Erfundenes Urteil war keine Urkundenfälschung
Das OLG Hamm hatte in einer nun bekanntgewordenen Entscheidung die Verurteilung eines Rechtsanwalts aufgehoben (Beschl. v. 12.05.2016, Az. 1 RVs 18/16). Das Landgericht (LG) Dortmund hatte den Mann im Oktober vergangenen Jahres wegen Urkundenfälschung schuldig gesprochen, nachdem er ein angeblich stattgebendes Urteil für einen seiner Mandanten erfunden hatte. Da der angeklagte Rechtsanwalt im Strafverfahren keine Aussage gemacht hat, ist unklar, wie es zu der eigentümlichen Lüge kommen konnte. Fest steht jedenfalls, dass er im Frühjahr 2011 beauftragt worden war, noch ausstehende Lohnzahlungen beim ehemaligen Arbeitgeber seines Mandanten einzuklagen. Tatsächlich nahm er zu dem Arbeitgeber jedoch nur außergerichtlich Kontakt auf und erhob niemals Klage. Auf die fortwährenden Nachfragen seines Mandanten hin erklärte er irgendwann ganz einfach, das Verfahren habe stattgefunden und sei in seinem Sinne entschieden worden; zum Belege hierfür verfasste er selbst eine angebliche Abschrift des arbeitsgerichtlichen Urteils.
Geld war nicht das Motiv
Nachdem der Schwindel aufflog, kam es zur Anklage durch die Staatsanwaltschaft und Verurteilung durch das LG Dortmund. Nach den Feststellungen des Gerichts ging es dem Anwalt augenscheinlich nicht darum, seinen Mandanten zu betrügen; auch sei diesem kein Schaden entstanden, da eine Klage auf den geforderten Restlohn (durch einen neuen Anwalt) weiterhin möglich gewesen wäre. Allerdings habe der Ex-Anwalt sich der Urkundenfälschung strafbar gemacht, indem er ein arbeitsgerichtliches Urteil fälschte. Das sah das OLG anders: Es verneinte die Strafbarkeit nach § 267 Strafgesetzbuch (StGB), da es sich bei dem erfundenen Urteil nicht um eine (unechte) Urkunde gehandelt habe. Denn der Anwalt habe seinem Mandanten lediglich eine Abschrift des vermeintlichen Urteils überreicht, die durch einen Stempelaufdruck auch als solche gekennzeichnet gewesen sei. Im Unterschied zu einer Urteilsausfertigung oder einer beglaubigten Urteilsabschrift sei die einfache Urteilsabschrift jedoch keine Urkunde im strafrechtlichen Sinne. Sie verkörpere nicht die (angebliche) Erklärung des Ausstellers des Originals, sondern gebe lediglich wieder, was (vermeintlich) in einem anderen Schriftstück stehe.Auf bloße Abschrift kann man nicht vertrauen
Welche rechtliche Qualität einfachen Kopien bzw. Ausdrucken zukommt, und ob ihre Fälschung den Tatbestand des § 267 StGB erfüllen kann, gehört zu den klassischen Problemen der Urkundsdelikte. Obwohl solche Wiedergaben eines (angeblichen) Originals im Rechtsverkehr vielfach verwendet und akzeptiert würden, stellten sie nach ständiger Rechtsprechung keine Urkunden im Sinne des StGB dar, so das OLG. Als einfache Abschrift eines vermeintlichen Urteils habe das Schriftstück auch nicht als Ersatz für die Urschrift dienen können. Einfache Urteilsabschriften träten gerade nicht wie Ausfertigungen oder beglaubigte Abschriften kraft gesetzlicher Bestimmung an die Stelle der bei den Gerichtsakten verbleibenden Urschrift eines gerichtlichen Urteils. In der Vorlage der gefälschten Urteilsabschrift liege zwar die Erklärung, dass ein originales Urteil gleichen Inhalts existieren würde. Allein dadurch werde die Abschrift selbst aber nicht in den Rang einer Urkunde erhoben. Bei gerichtlichen Entscheidungen müsse der Rechtsverkehr im Grundsatz nicht bereits auf einfache Abschriften vertrauen. Für einen Rechtsuchenden bestehe durchaus die Möglichkeit, die Vorlage von beglaubigten Abschriften oder Ausfertigungen zu verlangen. Genüge ihm gleichwohl eine einfache Abschrift, könne im Falle einer vorgelegten Fälschung gegebenenfalls eine nach den Betrugsvorschriften strafbare Täuschung vorliegen, bei der dann allerdings keine als Urkundenfälschung strafbare Urkunde verwandt worden sei. Der Beschluss des OLG ist rechtskräftig. cvl/LTO-RedaktionAuf Jobsuche? Besuche jetzt den Stellenmarkt von LTO-Karriere.
2016 M05 19
Skurriles
Verwandte Themen:- Skurriles
- Rechtsanwälte
- Straftaten
- Urkundenfälschung
Teilen