Laut BGH können Personen mit "Dieselskandal-Autos" den Minderwert ihres Fahrzeugs ersetzt bekommen. In Polen spaltet das neue Rundfunkgesetz die Regierung. Einige Bundesländer setzen auf mehr Abschiebehaft.
Thema des Tages
BGH zu Dieselskandal/VW: Der Bundesgerichtshof hat in einem Fall zum VW-Diesel-Abgasskandal geurteilt, dass der Käuferin eines VW mit Dieselmotor, der mit einer Prüfstanderkennungssoftware ausgestattet ist, ein sogenannter kleiner Schadensersatzanspruch zusteht, wie taz und LTO schreiben. Bisher hatte der Gerichtshof entschieden, dass ein großer Schadensersatz möglich sei, also die Erstattung des Kaufpreises abzüglich der Nutzungsvorteile Zug um Zug gegen Übertragung des Fahrzeugs. Der nun zugestandene kleine Schadensersatz ergibt sich im Gegensatz dazu aus der Differenz des Wertes des Fahrzeugs und des Kaufpreises im Zeitpunkt des Vertragsschlusses, also dem "Minderwert".
Rechtspolitik
Corona-Regelungen: Alexandra Föderl-Schmid (SZ) kommentiert den Ausgang der letzten Ministerpräsidentenkonferenz und findet, dass dringende Fragen wie jene nach den neuen Indikatoren nicht beantwortet wurden. Nun gingen einzelne Bundesländer wieder eigene Wege und erließen ohne Abstimmungen neue Verordnungen. So entstehe erneut ein Durcheinander an Regelungen, obwohl man sich im April noch einig gewesen war, dass Corona-Maßnahmen bundesweit einheitlich umgesetzt werden sollen. Insbesondere Kinder und Jugendliche würden außerdem weiter vernachlässigt.
Justiz
BVerfG zu Bundestagspräsidium: Nun berichtet auch der Tsp (Jost Müller-Neuhof) über die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, dass die AfD den Posten des Vizepräsidenten im Bundestag nicht einklagen kann. Es sei auch im noch zu erwartenden Hauptsacheverfahren eher zweifelhaft, dass die Richter:innen in Karlsruhe einen verfassungsrechtlichen Anspruch auf ein bestimmtes Wahlergebnis anerkennen werden.
BGH zu Wirecard-Untersuchungsausschuss: Ein Bericht über die Arbeit von Wirecards Wirtschaftsprüfer EY wird nicht in den Abschlussbericht des Wirecard-Untersuchungsausschusses des Bundestags aufgenommen. Ein entsprechender Antrag des Untersuchungsausschusses an den Bundesgerichtshof, die Aufnahme zu klären, wurde nun vom BGH als unzulässig abgelehnt, weil der Untersuchungsausschuss beim vollständigen Eingang des Antrags bereits aufgelöst war. EY hatte sich gegen die Aufnahme des Teilberichts in den Abschlussbericht des Ausschusses gewehrt. Die SZ (Jan Diesteldorf/Klaus Ott) berichtet.
BGH – NSU: Der Bundesgerichtshof hat angekündigt, am 19. August Beschlüsse zu veröffentlichen, ob die Strafurteile gegen Beate Zschäpe und drei Mitangeklagte bestehen bleiben. Sie hatten gegen ihre Verurteilung durch das Oberlandesgericht München Revision eingelegt. Mündlich verhandeln wird der BGH voraussichtlich nur die Revision der Bundesanwaltschaft gegen das unerwartet milde Urteil für den NSU-Unterstützer André Eminger. taz.de (Christian Rath), tagesschau.de (Holger Schmidt) und LTO berichten.
OLG Frankfurt/M. – Franco A.: Im Terrorprozess vor dem Oberlandesgericht Frankfurt/M. hat ein Gutachter bestätigt, dass der Angeklagte Franco A. eine eindeutig rechtsextreme, rassistische und antisemitische Masterarbeit verfasst habe, wie die FAZ schreibt. Die Arbeit sei nicht wissenschaftlich, sondern der Entwurf einer rechten Verschwörungstheorie. Sie habe appellativen Charakter und rufe zum gewaltsamen Widerstand auf. Am nächsten Prozesstag am kommenden Donnerstag wird sich A. voraussichtlich zu dem Gutachten äußern. Bis in den Oktober hinein sind noch fünf weitere Prozesstage angesetzt.
