Selbständigkeit durch Spin-Off

Der Reiz der kurzen Wege in der eigenen Kanzlei

von Patrick BuseLesedauer: 6 Minuten
Im Anwaltsmarkt herrscht Bewegung. Auffällig viele angestellte Anwälte kehren ihrem Arbeitgeber den Rücken und wagen den Spin-Off. Aber auch etablierte Partner und Teams großer Kanzleien entscheiden sich zur eigenen Kanzleigründung. Die Motivationen sind vielfältig und nicht selten grundverschieden. LTO sprach mit Gründern über Motivation, Planung, Resonanz und Perspektive.

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Für Philipp von Bismarck und seine fünf Sozien hatte die Selbständigkeit schon immer eine große Anziehungskraft. Die als Wendelstein LLP firmierende neue Einheit ist seit Januar 2011 am Markt. Die Gründer konnten alle jahrelange Erfahrung in einer der führenden deutschen Wirtschaftskanzleien sammeln. Ihr Spin-Off war der erste in der Kanzleigeschichte ihrer alten Sozietät überhaupt und hat deshalb sehr viel Aufmerksamkeit im Anwaltsmarkt gefunden. Die gemeinsamen Vorstellungen von der anwaltlichen Berufsausübung in dem selbst ausgewählten Team umzusetzen, war ein besonders wichtiger Aspekt der Entscheidung für die Selbständigkeit, sagt Sozius Dr. Matthias Budde. Außerdem war es extrem wichtig, direkten Einfluss auf die Unternehmenskultur und die unternehmerischen Entscheidungen zu haben, ohne die Beschränkungen, die in größeren Einheiten zwangsläufig entstehen. Auch Georg Fechner gefällt, dass die Abstimmungswege sehr viel knapper sind und er schneller Entscheidungen treffen und eigene Vorstellungen verwirklichen kann. So kann er auch das Profil als "grüne Kanzlei" stärken. Nach 15 Jahren in einer angesehenen Hamburger Sozietät für Medienrecht, davon acht Jahre als Partner, hat er sich zum 1. Juni 2011 mit seinem Sozius Dr. Jan-Peter Ewert unter dem Namen Fechner Ewert selbständig gemacht. Auch wenn ihm die Arbeit in der alten Kanzlei viel Freude bereitet hat und er seine exzellenten Kollegen lobt, entschied er sich gegen den sicheren und bewährten Weg und wagte das Abenteuer eines Neustarts.

Unabhängigkeit als Wachstumsfaktor

Anders war die Konstellation bei Dr. Karl J. T. Wach und Frank Meckes, die seit Juni 2009 mit ihrer auf komplexe und großvolumige Wirtschaftsstreitigkeiten spezialisierten Einheit Wach + Meckes LLP am Markt sind. Management- und Ergebnisverantwortung gehörten für sie schon vor dem Spin-Off zum Berufsalltag. Sie bildeten den Kern der von Wach begründeten und seit vielen Jahren als Partner geführten deutschen Litigation/Arbitration-Gruppe einer international tätigen Wirtschaftskanzlei und waren mit dieser schon vor dem Neustart als Spezialisten für Prozessführung und Schiedsgerichtsbarkeit in der Branche bekannt. Die Einbindung der Gruppe in eine auf Corporate und Finance fokussierte Wirtschaftskanzlei ließ Wach und Meckes dort jedoch an strukturell bedingte Wachstumsgrenzen stoßen. Aufgrund der weitverzweigten internationalen Mandantschaft ihrer "alten" Kanzlei waren Mandatskonflikte an der Tagesordnung, die das Team insbesondere bei Streitigkeiten im Finanzsektor regelmäßig am Tätigwerden hinderte. Dies gehört durch die mit dem Spin-Off erlangte Unabhängigkeit inzwischen der Vergangenheit an. Diese sowie die Herkunft aus einem internationalen Umfeld machen Wach + Meckes LLP außerdem zu einem attraktiven Kooperationspartner für große Wirtschaftskanzleien in einzelnen Streitfällen. Die Selbständigkeit ermöglicht außerdem, Berufs- und Privatleben bisweilen besser, zumindest aber flexibler miteinander zu vereinbaren, sagt Dr. Matthias Budde. Die Arbeitsbelastung unterscheide sich unter dem Strich aber nicht wesentlich von der früheren Tätigkeit. Philipp von Bismarck und seinen Partnern war es sehr wichtig, dass Wendelstein die Abspaltung vom bisherigen Arbeitgeber fair und in bestem Einvernehmen durchführt und gewachsene Mandatsstrukturen respektiert. Nun habe man weiterhin ein sehr gutes persönliches wie berufliches Verhältnis zu den ehemaligen Kollegen. Nach langjähriger gemeinsamer Tätigkeit schätze man sich fachlich und persönlich schließlich sehr, ergänzt Budde.

Neue Tätigkeit = Neue Aufgaben?

