Die juristische Presseschau vom 23. Februar 2021: BVerfG wäh­rend Corona-Pan­demie / Her­kunft­s­an­gabe Glas­hütte / BGH - Audi ist nicht VW

23.02.2021

Obwohl wenig vom BVerfG zu den Corona-Verordnungen zu hören ist, setzt das Gericht dennoch seine Impulse. Die Uhren-Herkunftsangabe "Glashütte" soll durch Bundesverordnung geschützt werden. BGH verhandelt im Abgasskandalprozess gegen Audi.

Thema des Tages

Corona – BVerfG: Seit die ersten Corona-Verordnungen erlassen wurden und die damit verbundenen Grundrechtseinschränkungen griffen, intervenierte das Bundesverfassungsgericht nur drei Mal. Dies liegt, wie LTO (Christian Rath) darlegt, zum einen daran, dass die Einschränkungen durch Rechtsverordnungen der Bundesländer erfolgen, die vor allem vor den Oberverwaltungsgerichten bzw. Verwaltungsgerichtshöfen angegriffen werden. Dennoch wurden seit Beginn der Corona-Pandemie 283 Verfassungsbeschwerden und 242 Eilanträge eingereicht, wovon das Karlsruher Gericht den Großteil jedoch bereits ablehnte. Es lässt sich daher annehmen, das BVerfG sei mit der bisherigen Arbeit der Landesgerichte soweit zufrieden. Seine Impulse setzt das Karlsruher Gericht trotzdem, nicht immer in der Form von Gerichtsentscheidungen aber auch durch Interviews mit der Presse.

Rechtspolitik

Markengesetz: Die sächsische Justizministerin Katja Meier (Grüne) fordert das Bundesjustizministerium auf, auf Grundlage des § 137 Markengesetzes nun endlich die Verordnung zum Schutz der Herkunftsangabe "Glashütte" zu erlassen. Im sächsischen Glashütte werden seit 1845 hoch qualitative Uhren hergestellt. Um diese Herkunftsangabe zu schützen, beschloss nach Berichten des Hbl (Heike Anger) der Bundesrat bereits im September 2019 einen Verordnungsentwurf, dessen Erlass das Bundesjustizministerium derzeit jedoch verzögert.    

Urheberrecht: Ähnlich wie es das umstrittene australische Gesetzesvorhaben vorsieht, fordert eine Initiative aus dem Technologiekonzern Microsoft und europäischen Presseverlagen die Einführung eines Bezahlsystems, sodass "marktbeherrschende Gatekeeper" wie Facebook und Google Presseverlage für die Nutzung ihrer Inhalte bezahlen. Das in der neuen EU-Urheberrichtlinie enthaltene Leistungsschutzrecht werde in Verhandlungen mit Plattformbetreibern nicht zu fairen Ergebnissen führen, begründen die Initiatoren ihren Vorstoß. Der Europaabgeordnete Moritz Körner (FDP) äußert sich gegenüber dem Hbl (L. Holzki u.A.) skeptisch zu dem Vorschlag und meint, die "Marktmacht der Gatekeeper sollte durch […] strengere Wettbewerbsaufsicht […] im Rahmen des Digital Markets Act und des Digital Services Act angegangen werden."

Verteidigungsplanungsgesetz: Die Grünen haben den Entwurf eines Verteidigungsplanungsgesetzes veröffentlicht, das für zehn bis 15 Jahre Prioritäten und Kosten bei großen Rüstungsvorhaben der Bundeswehr regeln soll. Momentan werden Beschaffungsprojekte der Bundeswehr nach der jährlichen Haushaltslage geplant und fehlendes Geld aus kleinen, für die Truppe nicht minder wichtigen Projekten abgezogen, erläutert Grünen-Verteidigungspolitiker Tobias Lindner, so die FAZ (Peter Carstens). Ein solches Planungsgesetz soll deshalb zum einen eine verlässliche Grundlage für die Ausstattung der Bundeswehr schaffen und zum anderen die Kontrolle des Bundestags über Rüstungsvorhaben stärken.

Der Regelungsvorschlag sei kein Ersatz für eine eigene Strategie der Grünen bei Verteidigungsfragen, kommentiert Reinhard Müller (FAZ) den Vorstoß.

