Journalistenkollektiv deckt Missbrauch von Spähsoftware Pegasus auf. Landesjustizministerien prüfen Pflichtversicherung gegen Naturgefahren und BGH ermöglicht Umgangsrecht für privaten Samenspender.
Thema des Tages:
Überwachungs-Software Pegasus: In dieser Woche veröffentlicht u.a. die SZ immer wieder Teile des internationalen journalistischen "Pegasus"-Projekts, das sich mit der Verwendung der gleichnamigen, in Israel entwickelten Software, beschäftigt. Dabei handelt es sich um eine Überwachungssoftware, mit der offenbar in vielen Ländern über Jahre hinweg auch Oppositionelle, Menschenrechtsaktivisten und Journalistinnen ausgespäht worden sind. Im Interview mit spiegel.de (Alexandra Rojkov) schildert der israelische Anwalt Eitay Mack, wie er mit mehreren Klagen an dem Versuch scheiterte, ein Exportverbot für die Pegasus-Software gerichtlich zu erwirken. Seit einer höchstrichterlichen Entscheidung, dass Militärexporte gar nicht mehr juristisch angefochten werden können, sei es immerhin einfacher, zu problematischen Waffenverkäufen zu publizieren. In der Vergangenheit waren in den Verfahren immer wieder sogenannte Nachrichtensperren verhängt worden. In einem Interview mit Paul Lewis vom "Pegasus"-Projekt, das leicht gekürzt auf zeit.de veröffentlicht wurde, erklärt der Whistleblower Edward Snowden die globale Bedrohung durch die Spionagesoftware und fordert ein globales Moratorium für den kommerziellen Handel mit derartiger Software.
Für Christian Rath (taz) ist allein die Vorstellung, dass Staaten wie Saudi-Arabien derartige Spähsoftware zur Verfügung haben, mehr als beunruhigend. Erforderlich ist seiner Ansicht nach ein internationales Exportverbot von Sicherheitstechnik an Unrechtsregime. Eine Pflicht zur Unterzeichnung eines solchen Vertrages etwa durch Israel gebe es allerdings nicht, sodass jedenfalls die EU und Deutschland von den hiesigen Sicherheitsfirmen sofort verlangen sollten, Geschäfte mit allen rechtsstaatlichen und demokratischen Problemstaaten zu unterlassen. Niemand könne mehr behaupten, "man habe nicht gewusst, was mit dieser Technik in den Empfängerländern (auch) gemacht wird".
Rechtspolitik
Versicherung gegen Naturgefahren: Im Zuge der verheerenden Überschwemmungen der letzten Tage ist erneut eine Diskussion aufgekommen, ob nicht eine Pflichtversicherung für Naturgefahren eingeführt werden sollte. Wie die taz (Anja Krüger) berichtet, wird dies von den Landesjustizministerien derzeit geprüft. Einige Bundesländer seien der Idee gegenüber sehr aufgeschlossen, während die Versicherungsbranche die Einstufung als Pflichtversicherung ablehne. Eine Pflicht nehme jeden Anreiz für Prävention.
In einem separaten Kommentar spricht sich Anja Krüger (taz) klar für die Einstufung als Pflichtversicherung aus. Gerade Hauseigentümer:innen in stark betroffenen Gebieten könnten so überhaupt erst die Möglichkeit bekommen, entsprechenden (bezahlbaren) Versicherungsschutz zu erhalten.
Warn-SMS: In Deutschland werden bei drohenden Naturkatastrophen keine Massen-SMS an alle Menschen im betroffenen Gebiet versandt. Die Nutzung der dafür notwendigen Technik ("Cell Broadcast") sei "aus rechtlichen und technischen Gründen nicht möglich", so das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK). Laut bild.de (Björn Stritzel/Martin Eisenlauer) sei sogar schon ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet worden, weil eine Richtlinie zur Kommunikation im Katastrophenfall nicht rechtzeitig umgesetzt worden sei.
EU-Vertragsverletzungsverfahren/EZB-Urteil: Im Verfassungsblog stellen der Rechtsanwalt Ulrich Karpenstein und Chefredakteur Maximilian Steinbeis einige Punkte vor, wie der deutsche Gesetzgeber am Verfassungsprozessrecht Änderungen vornehmen könnte, um den eskalierenden Konflikt zwischen Bundesverfassungsgericht und Europäischen Gerichtshof (EuGH) wieder Herr werden zu können. Neben einer restriktiveren Handhabung von Verfassungsbeschwerden, die auf eine Ultra-Vires- bzw. Identitätskontrolle abzielten, sei auch eine engere Einbindung von Unionsorganen bzw. dem EuGH sinnvoll. Auch für das europäische Prozessrecht machen die Autoren Reformvorschläge.
