Bundesverfassungsgericht (BVerfG)
Das sicherlich bedeutendste unter den deutschen Gerichten ist das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Als "Hüter der Verfassung" überprüft es Akte der staatlichen Gewalt (Gesetze, Urteile, Behördenhandeln) auf ihre Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz. Folgerichtig haben Beschwerden vor dem Bundesverfassungsgericht nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn sie die Verletzung spezifischen Verfassungsrechts rügen – der Vortrag, ein Urteil sei "nur" einfachgesetzlich falsch, würde also selbst dann nicht zu dessen Aufhebung führen, wenn das Verfassungsgericht zustimmen würde.
Die Zahl der Eingänge übersteigt die Zahl der zur Entscheidung angenommenen und erst recht der erfolgreichen Verfahren jedes Jahr erheblich. Im Jahr 2015 etwa gingen 5.891 Verfahren ein, bestehend aus 5.739 Verfassungsbeschwerden, 110 Anträgen auf einstweilige Anordnungen, einer Bund-Länder-Streitigkeit, 20 Beschwerden im Wahlprüfungsverfahren, sieben Verfassungsstreitigkeiten zwischen Bundesorganen, zwei Normenkontrollen auf Antrag von Verfassungsorganen und zwölf Normenkontrollen auf Vorlage von Gerichten.
Im selben Jahr wurden 5.798 Verfahren entschieden, 5.660 davon durch Nichtannahmebeschluss. Dieser ist der eigentlichen Begründetheitsprüfung vorgelagert, erfordert jedoch großenteils dieselben Erwägungen. Er dient als Bewältigungs- und Selektionsmechanismus angesichts der Vielzahl eingehender Verfassungsbeschwerden. Die Annahme einer Verfassungsbeschwerde kann abgelehnt werden, wenn eine Entscheidung zum Schutz des Einzelnen vor einer Verletzung seiner Grundrechte durch die öffentliche Gewalt nicht angezeigt ist und die Verfassungsbeschwerde auch keine grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Fragen aufwirft. Von den 5.660 Nichtannahmebeschlüssen ergingen zudem 4.762 ohne Begründung.
Obwohl die Erfolgsquote also ausgesprochen gering ist, gilt das BVerfG international als Vorzeigemodell eines gut funktionierenden und gründlich arbeitenden Verfassungsgerichts. Die hohe Zahl abgewiesener Verfahren erklärt sich – jedenfalls teilweise – aus dem Versuch, das Bundesverfassungsgericht als "Superrevisionsinstanz" zu bemühen sowie aus sonstigen abwegigen Verfassungsbeschwerden. Von der Möglichkeit, eine Missbrauchsgebühr bei offensichtlich unbegründeten Beschwerden zu erheben, macht das Gericht jedoch nur extrem selten Gebrauch. Mit seiner Forderung, darüber hinaus eine sogenannte Mutwillensgebühr für absolut erfolglose Verfassungsbeschwerden einzuführen, konnte sich Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle nicht durchsetzen.
Ein gängiger Vorwurf an das BVerfG ist seine angeblich zu starke Einflussnahme auf die Politik. Ein Eingreifen in den Handlungsbereich von Exekutive und Legislative ist der Kontrollfunktion des BVerfG jedoch immanent. Zu den am heißesten diskutierten Problemen des Staats- und Völkerrechts zählt zudem das Kompetenzgefüge zwischen Europäischem Gerichtshof und Bundesverfassungsgericht – zur Klärung dieser Frage steuerte das BVerfG zuletzt im Januar 2016 ein kleines Teilstück bei.
Foto: Bundesverfassungsgericht, Karlsruhe; Stefan Tritsch, CC BY-SA 3.0, Quelle, Zuschnitt & Skalierung durch LTO