Eigentlich hätte das neue Mediationsgesetz schon längst in Kraft sein sollen. Doch nach der Sitzung des Rechtsausschusses des Bundesrats steht der Entwurf möglicherweise vor einer neuen Hürde, sperrt sich doch die Länderkammer gegen die Abkehr von der gerichtsinternen Streitbeilegung. Die Vorgänge klingen nun ein wenig nach einem Treppenwitz, kommentiert André Niedostadek.
Der Durchbruch schien nahe: Mitte Dezember 2011 hatte der Bundestag einstimmig einen Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Förderung der Mediation und anderer Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung verabschiedet. Auch die ersten Rückmeldungen aus der Praxis fielen durchaus positiv aus. Von einem "guten Kompromiss" war unter anderem die Rede.
Doch scheinen die Vorschusslorbeeren etwas zu früh geerntet. Inzwischen sieht es nämlich ganz danach aus, als würde der ohnehin schon wechselvollen Entwicklung des Mediationsgesetzes noch eine weitere Facette hinzugefügt. Dabei fühlt man sich ein bisschen an das bekannte Spiel Monopoly erinnert: Gehe zurück auf Los!
Und tatsächlich muss man etwas zurückgehen. Denn eigentlich hätten ein entsprechendes Gesetz längst in Kraft sein sollen. So bestimmt es zumindest die EU-Mediationsrichtlinie von 2008. Konkret hatten die Mitgliedstaaten bis Mai 2011 Rahmenbedingungen zur außergerichtlichen Konfliktlösung bei grenzüberschreitenden Streitigkeiten zu schaffen. Nicht in allen Mitgliedsländern gelang das. Auch hierzulande ruhte lange Zeit still der See.
Der vermeintlich große Wurf
Erst kurz vor Ablauf der Frist hatte das Bundesjustizministerium einen Entwurf zur Diskussion gestellt. Ein Grund für die Verzögerung war, dass man sich nicht allein auf grenzüberschreitende Streitigkeiten beschränken wollte. Der Gesetzgeber beabsichtigte vielmehr, einen übergreifenden Rahmen für die Mediation in Deutschland schaffen. Es sollte quasi der große Wurf werden. Im Rahmen eines Expertengremiums hatte man dazu verschiedene Sichtweisen zusammengetragen. Das schien nicht zuletzt deshalb nötig, um der Praxis stärker Rechnung zu tragen. Dies hat sich in den letzten Jahren in unterschiedlicher Hinsicht weiterentwickelt.
Dabei sticht bis heute ein Aspekt heraus: Die eigentliche außergerichtliche Mediation ist gegenüber der so genannten gerichtsinternen Mediation inzwischen beinahe etwas ins Hintertreffen geraten. Letztere wird während eines Gerichtsverfahrens durchgeführt, und zwar von einem nicht entscheidungsbefugten Richter. Dazu hatten einzelne Bundesländer schon eine Reihe von Pilotprojekten gestartet. Anbietern außergerichtlicher Mediation ist das durchaus ein Dorn im Auge.
Schnell wurde deutlich, dass es schwierig werden würde, ein Gesetz in Form einer eierlegenden Wollmilchsau zu formulieren, um den Interessen sämtlicher Akteure gerecht zu werden. Und trotzdem: Nach einer weiteren öffentlichen Anhörung präsentierte dann der Rechtsausschuss des Bundestags einen überarbeiteten Entwurf. Überraschenderweise schien damit die Quadratur des Kreises doch noch gelungen: Die gerichtsinterne Mediation wurde kurzerhand begraben.
An deren Stelle trat ein erweitertes Güterichterkonzept, das zugleich auf die Verfahrensordnungen der Arbeits-, Sozial-, Verwaltungs-, Patent-, Marken- sowie Finanzgerichtsbarkeit ausgedehnt wurde. Der neue Ansatz sollte dazu beitragen, die richterliche Streitschlichtung stärker von der Mediation abzugrenzen. Darin mag man ein Schlupfloch sehen für ein mediationsähnliches Verfahren sehen. Dennoch hatte man sich von parlamentarischer Seite dann im vergangenen Dezember geradezu euphorisch auf die neuen Eckpunkte geeinigt.
Streit über das Güterichtermodell
Soweit so gut? Nicht ganz. Denn das neue Konzept entwickelt sich zum Zankapfel. Derzeit liegt das Gesetz beim Bundesrat. Und in der Länderkammer ist man mit der Abkehr von der gerichtsinternen Mediation augenscheinlich nicht einverstanden. Das Gesetz bedarf zwar nicht der Zustimmung des Bundesrats, er kann aber Einspruch erheben. Vorher muss man gegebenenfalls aber erst noch eine Schleife drehen und mit dem Vermittlungsausschuss ein weiteres Gremium anrufen. Dessen Aufgabe ist es, einen Konsens zwischen Bundestag und Bundesrat zu finden, wenn vom Bundestag beschlossene Gesetze im Bundesrat keine Mehrheit finden. Weichen Beschlüsse des Vermittlungsausschusses von denen des Bundestages ab, ist eine erneute Beschlussfassung im Bundestag erforderlich.
Vergangene Woche hat sich bereits der Rechtsausschuss des Bundesrates mit dem Gesetz befasst und tatsächlich empfohlen, den Vermittlungsausschuss anzurufen. Damit würde ausgerechnet ein Gesetz zur Vermittlung selbst Gegenstand einer Vermittlung. Das klingt ein bisschen nach einem Treppenwitz.
Auffällig ist zudem, dass sich die Diskussion um einen Aspekt dreht, der von der EU-Mediationsrichtlinie selbst gar nicht angesprochen wird. Gerichtsinterne Mediation oder Güterichtermodell sind ihr fremd. Natürlich gibt eine Richtlinie nur ein Ziel vor. Daher ist der Gesetzgeber hierzulande nicht gehindert, gegebenenfalls weitergehende Regelungen zu schaffen. Allerdings verstellt das etwas den Blick auf die eigentlichen wichtigen Themen: Es geht darum, Mediation für mögliche Nutzer attraktiv auszugestalten und insofern gegebenenfalls Anreize zu schaffen. Dazu sagen die bisherigen Vorschläge im Grunde genommen nichts.
Am 10. Februar 2012 befasst sich nun der Bundesrat voraussichtlich mit dem Mediationsgesetz. Man kann nur hoffen, dass die richtigen Weichen gestellt werden. Selbst wenn es bei dem jetzigen Konzept mit Güterichtern bleibt, muss das noch nicht das Ende vom Lied sein. Vereinzelt wurden schon Stimmen laut, die an der Verfassungsmäßigkeit eines solchen Modells insgesamt zweifeln.
Der Autor Prof. Dr. André Niedostadek lehrt Wirtschafts-, Arbeits- und Sozialrecht an der Hochschule Harz und ist unter anderem Herausgeber eines Praxishandbuchs Mediation.
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André Niedostadek, Außergerichtliche Konfliktlösung: . In: Legal Tribune Online, 01.02.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/5462 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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