Geldwäsche: Jan Diesteldorf (SZ) kritisiert die "Nachlässigkeiten" Deutschlands im Umgang mit Geldwäsche und sieht das Land angesichts wiederholter Rügen durch die EU-Kommission in der "Bringschuld". Am heutigen Dienstag wird die EU-Kommission ein umfassendes Gesetzespaket zur Bekämpfung der Geldwäsche vorlegen.
Digitale Grundrechte: In einem Gastbeitrag für das Hbl stellt Pedro Sanchez, Spaniens Ministerpräsident, die Pläne zur Schaffung einer Charta digitaler Grundrechte vor. Darin enthalten sollen etwa ein Recht auf algorithmische Nichtdiskriminierung sein sowie das persönliche Recht auf Inanspruchnahme einer Beaufsichtigung digitaler Inhalte durch Menschen. Die Digitalcharta soll der Ende dieses Jahres vorgesehenen europäischen Erklärung zu Digitalgrundsätzen den Weg ebnen. Spanien trete dafür ein, diese Fragen letztlich "weltweit zu regulieren".
Justiz
BGH zu Umgangsrecht von Samenspender: Auch der private Samenspender und damit leibliche Vater eines Kindes kann ein Umgangsrecht mit diesem beanspruchen. Das entschied der Bundesgerichtshof in einem Fall, bei dem der Samenspender zuvor in die Adoption des Kindes durch die Partnerin der Mutter eingewilligt hatte. Nachdem der leibliche Vater das Kind zunächst alle zwei Wochen besuchte, wurde der Kontakt von den Eltern abgebrochen, als der Vater sich wünschte, den Umgang auszuweiten. Der BGH bejahte nun einen Anspruch nach § 1686a Abs. 1 Nr. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) und verwies den Fall zurück an das Kammergericht Berlin, das nun prüfen muss, ob das Umgangsrecht dem Kindeswohl entspricht. Es berichten SZ (Wolfgang Janisch), taz (Christian Rath) und LTO.
BVerfG zum Klimaschutz: Im FAZ-Einspruch kritisiert der emeritierte Rechtsprofessor Dietrich Murswiek die aktuelle Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutz. Das Gericht habe den Prüfungsmaßstab nicht anhand des Grundgesetzes, sondern an den Zielvorgaben des Klimaschutzgesetzes bestimmt. So hätten einzelne Bestimmungen eines einfachen Gesetzes relativen Verfassungsrang erhalten und das BVerfG habe sich in die Rolle eines klimapolitischen Akteurs begeben.
BGH zu Ehrverletzung: Wenn ein Blogger über einen bestimmten Menschen ehrverletzend berichtet und seinen Blog für Erpressungsversuche benutzt, beeinträchtigt dies das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen. Dies kann, wie der Bundesgerichtshof nun entschied, rechtswidrig sein. Das Kammergericht Berlin muss deshalb erneut über den Fall entscheiden, bei dem der Blogger einen Unternehmer u.a. als "Börsenversager" bezeichnete. Die Meldung erschien in der FAZ.
BAG zu Syndikusrechtsanwält:innen: Beschäftigt ein Arbeitgeber mehrere Volljurist:innen, die eine gleiche Tätigkeit ausüben, so darf er diese bei der Frage, ob der Arbeitgeber die entsprechenden Erklärungen für die Zulassung als Syndikusrechtsanwält:innen abgibt, nicht unterschiedlich behandeln. Dies ergebe sich aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, entschied das Bundesarbeitsgericht in einem Fall, der die Gewerkschaft Verdi betraf. Rechtsanwalt Martin W. Huff erläutert die Entscheidung auf LTO.
CAS – Russische Schwimmer:innen: Wie LTO berichtet, hat der Internationale Sportgerichtshof (CAS) entschieden, dass zwei zunächst suspendierte Schwimmer:innen bei den Olympischen Spielen in Tokio an den Start gehen dürfen. Ein verlässlicher Beweis eines Doping-Verstoßes sei mit den vorgelegten Daten nicht erbracht werden.