Patentrecht: Nun befasst sich auch die FAZ (Corinna Budras/Martin Gropp) mit den verschiedenen Positionen zum Gesetzentwurf zur Modernisierung des Patentrechts, wozu am Mittwoch im Rechtsausschuss des Bundestags die Experten-Anhörung stattfindet. Während die Auto- und Mobilbranche die Änderungen begrüßt, sehen Pharma- und Chemieunternehmen sie skeptisch. Patentinhaber sollen nach dem Entwurf ihre Rechte nicht mehr durchsetzen können, wenn diese zu "unverhältnismäßigen Härten“ auf der anderen Seite führen würden.

Corona – Geimpfte: Angesicht neuer Immunisierungsdaten aus Israel diskutieren Unternehmer und Juristen über Teilöffnungen für Geimpfte. Gegenüber der FAZ (Christian Geinitz) meint der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts Hans-Jürger Papier, für Freiheitsbeschränkungen zu Lasten geimpfter Personen gebe es "grundsätzliche keine Rechtfertigungsgründe mehr". Es gehe keinesfalls um Sonderrechte für Geimpfte, sondern "um die Wiederherstellung des grundrechtlichen Normalzustands“, wird Papier weiter zitiert.

Justiz

BGH – Dieselskandal/Audi: Dem Automobilhersteller Audi kann wohl keine sittenwidrige Schädigung vorgeworfen werden, obwohl der im Wagen des Klägers verbaute manipulierte Dieselmotor vom Mutterkonzern Volkswagen entwickelt worden war. Diese "vorläufige Rechtsauffassung" teilte der 6. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs am Ende der Verhandlung am gestrigen Montag mit, wie die FAZ (Marcus Jung/hpe) und die SZ (Wolfgang Janisch) berichten. Der Vorsatz, die illegale Abgassoftware zu entwickeln, liege bei VW und lasse sich nicht einfach auf Audi übertragen. Den Kläger im Audi-Prozess trifft deshalb die Pflicht, detaillierte Beweise und Tatsachen für einen Vorsatz des Audi-Konzerns zu erbringen. Bei den Prozessen gegen Volkswagen lag die Darlegungslast bei VW, da eine gewisse Verantwortung der Konzern-Spitze nahelag. Seine offizielle Entscheidung will das Gericht in den kommenden Tagen verkünden.

BVerfG zu DSGVO-Schadensersatzklagen: Schadensersatzansprüche nach Artikel 82 der Datenschutzgrundverordnung dürfen nicht schon deshalb abgelehnt werden, weil sie Bagatellen betreffen würden, entschied das Bundesverfassungsgericht letzte Woche. Welche Ablehnungsgründe zulässig sind, könne nur der Europäische Gerichtshof bestimmen. Nun berichtet auch die FAZ (Corinna Budras/Marcus Jung) von dem Urteil aus Karlsruhe.

OLG München zu Elektroschrottentsorgung: Die Elektrohandelskette Media Markt-Saturn muss die Rückgabe von quecksilberhaltigen Altlampen für Verbraucherinnen und Verbraucher einfacher machen. Das entschied das Oberlandesgericht München, wie jetzt bekannt wurde, bereits im Dezember und gab damit der klagenden Deutschen Umwelthilfe (DUH) teilweise recht. Die DUH klagte, da sie der Ansicht ist, dass viele Geschäfte eine solche Entsorgung erschweren, berichtet die taz (Susanne Schwarz). Dem schloss sich das Gericht an und stellte fest, dass die Rücknahme über die Filialen und per Postversand nicht ausreiche.

OLG Köln zu Veröffentlichung eines Glyphosatgutachtens: Das MDR-Magazin "Fakt" durfte 2015 über ein Glyphosat-Gutachten des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) berichten und das englischsprachige Addendum zum Gutachten online veröffentlichen. So lautet der Beschluss des Oberlandesgerichts Köln, mit dem sich die FAZ (Michael Hanfeld) und mdr.de befassen. Das BfR hatte damals mit Verweis auf eine Urheberrechtsverletzung eine einstweilige Verfügung gegen die Veröffentlichung erwirkt. Mit Verweis auf § 50 Urhebergesetz, der Medien bei ihrer Berichterstattung über Tagesereignisse insbesondere die Verbreitung von Werken "in einem durch den Zweck gebotenen Umfang" gestattet, verneinte das OLG nun jedoch eine Urheberechtsverletzung des BfV. 

