Exotische Spezialisierungen
Abseits der bekannten Pfade
Thomas Ruschin liebt Autos. Genauer gesagt Oldtimer. Zwei fahrbereite Opel Senator stehen bei ihm in der Garage, zeitweise konnte er gar fünf gut betagte PKW sein eigen nennen. Vor einigen Jahren hat er daher sein Hobby mit dem Beruf verbunden und sich den rechtlichen Fragen rund um die mindestens dreißig Jahre alten Autos gewidmet. Besondere Fahrzeuge seien das, die "allerdings viele Schwierigkeiten machen und bei denen es schnell um einen sehr hohen Streitwert geht", so Ruschin. Daher sieht er das Verkehrs- und Vertragsrecht, das sich speziell mit Oldtimern befasst, als eine wirtschaftlich durchaus rentable Nische.
Der hohe Streitwert parkt in Sichtweite
Um als Anwalt sein Geld mit Oldtimern verdienen zu können, brauche man neben der Leidenschaft für die Autos und einem gewissen Know-How vor allem eine gute Vernetzung in der Szene und eine Nähe zu Oldtimer-Fachbetrieben. Ruschin sieht daher den Standort seiner Kanzlei im ehemaligen Meilenwerk in Berlin als wichtigen Faktor ihres Erfolges an. "Hätte meine Kanzlei eine andere Lage, hätte ich mich wahrscheinlich nicht auf Oldtimer spezialisiert", meint er. Denn rund um sein Bürogebäude ist in den vergangenen Jahren eine Art Marktplatz für historische Fahrzeuge entstanden. Schaut Ruschin aus dem Fenster, blickt er, nebeneinander aufgereiht, auf einen 300 SL Roadster von Mercedes Benz, einen Aston Martin DB5 und einen Ferrari Panamericana. Der hohe Streitwert parkt in Sichtweite. Und die Werkstätten stehen gleich daneben. "Ich habe daher etwas, was in unserem Geschäft sehr unüblich ist und wovon andere Anwälte nur träumen können", sagt Ruschin. "Ich habe Laufkundschaft."Im Referendariat beim sechsmaligen Olympiasieger
Von Laufkundschaft kann Stephan Pahl nicht gerade sprechen. Seine Mandanten sind weltweit zu finden, statt dem persönlichen Gespräch wird vieles über das Telefon oder per Skype erledigt. Pahl hat sich auf Pferderecht spezialisiert, das zunächst einmal sehr stark dem allgemeinen Vertragsrecht ähnelt, da Pferde "heutzutage leider wie Autos und Orangen gehandelt werden", meint er. Hinzu kämen allerdings physiologische Besonderheiten und der gesamte veterinärmedizinische Bereich, mit denen man sich gut auskennen müsse. Auch wenn Pahl in seiner Jugend selbst geritten ist, hatte er nie im Sinn, sich auf Pferderecht zu spezialisieren. Bis zur Anwaltsstation im Referendariat. Diese absolvierte er in der Münsteraner Kanzlei von Reiner Klimke, dem damals erfolgreichsten deutschen olympischen Teilnehmer aller Zeiten. Allein sechs Goldmedaillen hatte Klimke als Dressurreiter gewonnen, und seine juristische Arbeit zum Großteil dem Pferdesport gewidmet. Die Begeisterung sprang auf Pahl über. Mitte der neunziger Jahre verließ er dann die Kanzlei, das Fachgebiet nahm er jedoch mit.Keine Spezialisierung nur um der Spezialisierung willen
An seinem Beruf schätzt er vor allem die örtliche Ungebundenheit. Seine Mandanten kommen aus Südamerika und Kanada, manche sind Hobbyreiter, andere Richter bei den olympischen Spielen. "Man bekommt nochmal einen ganz anderen Horizont, wenn man weltweit aktiv ist", sagt Pahl, der zwar mittlerweile nicht mehr reitet, aber auch weiterhin außerhalb seines Berufes den Pferden treu bleibt. So ist er im Vorstand des örtlichen Reitervereins und im Förderverein des Pferdemuseums. Auch finanziell macht sich seine Arbeit bezahlt, Pahl hat seine Nische gefunden. Über den Spezialisierungsdrang allein der Spezialisierung willen kann er sich jedoch nur amüsieren. Bald komme wohl ein weiterer Fachanwaltstitel für allgemeines Recht hinzu, meint er.Auch Geld kann den Ausschlag geben
Doch wenn es auch sicher schön ist, seine privaten Interessen im Beruf auszuleben, so können durchaus primär wirtschaftliche Gesichtspunkte den Ausschlag für die Wahl eines bestimmten Schwerpunktes geben. So zum Beispiel beim Berliner Rechtsanwalt Alexander Sumowski. Dieser hatte sich im Jahr 2002 auf eine Stelle als Justiziar beim deutschen Holzhandel beworben, ein Lobbyverband von rund 1.500 deutschen Holzhändlern. Sumowski, der zu Holz bis dahin keinerlei speziellen Bezug hatte, bekam die Stelle. Doch als er bei seiner Rechtsberatung von den Unternehmen immer wieder gefragt wurde, ob er sie denn nicht auch juristisch vertreten könne, da er ja jetzt über den Fall im Bilde sei, begann er nachzudenken. Die Vertretung der Mandanten war ihm in seiner jetzigen Position nicht möglich, vor allem zeitlich nicht. "Doch ich dachte mir, wenn ich nur die Hälfte der Anfragen bearbeiten würde, hätte ich eine gut gehende Kanzlei", erinnert sich Sumowski. Kurze Zeit später kündigte er.Vom Lobbyverband zum Branchenexperten
"Dass es sehr wenige Branchenanwälte gibt, liegt an der Tatsache, dass es schwer ist, Mandanten zu akquirieren", meint Sumowski. Diese Hürde habe er als Justiziar des Verbandes leicht nehmen können. Auch die notwendige Branchen- und Produktkenntnis konnte er sich während seiner Zeit beim Verband aneignen. "Die Mandanten kommen nicht zu mir, weil ich der beste Anwalt der Welt bin, sondern weil sie mir aufgrund meiner Vorkenntnisse nicht alle Einzelheiten erklären müssen", sagt er. Daher sei es auch nicht problematisch, dass er seine Kanzlei in Berlin habe, obwohl die meisten Holzunternehmen im Süden Deutschlands zu finden seien. Kundengespräche würden sowieso hauptsächlich am Telefon abgewickelt – genau so wie bei seiner vorherigen Anstellung. Vor Gericht hat Sumowski einen kleinen, aber oft entscheidenden Wissensvorsprung. Zwar geht es in der Regel um typische Fallkonstellationen des Kauf- und Handelsrechts, doch gibt es Besonderheiten im Holzrecht, die oft sogar den Richtern unbekannt sind. Eine davon sind die Tegernseer (Handels-)Bräuche, die vom Bundesgerichtshof bestätigt wurden und bei Unkenntnis den Käufer schnell um seine Gewährleistungsrechte bringen. Es sind diese Kleinigkeiten, die Sumowskis Spezialisierung lukrativ machen.Auf Jobsuche? Besuche jetzt den Stellenmarkt von LTO-Karriere.
2013 M09 25
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