Georg Fechners Beratungsspektrum hat sich nicht wesentlich geändert. Der Kernbereich seiner Praxis soll weiterhin im Urheberrecht, gewerblichen Rechtsschutz und der Betreuung von Werbe-, PR- und Designagenturen liegen. Zurzeit liegt das Augenmerk auf dem Ausbau der Kernkompetenz, wenn auch mittelfristig die angrenzenden Bereiche abgedeckt werden sollen. Auch das Beratungsspektrum von Wendelstein ist mit dem vergleichbar, das die Anwälte aus ihrer früheren Tätigkeit kennen. Man berät in den Kerngebieten des Wirtschaftsrechts nationale und internationale Mandanten, berichtet Dr. Matthias Budde. Ihre momentane, für einen Spin-Off schon sehr beachtliche Größe, so Philipp von Bismarck, erlaube es bereits jetzt, flexibel schlagkräftige Teams von Anwälten zusammenzustellen. Man sei groß genug für komplexe Mandate, aber zugleich auch klein genug, um nahtlos, effizient und flexibel zusammenzuarbeiten. Mit der Entwicklung des Geschäfts solle organisch und behutsam gewachsen werden. Eine allzu schnelle Expansion scheide nicht zuletzt aber aufgrund des hohen Qualitätsanspruchs und der gewünschten Homogenität der Partner aus. Wach und Meckes konnten ihr Beratungsspektrum in der neuen Einheit wie geplant erweitern. In Konstellationen, in denen sie früher selbst durch Mandatskonflikte verhindert waren, sind sie jetzt nicht selten einer von wenigen Anbietern für komplexe Prozessführung, der konfliktfrei ist. Hinzu kommen Mandate als Schiedsrichter, denen vorher ebenfalls Interessenskonflikte entgegenstanden.

Risikobereitschaft wird belohnt

Die Selbständigkeit fordert aber auch über die Beratung hinausgehende Tätigkeiten. So ist die verstärkte Beschäftigung mit Themen wie Business Development und Pitches ganz natürlich, erklärt Dr. Matthias Budde. Die Planung der Gründung verlief sehr schnell, berichtet Georg Fechner. Am längsten habe die Suche nach geeigneten Räumen gedauert. Der Anwalt wurde von dem Aufwand für Verwaltung und Organisation einer Kanzlei ganz unvorhergesehen getroffen. Auch sind seine Mitarbeiterinnen nun Expertinnen für Warteschleifenmelodien der verschiedensten Unternehmen, die die Einrichtung der Kanzlei unterstützen sollten. Dass all das derartig viel Zeit kosten würde, hatte er nicht erwartet. Er freut sich auf die ersten freien Wochenenden. Und fügt hinzu: "Irgendwann einmal...". Von Bismarck vermutet, dass die in Großkanzleien gezahlten vergleichsweise hohen Gehälter für viele dort beschäftigte Anwälte die größte Hürde für den Schritt in die Selbständigkeit sind. Diese müssten in der eigenen Kanzlei eben selbst erwirtschaftet werden. Wenn man es jedoch schafft, sich erfolgreich am Markt zu etablieren, kann sich dieser Schritt aber auch schnell auszahlen.

Positives Feedback der Mandanten

Budde freut sich, dass die ersten Monate für Wendelstein sehr gut verlaufen sind und die Kanzlei in der vergleichsweise kurzen Zeit bereits einen Platz als kleine aber feine Kanzlei im Markt gefunden hat. Auch Georg Fechner freut sich über die breite positive Resonanz der Mandanten. Um diesen gewaltigen Vertrauensvorschuss zu rechtfertigen, arbeitet er vielleicht sogar noch etwas mehr als zuvor. Außerdem hat er sich jüngst durch die Aufnahme eines weitern Anwalts und einer Markensachbearbeiterin verstärkt. Die Anwälte der Wach + Meckes LLP gingen 2009 bereits mit breiter Mandantschaft aus dem von ihnen betriebenen deutschen Litigation/Arbitration Bereich ihrer ehemaligen Kanzlei an den Start. Die strategische Positionierung der neuen Einheit als unabhängige Spezialkanzlei und die positive Aufnahme durch den Markt sowie die bestehenden Mandanten haben dann dafür gesorgt, dass das angestrebte Wachstum auch eingetreten ist. Mit zwei Berufsträgern gestartet sind bei Wach + Meckes LLP mittlerweise drei Partner und drei angestellte Anwälte tätig. Fast alle stammen aus Prozessabteilungen internationaler Großkanzleien. Und der Wachstumskurs soll beibehalten werden – eine definierte Zielgröße gibt es nicht. Die Anwälte von Wendelstein sind froh, den Schritt in die Selbständigkeit gewagt zu haben. Das gute Gefühl, die Tür zur eigenen Kanzlei aufzuschließen und den Herausforderungen des Tages mit einem lächelnden Team entgegenzublicken, kennt auch Fechner. Er wundert sich nur, wie lange man auf ein gebogenes Kanzleischild aus Messing warten kann. Dreizehn Wochen nach Beauftragung hängt neben der Tür noch immer die Plastikvariante. Trotz solch kleiner Unwegsamkeiten berichten alle Gründer mit Enthusiasmus und Zufriedenheit von ihrer Entscheidung für das eigene Unternehmen. Und so sehr sich diese Spin-Offs und die Motivation ihrer Gründer auch unterscheiden, in einem sind sich die Gründer einig: Der Schritt hat sich gelohnt. Mehr auf LTO.de: Spin-Offs: Immer der eigenen Nase nach Anwaltsmarkt: Grenze des Wachstums noch nicht erreicht

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