OLG Celle – Abu Walaa: Nach 245 Verhandlungstagen wird am Mittwoch vom Oberlandesgericht Celle das Urteil im Prozess gegen den islamistischen Prediger und vermutlichen Rekrutierer junger Dschihadisten Ahmad A. und die beiden Mitangeklagten Boban S. und Hasan C. erwartet. Die Bundesanwaltschaft forderte in ihrem Plädoyer Ende Januar Ahmad A., auch bekannt als Abu Walaa, wegen Mitgliedschaft bei der Terrororganisation "Islamischen Staat" (IS) zu elfeinhalb Jahren Haft, den mitangeklagten S. zu neuneinhalb und C. zu zehn Jahren Haft zu verurteilen. Die FAZ (Alexander Haneke) und die taz (Sabine am Orde) berichten ausführlich über die Details des Prozesses und die Verbindungen der Angeklagten mit anderen Islamisten, wie dem Attentäter vom Berliner Breitscheidplatz Anis Amri.

LG Berlin – Abou Chaker/Bushido: Das Berliner Landgericht verhandelte ein weiteres Mal im Prozess gegen den Clan-Chef Arafat Abou Chaker, wobei der Hauptbelastungszeuge und Nebenkläger Anis Ferchichi alias Rapper Bushido bereits zum 20. Mal im Zeugenstand stand. Laut spiegel.de (Wiebke Ramm) ging es diesmal insbesondere um den Versuch Bushidos, die Zusammenarbeit mit Abou-Chaker zu beenden.

VG Trier zu EU-Fahrerlaubnis: Eine Fahrerlaubnis für unionsrechtlich harmonisierte Fahrerlaubnisklassen gilt auch in Deutschland, selbst wenn sie im europäischen Ausland erteilt wurde. Soll die EU-Fahrerlaubnis jedoch eine Sperre in Deutschland umgehen, gilt dies ausnahmsweise nicht. Damit wies das Verwaltungsgericht Trier den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz des Klägers ab. Dieser war wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Führerschein in Deutschland verurteilt worden und für den Erwerb eines neuen Führerscheins bei deutschen Behörden gesperrt. Während dieser Sperrfrist machte der Mann einen neuen Führerschein in Luxemburg, den die deutschen Behörden nicht anerkannten, wie LTO erläutert.

AG Düsseldorf – Metzelder/Kinderpornografie: Das Amtsgericht Düsseldorf hat die Anklage der Staatsanwaltschaft gegen den ehemaligen Fußballnationalspieler Christoph Metzelder zugelassen. Die StA wirft Metzelder vor, anderen Personen kinderpornografische Schriften verschafft und in einem Fall kinder- und jugendpornografische Schriften selbst besessen zu haben. Der Prozess soll am 29. April beginnen, melden die SZ, spiegel.de, die FAZ (Reiner Burger) und LTO.

StA Berlin – Attila Hildmann: Seit drei Monaten ermittelt die Staatsanwaltschaft Berlin gegen den Verschwörungstheoretiker Attila Hildmann wegen Volksverhetzung, Beleidigung und Bedrohung. Hildmann hetzt über mehrere Social-Media-Kanäle gegen die deutsche Corona-Politik und verbreitet allerhand Verschwörungstheorien, weshalb im vergangenen Jahr zahlreiche Anzeigen gegen ihn eingingen. Nach Berichten der SZ (Florian Flade/Ronen Steinke) wertet die StA bei ihren Ermittlungen auch die bei einer Wohnungsdurchsuchung bei Hildmann beschlagnahmten Datenträger aus, was aber wohl nur schleppend vorangeht.

