere Flut von Gerichtsverfahren vermeiden könnte. Wenn das Eckpunktepapier Gesetz würde, wären viele Verfahren hinfällig, gerade wenn es eine – notwendige – Übergangsregelung gäbe. Heiko Maas geht als Bundesjustizminister in die Offensive. Mit dem Eckpunktepapier plädiert er für die Einheit der Anwaltschaft und will eine berufsrechtliche Spaltung sowie die Entwicklung sehr unterschiedlicher Beratungsberufe verhindern. Und das ist auch gut so. Es ist zu hoffen, dass aus den Eckpunkten rasch ein Gesetzentwurf und daraus schnell ein Gesetz wird. Dann ist ein Berufswechsel für die ca. 40.000 Unternehmensanwälte aus Kanzleien in Unternehmen, aber auch zwischen Unternehmen, wieder möglich. Der Autor Martin W. Huff ist Rechtsanwalt in der Kanzlei LegerlotzLaschet Rechtsanwälte in Köln, Geschäftsführer der Rechtsanwaltskammer Köln und Sprecher des Ausschusses Syndikusanwälte im Kölner Anwaltverein. Er berät seit Jahren in Fragen des Rechts der Syndikusanwälte. * hier stand ursprünglich 14 Punkte. Korrigiert am 29.01.2015, 14:09.Auf Jobsuche? Besuche jetzt den Stellenmarkt von LTO-Karriere.
2015 M01 14
DAV
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