AG Recklinghausen zu Protest-Beobachtung: Das Amtsgericht Recklinghausen hat den Bundestagsabgeordneten Lorenz Gösta Beutin (Linke) wegen Hausfriedensbruch zu einer Geldstrafe verurteilt. Er war im Februar als "parlamentarischer Beobachter" bei einer Aktion des zivilen Ungehorsams der Klimabewegung gegen das Kohlekraftwerk Datteln 4 anwesend. Das Amtsgericht bezeichnete eine Sonderrolle als Beobachter als juristisch nicht existent. zeit.de berichtet.
StA Bonn – Kinderpsychiater: Ronen Steinke (SZ) kommentiert den Fall des prominenten Kinderpsychiaters Michael Winterhoff, der über viele Jahre hinweg Heimkinder mit Psychopharmaka ruhiggestellt haben soll. Er stellt fest, dass obwohl die Justiz in anderen Gebieten der Medizin heute ein hohes Bewusstsein dafür habe, den freien Willen der Patientin über alles zu stellen, gebe es im Bereich der Psychiatrie unterschwellig oft die Vermutung, dass es mit diesem freien Willen ohnehin nicht so weit her sei. Dies gebe Psychiater:innen mehr Freiheiten als anderen Mediziner:innen.
Recht in der Welt
Polen – Rundfunkgesetz: Das polnische Parlament hat ein neues Rundfunkgesetz gebilligt, wonach Rundfunklizenzen nur noch an Ausländer:innen aus dem "Europäischen Wirtschaftsraum" vergeben werden dürfen. Das Gesetz richte sich gegen den Privatsender TVN, welcher Teil des US-Konzerns Discovery ist und eine regierungskritische Linie vertritt. Während der Debatte um das Gesetz war zuvor das Regierungsbündnis in Polen zerbrochen, sodass die PiS eine stabile absolute Mehrheit im Parlament verloren hat und nun eine Minderheitsregierung führen muss. Kritiker:innen gehen außerdem davon aus, dass das Gesetz formal verfassungswidrig sei, weil es nach einer rechtswidrigen Wiederaufnahme der Sitzung des Parlaments angenommen wurde. Es berichten SZ (Florian Hassel), FAZ (Werner Mussler/Niklas Zimmermann), taz (Gabriele Lesser) und LTO.
Viktoria Großmann (SZ) meint, dass nach dem Erlass dieses Gesetzes sowie wegen des allgemeinen Abbaus des Rechtsstaats in Polen die EU sich noch stärker einmischen müsse. So würde Polens Demokratie vom Schutz eines von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen EU-Gesetzes für die Freiheit der Medien profitieren. Laut Peter Sturm (FAZ) hat sich Kaczynski verkalkuliert, wenn er meine, er könne die Partner in der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten gleichzeitig gegen sich aufbringen. Gabriele Lesser (taz) stellt fest, dass 30 Jahre nach der politischen Wende von der einst so hart erkämpften Demokratie und Pressefreiheit in Polen kaum noch etwas übrig sei.
Schweiz – Hanno Berger: Der Deutsche Steueranwalt Hanno Berger muss in Schweizer Auslieferungshaft bleiben. Das Bundesstrafgericht in Bellinzona habe bereits am 5. August eine Haftbeschwerde Bergers in zweiter Instanz abgelehnt, meldet die SZ. Die Beschwerdekammer stufte die von Berger entwickelten Cum-Ex-Manipulationen als "gemeinrechtlichen Betrug zum Nachteil des betroffenen Gemeinwesens" ein.
