Die juristische Presseschau vom 28. Juli 2022: Gesetz­ent­wurf zum Whist­le­b­lo­wing-Schutz / Lübcke-Mord beim BGH / EuG bil­ligt RT-Sen­de­verbot

28.07.2022

Das Bundeskabinett hat das Hinweisgeberschutzgesetz auf den Weg gebracht. Der BGH verhandelt an diesem Donnerstag über die Revisionen zum Mord an Walter Lübcke. Der russische Sender RT France unterlag beim EuG mit seiner Klage gegen das von der EU verhängte Sendeverbot.

Thema des Tages

Whistleblowing: Das Bundeskabinett hat den Entwurf für das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) beschlossen,. Das Gesetz soll Personen besser vor Kündigungen und anderen Nachteilen schützen, die Hinweise auf strafbare und andere rechtswidrige Missstände in Unternehmen oder Behörden geben, sogenannte Whistleblower:innen. Gegenüber dem Referentenentwurf, den Justizminister Buschmann im April vorgelegt hatte, ist der Gesetzentwurf nur geringfügig geändert worden. NGOs kritisieren, dass der Anwendungsbereich auf die Aufdeckung von Gesetzesverstößen beschränkt ist, legale Missstände aber nicht erfasst. Außerdem gebe es keine Verpflichtung, Meldekanäle für anonyme Meldungen einzurichten, während sich viele Menschen aus Angst vor Repression aber gerade anonym an Meldestellen wenden. Die EU-Richtlinie zum Whistleblowerschutz hätte eigentlich schon bis Dezember 2021 umgesetzt werden sollen. Es berichten FAZ (Katja Gelinsky), SZ, taz (Christian Rath)LTO (Markus Sehl) und netzpolitik.org (Tomas Rudl)

Reinhard Müller (FAZ) hält den Entwurf in seiner jetzigen Form für sinnvoll, hofft aber, dass die neu zu schaffenden Meldestellen "hoffentlich nicht zu einer neuen Unkultur" führen. Denn Verschwiegenheit, Loyalität und interne Klärungsmöglichkeiten "bleiben wichtige Werte, ohne die kein Unternehmen und auch kein Staat zu machen ist."

Rechtspolitik

Ersatzfreiheitsstrafe: Die Justizministerin von Niedersachsen, Barbara Havliza (CDU), äußerte laut LTO Kritik am Vorschlag für eine Neuregelung der Ersatzfreiheitsstrafe, den das Bundesjustizministerium vor wenigen Wochen vorgelegt hatte. Die darin enthaltene Idee, dass die Haftdauer pro Tagessatz nicht bezahlter Geldstrafe jeweils halbiert werde, entlaste vielleicht die Haftanstalten und die Landeshaushalte, reduziere aber nicht die Zahl der Betroffenen.

Corona – Triage: Die Rechtsprofessor:innen Elisa Hoven, Tatjana Hörnle u.a. kritisieren in der FAZ den neuen Entwurf des Bundesgesundheitsministeriums zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes, in dem eine Ex-post-Triage ausdrücklich verboten wird. Bei der Ex-post-Triage können bereits zugeteilte intensivmedizinische Ressourcen neu verteilt werden, wenn keine Behandlungskapazitäten mehr vorhanden sind. Es sei zwar zu begrüßen, dass in diesem Bereich durch eine gesetzliche Regelung, Rechtsicherheit geschaffen werde, der Regelungsentwurf sei aber "undurchdacht". Ressourcen blieben bei dem Patienten, dem bereits ein Behandlungsplatz zugeteilt wurde, selbst wenn seine Überlebenschancen nur sehr gering sind. "Dass eine eingeleitete Behandlung wieder abgebrochen werden könnte, wirkt verunsichernd. Aber die Vorstellung, bei einem akuten Notfall gar nicht erst intensivmedizinisch behandelt zu werden, dürfte kaum weniger beängstigend sein." 

Justiz

BGH – Mord an Walter Lübcke: An diesem Donnerstag verhandelt der Bundesgerichtshof über die Revisionen im Fall des Mordes am damaligen Kassler Regierungspräsidenten Walter Lübcke. Im Januar hatte das Oberlandesgericht Frankfurt/M. Stephan E. wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt, die besondere Schwere der Schuld festgestellt und Sicherungsverwahrung vorbehalten. Zugleich hat es den wegen Beihilfe zum Mord angeklagten Markus H. insofern freigesprochen und nur wegen unerlaubtem Waffenbesitz zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Alle Verfahrensbeteiligten legten Revision ein, der Generalbundesanwalt und die Nebenkläger:innen greifen damit den Teilfreispruch gegen Markus H. an, wie die taz (Konrad Litschko) und LTO berichten.

EuG zu RT France-Sendeverbot: Das Gericht der Europäischen Union lehnte eine Klage des russsischen Senders RT France gegen das im März vom Rat der Europäischen Union ausgesprochene Sendeverbot für bestimmte russische Staatsmedien in der EU ab. Das Sendeverbot ist Teil der EU-Sanktionen gegen Russland wegen des Angriffs auf die Ukraine und wurde mit dem Vorwurf der Kriegspropaganda begründet. Das EuG entschied, dass die EU hier kompetenzgemäß gehandelt habe. RT France hätte vor dem Sendeverbot nicht angehört werden müssen. Die Meinungs- und Informationsfreiheit sei nicht verletzt und die Maßnahme verhältnismäßig. FAZ und LTO berichten.

