Revolutionsurlaub mit Weinproben im Buddenbrooks-Format
Um sich von den Anstrengungen des Jurastudiums in Heidelberg zu entspannen, reiste der junge Franz von Holtzendorff zwecks Einvernahme von Weinproben durch die Pfalz, einer im Revolutionsjahr 1848/49 gefährlichen Ecke Deutschlands. Weil er das Anliegen der ortsansässigen Revolutionäre für unklug hielt, französische Unterstützung für deutsche Revolutionen zu buchen, handelte er sich mit den Pfälzern Ärger ein. Schutz vor der Revolutionsgerichtsbarkeit bot ein vom Jurastudenten selbst verantwortetes Druckwerk, das revolutionäre Lieder enthielt:
"Donnre Völkerstimme! O verhalle / Niemals mehr du Siegesklang. / Vorwärts! Du verjüngte Erde walle / Deinen Republikengang!"
Leider müssen wir mit Heinrich Hoffmann aus Wolfsburg als Dichter der deutschen Nationalhymne vorlieb nehmen. In Anschauung weiterer Strophen des "Siegeslieds. Aus den Märztagen" wäre Franz von Holtzendorff vielleicht vorzuziehen gewesen, schon weil sein Hymnus fußballkompatibel ist ("Und des Himmels Wolken sind zerronnen / Bläulich glänzt sein ehern Thor"). Stattdessen wurde aus Franz von Holtzendorff ein ordentlicher Professor des Rechts, der unter anderem das irische Strafrechtssystem in Preußen bekannt machte. Als Verteidiger eines Bismarck-Kritikers, in der Affäre Harry von Arnim, dem unser § 353a Strafgesetzbuch gewidmet ist, wurde von Holtzendorff seinem zeitgenössischen Publikum bekannt.
Seine entfernte Verwandte Leonie von Holtzendorff wurde nunmehr mit der biografischen Arbeit "Franz v. Holtzendorff" promoviert, die 2015 bei Duncker & Humblot erschien. Ihre 770-seitige Studie hat neben dem rechtshistorischen Verdienst den Vorzug, einen weniger deprimierenden Gegenstand zu haben als Thomas Manns Familienverfallsstudie "Buddenbrooks" und beinah genauso unterhaltsam zu sein.