Chile – Colonia Dignidad: Wie die SZ meldet, warten acht chilenische Männer noch zehn Jahre nach dem Tod des deutschen Sektenführers der Colonia Dignidad, Paul Schäfer, auf Entschädigung. Schäfer hatte sie in den 1990er Jahren sexuell missbraucht. Chiles Oberster Gerichtshof hat den Opfern rund 1,25 Millionen Euro Entschädigung zugesprochen, welche das Unternehmen Villa Baviera leisten soll, das sich auf dem ehemaligen Gelände der Sekte befindet. Die Männer haben den Bundesaußenminister Heiko Maas dazu aufgefordert, sich bei der chilenischen Regierung und bei Villa Baviera für die Auszahlung der Entschädigung einzusetzen.
ICC/Sudan – Omar al-Baschir: Nun berichtet auch die SZ über die Auslieferung des früheren sudanesischen Diktators Omar al-Baschir an den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag. Sudans Außenministerin al-Mahdi sagte, dass man mit der Auslieferung Gerechtigkeit für die Opfer des Kriegs in Dafur schaffen wolle. Al-Baschir sitzt seit 2019 im Sudan in Haft.
USA – Fall Durst: Die FAZ (Christiane Heil) berichtet über einen Mordprozess gegen den Milliardenerben Robert Durst in Kalifornien. Ihm wird die Ermordung seiner früheren Freundin vorgeworfen. Der Prozess sei besonders bemerkenswert, da der Angeklagte sich ausgesprochen redselig gebe und viele Einzelheiten aus der Beziehung preisgebe. Vielleicht könne er dadurch die Sympathie der Geschworenen gewinnen.
Sonstiges
Abschiebehaft: Immer mehr Menschen kommen vor ihrer Abschiebung in Haft, wie SZ (Jan Bielicki) berichtet. Dabei gebe es Bundesländer wie Bayern, Bremen, Hamburg oder Niedersachsen, die stark auf die Abschiebehaft setzten. Dagegen habe Berlin nur 18 Ausreisepflichtige in Haft genommen, schob insgesamt aber etwa gleich viele Menschen ab wie Bayern, wo die Quote wesentlich höher lag. Die Bundesländer bauen zudem ihre Haftkapazitäten weiter aus, allerdings sind die Belegungszahlen pandemiebedingt stark zurückgegangen.
Jan Bielicki (SZ) kritisiert in einem gesonderten Kommentar die Praxis der Abschiebehaft, die in manchen Bundesländern nicht nur als letztes Mittel eingesetzt werde, um eine Pflicht zur Ausreise durchzusetzen, sondern vielmehr, um vermeintliche Stärke in der Migrationspolitik zu demonstrieren. Da es sich dabei aber um einen sehr intensiven Eingriff in die Freiheitsrechte unschuldiger Menschen handele, tauge das Mittel jedenfalls nicht, um das letztgenannte Ziel zu erreichen.
Vertragsverletzungsverfahren/EZB-Urteil: Jost Müller-Neuhof (Tsp) kommentiert die Stellungnahme der Bundesregierung, die im Vertragsverletzungsverfahren gegenüber der EU-Kommission abgegeben wurde. Der Autor zeigt auf, warum beide Seiten Recht haben, und begrüßt es, dass die jüngste deutsche Stellungnahme vor allem einen institutionalisierten Dialog zwischen den Gerichten anregt. Nun liege der Ball in Brüssel.
Insolvenzverwaltung: LTO-Karriere (Franziska Kring) beschreibt den Ablauf eines Insolvenzverfahrens und lässt mehrere Insolvenzverwalter:innen zu Wort kommen, die sich unter anderem als "eine Art Notarzt für Unternehmen" beschreiben und sich auf Augenhöhe mit den Unternehmensinhabern fühlen. Im Falle einer Insolvenz stellten sich vielfältige Rechtsfragen, etwa im Bereich Gesellschafts-, Prozess-, Kartell- oder Steuerrecht. Auch die Vergütung von Insolvenzverwalter:innen wird ausführlich dargelegt.
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Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ls
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Die juristische Presseschau vom 13. August 2021: . In: Legal Tribune Online, 13.08.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/45727 (abgerufen am: 25.11.2024 )
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