Christian Rath (taz) kritisiert, das Sendeverbot sei eine autoritäre Maßnahme, mit der die EU nicht nur ihre Kompetenzen überschreite, sondern auch zeige, dass sie statt auf die "Kraft des Diskurses" zu vertrauen, lieber Verbote erlasse. Das Sendeverbot sei zudem überflüssig, da russische Propaganda auch auf anderen Wegen Verbreitung finde.

BVerfG – Corona-Aufbaufonds: Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat seine mündliche Verhandlung um den schuldenfinanzierten Corona-Wiederaufbaufonds "Next Generation EU" am Mittwoch fortgesetzt und beendet. Gehört wurden am zweiten Verhandlungstag unter anderem Vertreter:innen der EU-Kommission und mehrere Ökonom:innen. Die Verhandlung wird von SZ (Wolfgang Janisch) und FAZ (Katja Gelinsky) zusammengefasst. 

BVerfG - "Judensau"-Relief: Nun berichtet auch LTO über die Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des Bundesgerichtshofs zum Sandsteinrelief "Judensau" an der Stadtkirche Wittenberg. Im Juni hatte der BGH entschieden, dass das Relief aus dem 13. Jahrhundert nicht entfernt werden muss, da eine Bodenplatte und ein Aufsteller mit Erläuterungen ausreichen, um aus einem "Schandmal" ein "Mahnmal" zu machen. 

Wie LTO in einem weiteren Artikel schreibt, hat inzwischen der neunköpfige Wittenberger Expert:innenbeirat dem evangelischen Gemeindekirchenrat der Stadtkirche Wittenberg empfohlen, das judenfeindliche Sandsteinrelief zeitnah abzunehmen und in einem geschützten Raum in unmittelbarer Nähe der Kirche unterzubringen, statt es für jede:n sichtbar an der Kirche zu belassen.

OLG Hamburg zu IS-Rückkehrerin: Das Hanseatische Oberlandesgericht in Hamburg hat eine 34-jährige IS-Rückkehrerin wegen der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland, Beihilfe zum Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch Versklavung schuldig gesprochen und zu fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt. Wie spiegel.de und LTO berichten, war die Mutter zweier Kinder 2014 nach Syrien ausgereist und dort mit mehreren IS-Kämpfern nacheinander verheiratet gewesen. Mit dem letzten Ehemann soll sie eine 26-jährige Jesidin als Sklavin gehalten und schwer misshandelt haben.

AG Bernau zu Missbrauch im Pflegeheim: In der ZEIT schreibt Richter Thomas Menzel über ein langwieriges Verfahren gegen einen 81-Jährigen, dem vorgeworfen wurde, eine Patientin im Pflegeheim – die Bettnachbarin seiner Ehefrau – sexuell missbraucht zu haben.

IStGH: Durch den Angriff Russlands auf die Ukraine komme die Gründungsidee des Internationalen Strafgerichtshof wieder zum Vorschein. Die Vertragsstaaten entdeckten "ihren" IStGH wieder und der Zuspruch für die Arbeit der Anklagebehörde im Ukrainekrieg ist groß. Dennoch plädiert Rechtsprofessor Claus Kreß in der FAZ dafür, auch die angestoßenen Reformen weiter voranzutreiben, die der IStGH nach dem Vorwurf des Neokolonialismus oder "überflüssigen internen Querelen" begonnen hatte.

Recht in der Welt

Russland – Kartellamt gegen Google: Weil er die Monopolstellung seiner Tochtergesellschaft YouTube ausgenutzt haben soll, hat das russische Kartellamt gegen den US-Konzern Google LLC eine Strafe von umgerechnet 35 Millionen Euro verhängt. Google hat seit dem russischen Angriff auf die Ukraine wegen Verstößen gegen seine Nutzungsbedingungen mehrere russische Medien und Funktionäre gesperrt, unter anderem den YouTube-Kanal der russischen Staatsduma, so LTO.

Sonstiges

VW und Datenschutz: Nun berichtet auch LTO über das von der Landesdatenschutzbeauftragte Niedersachsens, Barbara Thiel, gegen die Volkswagen AG festgesetzte Bußgeld von 1,1 Millionen Euro. Ein Eprobungsfahrzeug von VW war mit Kameras versehen worden, die zur Fehleranalyse das Verkehrsgeschehen rund um den Pkw aufzeichneten. Dabei waren am Wagen aber keine Schilder mit Kamerasymbol zur Aufklärung der betroffenen Verkehrsteilnehmenden und auch sonst keine Informationen über die Datenverarbeitung angebracht, wie es Art. 32 der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) vorsieht.


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LTO/ali

(Hinweis für Journalisten) 

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Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 28. Juli 2022: . In: Legal Tribune Online, 28.07.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/49170 (abgerufen am: 23.11.2024 )

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