Der Ethikrat lehnt in einer Stellungnahme "Sonderrechte" für Corona-Geimpfte ab. Das BVerfG billigt die elektronische Fußfessel. In Belgien wurde ein iranischer Diplomat wegen eines geplanten Bombenanschlags verurteilt.
Thema des Tages:
Corona – Impfprivilegien: Der Deutsche Ethikrat hat sich in einer Ad-hoc-Stellungnahme gegen "Sonderrechte" für Corona-Geimpfte ausgesprochen. Solange nicht geklärt sei, ob Geimpfte das Coronavirus weitergeben können, seien keine Sonderregeln denkbar. Die aktuellen Einschränkungen seien ohnehin nur so lange gerechtfertigt, wie die Versorgung der schwer erkrankten Covid-19-Patienten das Gesundheitssystem akut zu überlasten drohe. Wenn Maßnahmen gelockert würden, dann für alle. Zwar müsse zwischen staatlichen Einschränkungen und Konzepten von Unternehmen unterschieden werden, wenn es um die "gleichberechtigte Teilhabe am Leben" gehe, sollte es jedoch keine Ungleichbehandlung geben. Es berichten SZ (Werner Bartens/Viktoria Spinrad), taz (Sabine am Orde) und spiegel.de.
Die rechtlichen Hintergründe der Debatte erläutert tagesschau.de (Christoph Kehlbach).
Reinhard Müller (FAZ) meint, in einer Zeit großer Nachfrage nach wissenschaftlichem Sachverstand blühe offenbar auch die generelle Sehnsucht nach Expertenherrschaft. Es erschließe sich nicht, warum teils massive Freiheitsbeschränkungen nur für alle einheitlich zurückgenommen werden sollten. Auch Stefan Ulrich (SZ) erinnert daran, dass Freiheitsrechte keine Privilegien, sondern der Normalfall seien. Moralisch sei es ebenfalls geboten, zwischen Geimpften und Nicht-Geimpften zu unterscheiden, da die Impfreihenfolge nach sachlichen Kriterien bestimmt werde.
Corona – Impfpriorisierung: Gesundheitsminister Spahn (CDU) arbeitet an einer Änderung der Corona-Impf-Verordnung, um es Risikopatienten zu ermöglichen, schneller geimpft zu werden. Zu diesem Zweck soll eine Härtefallregelung für die zweite und dritte Kategorie der Impfberechtigten aufgenommen werden. Zudem soll eine Öffnungsklausel aufgenommen werden. Patientinnen und Patienten mit bestimmten Vorerkrankungen wie Krebs sollen sogar allgemein von Kategorie drei in Kategorie zwei aufrücken. spiegel.de (Dietmar Hipp) stellt den aktuellen Referentenentwurf des Gesundheitsministeriums vor. Kritiker wenden ein, dass nun ein Vorrücken von Risikopatienten in Kategorie eins ausgeschlossen sei und die geplante Änderung damit eine Verschlechterung zu derzeitigen informellen Lösungen darstelle.
Corona – Impfstoffexport: Nun berichtet auch community.beck.de (Axel Spies), dass die EU-Kommission eine mindestens bis zum 31. März geltende Exportgenehmigungsverordnung erlassen hat. Demnach bedürfen Exporte des Covid-19-Impfstoffes einer vorherigen Anmeldung und Genehmigung durch die zuständigen Behörden der EU-Mitgliedstaaten, in denen die Impfstoffe hergestellt werden.
Rechtspolitik
Sorgerechtsverfahren: Die SZ (Edeltraut Rattenhuber) berichtet über eine am gestrigen Donnerstag vom Verein "Väteraufbruch für Kinder" präsentierte Statistik über die Verfahrensdauer von Sorgerechtsstreitigkeiten. Demnach sind Verfahrensdauern von einem Jahr und mehr an Amts- und an Oberlandesgerichten die Regel, zwei und mehr Jahre nicht ungewöhnlich. Der Verein setzt sich ein für verpflichtende Beratung und Mediation, Mindestqualifikationen für Verfahrensbeistände sowie eine Reform des Unterhaltsrechts.
Geschlechtsneutrale Gesetzessprache: Die Rechtsanwältin Nathalie Oberthür schreibt auf beck-aktuell über die Herausforderung geschlechtergerechter Gesetzessprache. Zwar sollte die Gleichstellung der Geschlechter zum Ausdruck gebracht werden. Gerade im Arbeitsrecht halte der Gesetzgeber aber die beidseitig geschlechtsneutrale Darstellung nicht durch. Zumindest innerhalb eines Normtextes müsse der Sprachgebrauch einheitlich gestaltet sein.