BAG-Präsidentin Schmidt im Interview: Das Hbl (Frank Specht) hat mit Ingrid Schmidt, der scheidenden Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts, ein Interview geführt. Es geht darin um Kurzarbeit wegen Corona, Impfpflichten, Arbeitnehmer-Datenschutz, osteuropäische Pflegekräfte, befristete Arbeitsverhältnisse, Arbeitszeiterfassung, Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie um das Arbeitskampfrecht. Ingrid Schmidt ist seit März 2005 Präsidentin des BAG und scheidet im September aus dem Amt aus.
Sprach- und Kulturmittelnde in der Justiz: In Nordrhein-Westfalen sollen künftig sogenannte Sprach- und Kulturmittelnde in der Justiz eingesetzt werden, um den kulturellen Hintergrund von Verfahrensbeteiligten besser zu verstehen. Die ersten Schulungen beginnen im August und September. LTO berichtet.
Recht in der Welt
Russland – Anwaltsorganisation: Die russische Bürgerrechts- und Anwaltsgruppe Komanda 29 hat aus Angst vor Strafverfolgung ihre Arbeit eingestellt. Die 2014 gegründete Organisation hatte unter anderem auch die Bewegung um den inhaftierten Kremlgegner Alexej Nawalny vertreten. Die FAZ (Reinhard Veser) und LTO berichten.
Japan – Ghosns Fluchthelfer: Die beiden Amerikaner, die dem ehemaligen Nissan-Chef Carlos Ghosn bei seiner Flucht aus Japan geholfen haben, sind in Tokio zu Haftstrafen von zwei Jahren bzw. einem Jahr und acht Monaten verurteilt worden. Ghosn ist in Japan angeklagt, weil er Einkommen in Höhe von umgerechnet etwa 85 Millionen Dollar in den Finanzberichten Nissans nicht offengelegt haben soll. Die FAZ (Patrick Welter) berichtet.
USA – Capitol-Erstürmung: In den USA ist erstmals einer der Teilnehmer:innen des gewaltsamen Sturms auf das Capitol zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden. Ein Bundesgericht sprach den 38 Jahre alten Paul Hodgkins der Behinderung eines behördlichen Verfahrens schuldig. Er muss nun für acht Monate ins Gefängnis, nachdem er sein Fehlverhalten gestanden und sich reumütig gezeigt hatte, berichtet spiegel.de.
Griechenland – Impfpflicht: Im Interview mit spiegel.de (Giorgos Christides) erklärt der Verfassungsrechtler Nicos Alvisatos, weshalb er die neu eingeführte Impfpflicht für medizinisches Personal sowie für Pflegerinnen und Pfleger in Griechenland für verfassungskonform hält. Das oberste Verwaltungsgericht habe die Impfpflicht bei bekannten, routinemäßigen Krankheiten für grundsätzlich verfassungsgemäß erklärt. Ähnlich sehe er es auch bei Corona, wobei er in begründeten Ausnahmen medizinischer oder aber auch philosophischer Art Ausnahmen von der Pflicht befürwortet.
Sonstiges
Nackte weibliche Brust und Ordnungsrecht: Im Verfassungsblog kommt die wissenschaftliche Mitarbeiterin Anja Schmidt zu dem Ergebnis, dass ein öffentliches Zurschaustellen der weiblichen Brust weder den Tatbestand des Erregen eines öffentlichen Ärgernisses (§ 183a Strafgesetzbuch) erfüllt noch eine Belästigung der Allgemeinheit (§ 118 Ordnungswidrigkeitengesetz) darstellt. Es komme vor allem auf eine individuelle Betroffenheit anderer in ihren Freiheitsrechten an, die hier nicht gegeben sei. Anlass war eine Frau, die sich an einem Berliner Wasserspielplatz nur mit einer Badehose bekleidet sonnte und von der Polizei des Platzes verwiesen worden war.
Online-Prüfungen: In einer aktuellen Handreichung an die Universitäten stellt der Landesdatenschutzbeauftragte des Landes Baden-Württemberg, Stefan Brink, klar, dass Aufzeichnungen und Screenshots von Prüfungen verboten sind. Hochschulen dürfen außerdem nicht verlangen, dass Studierende zu Kontrollzwecken einen Kameraschwenk durch ihr Zimmer machen müssen. netzpolitik.org (Markus Reuter) berichtet.
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lto/jpw
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Die juristische Presseschau vom 20. Juli 2021: . In: Legal Tribune Online, 20.07.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/45515 (abgerufen am: 25.11.2024 )
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