"Wir unter­sch­reiben Mails auch als 'AnCa'"

LTO: Frau Freuck, Frau Hypscher, Sie arbeiten als Chief of Staff in der Kanzlei Push Wahlig Workplace Law (PWWL). Und zwar im Jobsharing-Modell – in Anlehnung an Ihre Vornamen – unter dem Namen "AnCa". Was konkret sind Ihre Aufgaben? 

Caroline Hypscher: Wir besetzen eine Management (C-Level-)Position in der Kanzlei und sind für verschiedene Bereiche verantwortlich. Dazu zählen der gesamte Personalbereich, die IT & Legal Tech, das Marketing und Business Development und die Assistenzpositionen, d.h. die Rechtsanwaltsfachangestellten (ReFas) sowie Empfangs-Mitarbeitenden. Die ReFas arbeiten in fachlicher Hinsicht eng mit den Anwälten zusammen, hängen aber disziplinarisch und organisatorisch an uns. Wir decken also eine große Bandbreite ab. Deshalb ist es auch so spannend, dass wir beide aus ganz unterschiedlichen Bereichen kommen und unsere Erfahrungen und Kompetenzen einbringen. Das, was wir als AnCa mitbringen, ist schwer in einer Person zu finden.  

Wie haben Sie sich eigentlich kennengelernt? 

Anika Freuck: Das war ein glücklicher Zufall. Vor mittlerweile sieben Jahren habe ich über Kleinanzeigen eine Kindertrage an Caro verliehen. Da wir uns auf den ersten Blick sympathisch waren, habe ich spontan bei der Rückgabe der Trage alle zum Essen eingeladen. Wir haben auch festgestellt, dass wir beide in Berlin am Potsdamer Platz arbeiten. Dort haben wir uns dann regelmäßig getroffen, uns über berufliche Herausforderungen ausgetauscht und auch gegenseitig gecoacht.  

Wie kam es dann, dass sie beschlossen haben, im Tandem zu arbeiten? 

Freuck: Caro wollte sich beruflich umorientieren. Sie hat damals den Kundenservice bei ShareNow geleitet. Ich war viele Jahre bei der Deutschen Bahn für die Bereiche Strategie und Transformationsprojekte verantwortlich. Caro hat mich dann inspiriert – und ich habe ihr vorgeschlagen, ob wir uns nicht im Tandem bewerben wollen. 

"Führungsposition mit Familienleben unter einen Hut bringen" 

Hatten Sie vorher schon im Jobsharing gearbeitet? 

Hypscher: Ich arbeite seit 2018 im Jobsharing und bin seitdem großer Fan des Modells.  Damals war ich bei car2go, später dann ShareNow, tätig. In meiner Elternzeit habe ich mich gefragt, wie ich meine berufliche Zukunft gestalten will – und meine Führungsposition mit meinen persönlichen Interessen und dem Familienleben unter einen Hut bringen kann.  Mein damaliger Chef fand die Idee und das Arbeitsmodell gut und ich hatte auch eine schnell eine passende Tandempartnerin gefunden. 

Wie ging es dann weiter bei AnCa? 

Freuck: Caro und ich haben uns zusammengesetzt, überlegt, welche Werte wir haben, welchen Führungsanspruch wir vertreten und wie wir uns unser Arbeitsleben vorstellen. Wir haben dann schnell festgestellt, dass wir auf einer Wellenlänge sind, uns auf der anderen Seite auch sehr gut ergänzen und uns nach passenden Jobs umgeschaut. Drei Bewerbungen später hatten wir die Einladung zum Bewerbungsgespräch von PWWL. 

Sie waren bislang beide ja im Bereich Mobilität tätig. Wie kamen Sie dann auf eine Kanzlei?  

Hypscher: Was die Branche und das Umfeld angeht, waren wir sehr offen. Wir wollten einen Job, der uns herausfordert, mit einem breiten Aufgabenspektrum. Uns war es auch wichtig, dass wir uns mit dem Produkt bzw. der Dienstleistung und der Unternehmenskultur identifizieren können. Wir haben uns auf verschiedenen Kanälen umgeschaut und sind dann über einen Personalvermittlungskontakt auf die  Stellenausschreibung von PWWL aufmerksam geworden, die uns direkt angesprochen hat. Deshalb haben wir uns beworben, sind in den weiteren Austausch gegangen und unser Eindruck hat sich bestätigt. Wir waren neugierig, es war ein neues Umfeld für uns, wir können dort viel lernen – aber auch unsere Erfahrungen und Managementskills einbringen. 

"Jede Stelle eignet sich für Jobsharing" 

PWWL hat ja bestimmt eine Stelle für eine Person ausgeschrieben – und dann hat sich AnCa als Team beworben. Wie hat die Kanzlei darauf reagiert? 

Freuck: Alle waren offen und neugierig. Der Bewerbungsprozess war mehrstufig. Wir hatten ein Vorgespräch zusammen. Die Gespräche mit dem Namenspartner Tobias Pusch haben wir teilweise –weil wir zu unterschiedlichen Zeiten im Urlaub waren – allein geführt. Das war spannend, uns danach auszutauschen und zu sehen, wie wir beide unabhängig voneinander begeistert waren. 