Klagen um Nord Stream 2: Die FAZ (Henrik Kafsack/Helene Bubrowski) erörtert die wenigen rechtlichen Mittel und die bereits laufenden Verfahren im Streit um den Baustopp der Nord Stream 2 Gas-Pipeline. So ist vor dem Oberverwaltungsgericht Greifswald eine Klage der Deutschen Umwelthilfe auf Durchführung einer neuen Umweltverträglichkeitsprüfung anhängig. Nord Stream 2 geht unter anderem vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf gegen die Entscheidung der Bundesnetzagentur vor, wonach der Pipeline-Bau nicht von den EU-Energiebinnenmarktregeln ausgenommen ist.

Recht in der Welt

Russland/EU – Sanktionen: Bei ihrem Treffen haben die EU-Außenminister neue Sanktionen gegen Russland auf den Weg gebracht. Wie die taz (Eric Bonse), die FAZ und die SZ (Mathias Kolb) berichten, berufen sich die Außenminister dabei auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zur Freilassung Nawalnys und betonen, es gehe bei den Sanktionen um die Durchsetzung internationalen Rechts.

Die neuen geplanten Sanktionen gegen Russland würden nichts bringen, sei Russland doch schon bis zur Wirkungslosigkeit übersanktioniert und inzwischen schmerzlos, meint Stefan Kornelius (SZ). Die EU müsse entweder "kräftiger zuschlagen (also Nord Stream 2 stoppen), oder sie muss andere Hebel finden, um ihre Interessen durchzusetzen."

USA – Trumps Steuerunterlagen: Donald Trumps Steuerunterlagen dürfen an die New Yorker Staatsanwaltschaft herausgegeben werden. Mit dieser Entscheidung wies das oberste US-Gericht laut der Welt und deutschlandfunk.de die Klage Trumps gegen die Herausgabe ab. Bei den Ermittlungen geht es unter anderem um angebliche Schweigegeldzahlungen, die Trumps ehemaliger Anwalt dem Pornostar Stormy Daniels und dem ehemaligen Playmate Karen McDougal gezahlt haben soll.

Juristische Ausbildung

Streichung Gesamtnote: In der Stellungnahme des Bundesrats zum "Gesetz zur Modernisierung des notariellen Berufsrechts und zur Änderung weiterer Vorschriften" ist die Streichung der Gesamtnote im Examen jetzt wieder enthalten. Danach sollen zur besseren Vergleichbarkeit der Leistungen auf die Bildung einer Gesamtnote aus den Noten der staatlichen Pflichtfachprüfung und des universitären Schwerpunktbereichsstudium verzichtet werden. Laut LTO-Karriere (Antonetta Stephany) war die Streichung der Gesamtnote auf Anraten verschiedener juristischer Verbände in dem Gesetzentwurf der Bundesregierung nicht mehr enthalten, vom Bundesrat nun aber wieder hinzugefügt worden. 

Sonstiges

UN-Menschenrechtsrat: Die aus Fidschi stammende Juristin Nazhat Shameem Khan ist neue Vorsitzende des Menschenrechtsrates der Vereinten Nationen in Genf. Khan war bereits Generalstaatsanwältin und Richterin am Obersten Gerichtshof ihres Heimatlandes und setzte sich international bisher für die Rechte von Menschen mit Behinderung sowie kleine Inselstaaten ein. Die taz (Sven Hansen) portraitiert die 61-Jährige.

Das Letzte zum Schluss

LG Flensburg zu Schokolade im Gericht: Die Übergabe von Schokoweihnachtsmännern von zwei Schöffinnen insbesondere an die Staatsanwaltschaft, nicht aber an die Angeklagten und deren Verteidiger im Gerichtssaal ist geeignet, den Eindruck zu erwecken, dass die Schöffinnen eher auf der Seite der StA stehen. Das Landgericht Flensburg gab damit dem Befangenheitsantrag der Angeklagten statt, so Rechtsanwalt Björn Krug auf beck-aktuell. Zwar handele es sich laut Gericht bei "der Übergabe von kleinen Süßigkeiten zur Weihnachtszeit durchaus um ein sozialadäquates Verhalten mit mäßigem Erklärungswert hinsichtlich persönlicher Zuneigung", der Vorgang sei eben aber auch nicht völlig neutral und drücke eine gewisse Wertschätzung aus.

 

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lto/ali

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Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 23. Februar 2021: . In: Legal Tribune Online, 23.02.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/44331 (abgerufen am: 25.11.2024 )

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