Hypscher: Wir sind grundsätzlich davon überzeugt, dass sich jede Stelle für Jobsharing eignet. Die Stelle ist ausgeschrieben, und ob sie jetzt mit einer Person oder im Hintergrund mit zwei Personen, die sich die Stunden teilen, besetzt wird, bietet aus unserer Sicht viele Vorteile. Deshalb haben wir uns als AnCa auf verschiedene Stellen beworben, sie müssen aus unserer Sicht nicht explizit im "Jobsharing" ausgeschrieben sein. Natürlich haben wir unsere jeweiligen Lebensläufe beigefügt, aber wir hatten ein Anschreiben und haben unsere Werte als AnCa herausgestellt. Und entweder passten unser Profil und unsere Erfahrungen oder nicht – was dann aber am fehlenden Match der Rolle zu unseren Erfahrungen und nicht am Jobsharing-Modell lag. Wichtig ist aus unserer Sicht nur, dass eine Offenheit für das Modell vorhanden ist. Das Tandem selbst hat das größte Interesse, dass es funktioniert. 

Sie sind wohl das erste Jobsharing-Team in einer Kanzlei. Wie war Ihr Start dort? 

Freuck: Aufregend. Wir mussten viele Fragen beantworten, deshalb haben wir auch anfangs "PWWL meets AnCa"-Sessions veranstaltet, in denen die Kollegen alles über uns und unsere Arbeit als Tandem erfahren konnten. Das Interesse war groß. Auch jetzt ist uns der regelmäßige Austausch mit dem Team sehr wichtig und dass wir Raum für Fragen schaffen. Außerdem haben wir eine Art Roadshow gemacht, sind an die verschiedenen PWWL-Standorte gereist und haben uns als AnCa vorgestellt. Veränderung kann man nicht einfach so in den Raum stellen. Es ist wichtig, dass das Team mitgenommen wird.  

"Wir haben nur ein E-Mail-Postfach" 

Wie kann man sich AnCas Arbeit in der Praxis vorstellen? 

Freuck: Wir machen Fullsharing, das heißt wir teilen uns alle Themen auf. Sowohl die fachliche Arbeit als auch die Führungsverantwortung ist in AnCa gebündelt. Wir arbeiten beide jeweils 25 Stunden. Montags, dienstags und donnerstags sind wir beide da, mittwochs und freitags hat jeweils eine im Wechsel frei. Das funktioniert für die Kanzlei und für uns im Moment am besten. Wir sind aber flexibel und können das Modell jederzeit an den Bedarf der Rolle anpassen. Wir sind von Anfang an mit dem Anspruch gestartet, dass das Model zu unserem Umfeld passen muss und wir flexibel beim Set-Up sind. 

Hypscher: Wir wollen den Kollegen die Arbeit mit uns so leicht wie möglich machen. Deshalb haben wir nur ein E-Mail-Postfach, an das die Mails an uns beide gehen, einen Kalender – wir sind also eine Person. Wir unterschreiben Mails auch als "AnCa". Die weitere Abstimmung und Aufteilung machen wir dann intern. 

Wie schaffen Sie es, so gut aufeinander abgestimmt zu sein? 

Freuck: Die Kommunikation ist natürlich das Wichtigste. Wir synchronisieren uns digital, nutzen den Microsoft Planner und OneNote, notieren unsere To-dos und sehen die Aufgaben der jeweils anderen Person. Wir haben unseren Laptop immer dabei und dokumentieren sehr viel. Zu den einzelnen Terminen machen wir uns ausführliche Notizen, damit keine Informationen verloren gehen. In unserem Mailpostfach haben wir ein Ordnersystem. So kann deshalb jede die Termine und Aufgaben der anderen übernehmen, wenn "An" oder "Ca" zum Beispiel kurzfristig mal ausfallen sollten. 

"Manchmal wissen Kollegen nicht, mit wem sie gesprochen haben" 

Welche Vorteile bietet Jobsharing aus Ihrer Sicht für das Unternehmen? 

Hypscher: Wir können zwei Persönlichkeiten mit unterschiedlichen Erfahrungen in eine Stelle einbringen. Zum Beispiel geben wir unserem Team beide Feedback, aber mit einem anderen Blickwinkel. Und die Kollegen müssen nicht darüber nachdenken, wer wann da ist, weil eine von uns zu den normalen Arbeitszeiten immer erreichbar ist. Manche wissen auch teilweise gar nicht mehr, mit wem von uns sie über bestimmte Themen gesprochen haben. Das ist das beste Zeichen wir uns, denn wir sind ja eins.  

Das dürften aber nicht alle so aussprechen. 

Hypscher: Das stimmt. Man muss sein Ego auf jeden Fall zurückstellen. Wenn man immer mit dem eigenen Namen im Mittelpunkt stehen will, dann passt das Modell nicht. Für uns spielt das keine Rolle. AnCa sind wir beide. Natürlich sind wir immer noch zwei Personen, die jeweils einen großen Mehrwehrt mitbringen. Wir wollen uns als Personen nicht kleinmachen, aber alle wissen, dass wir AnCa sind. 

AnCa hat Anfang des Jahres schon ihren ersten Geburtstag gefeiert. Hatten Sie Grund zum Feiern? 

Freuck: Auf jeden Fall. Wir sind sehr gut angenommen worden und die Arbeit mit uns als Tandem ist zum normalen Kanzleialltag geworden. Für uns ist es spannend, in einem ganz neuen Umfeld gestartet zu sein. Wir kommen ja nicht aus der Kanzleiwelt und mussten das System und auch Begriffe wie billable hours oder Versäumnisurteil erstmal verstehen. Aber auch das funktioniert als Tandem besser. Unser Fazit nach einem Jahr ist, dass wir beide nicht tauschen wollen. Es bringt Spaß, wie wir arbeiten und wo wir arbeiten. 

Vielen Dank für das Gespräch!