Corona – Datenschutz: Die Datenschutzbeauftragten von Berlin und Rheinland-Pfalz, Maja Smoltczyk und Dieter Kugelmann, wehren sich laut SZ (Matthias Dobrinski) gegen Vorwürfe, der Datenschutz blockiere die wirksame Pandemiebekämpfung. Er sei vielmehr ein "wichtiger Regulator und Steuerungsfaktor" und dürfe "nicht dem Virus zum Opfer fallen". Menschen ließen sich eher auf neue Technologien ein, "wenn sie Vertrauen haben, dass ihre Rechte und Freiheiten gewahrt bleiben".
Zivilprozess: Nun schreibt auch LTO (Markus Sehl) ausführlich über das auf dem Zivilrichtertag präsentierte Thesenpapier zur "Modernisierung des Zivilprozesses". Demnach sollen Online-Verfahren schnell ausgeweitet, Videotechnik vermehrt genutzt und für Verbraucher ein niedrigschwelliger Zugang zur Justiz sichergestellt werden. Die Vorschläge sollen eine breitere Diskussion auslösen.
Wiederaufnahme: Rechtspolitiker von CDU und SPD sprechen sich laut focus.de (Göran Schattauer) dafür aus, Wiederaufnahmeverfahren nach Mordprozessen zu erleichtern, wenn rechtskräftig Freigesprochene anschließend etwa durch DNA-Analysen als Täter überführt werden. Dazu planen sie eine Änderung von § 362 Strafprozessordnung (StPO). Das Justizministerium beruft sich demgegenüber auf "schwierige verfassungsrechtliche Fragen", die so ein Vorschlag aufwerfe.
Pauschalreisen: Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) plant die Schaffung eines Garantiefonds, um Pauschalreise-Anzahlungen von Urlaubern besser abzusichern. Einem Referentenentwurf zufolge soll der von der Reisewirtschaft zu gründende Fond zudem den Rücktransport gestrandeter Urlauber sicherstellen. Das Hbl (Christoph Schlautmann) berichtet.
Justiz
BVerfG zu elektronischer Fußfessel: Verurteilte Straftäter, von denen auch nach der Haftentlassung Gefahr ausgeht, dürfen mit einer elektronischen Fußfessel überwacht werden. Die 2011 eingeführte Regelung in § 68b Strafgesetzbuch (StGB) verstößt nicht gegen das Grundgesetz. Das hat das Bundesverfassungsgericht nach zehnjähriger Verfahrensdauer entschieden und zwei Verfassungsbeschwerden von Betroffenen abgelehnt. Mit der Fußfessel werde nur der Aufenthaltsort überwacht und nicht, was die Betreffenden dort machen. Dies sei keine Totalüberwachung und verletzte nicht den unantastbaren Bereich privater Lebensgestaltung. Auch in Bezug auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht sei die Fessel verhältnismäßig, schütze sie doch höchstrangige Verfassungswerte wie das Leben und die sexuelle Selbstbestimmung. Es berichten SZ (Wolfgang Janisch), FAZ (Marlene Grunert), taz (Christian Rath), tagesschau.de (Klaus Hempel) sowie Rechtsprofessor Jörg Kinzig auf LTO.
Wolfgang Janisch (SZ) kritisiert die lange Verfahrensdauer, begrüßt aber die Entscheidung des BVerfG. Wenn die Dauerüberwachung an strenge Voraussetzungen geknüpft ist, sei sie gerechtfertigt. Nicht entschieden worden sei über die Fußfessel als präventive Maßnahme gegen "Gefährder". Insoweit könne es spannend werden, inwieweit die Entscheidung übertragbar ist.
BVerfG zu Geschlechterparität: Die Wissenschaftliche Mitarbeiterin Dana-Sophia Valentiner befasst sich auf dem Verfassungsblog mit der am Dienstag veröffentlichten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur (nicht bestehenden) Pflicht, ein Paritätsgesetze für Bundestagswahlen einzuführen. Das BVerfG habe klargestellt, dass es sich bei Parteienfreiheit, Wahlrechtsgrundätzen und dem Gleichberechtigungsauftrag um gleichwertige Verfassungsgüter handele. Damit setze sich der Beschluss von den bisherigen landesverfassungsgerichtlichen Entscheidungen ab und zeige, dass Paritätsregelungen möglich sein könnten.
BVerfG – Kinderehen: Rechtsprofessor Ralf Michaels meint auf dem Verfassungsblog, das Bundesverfassungsgericht werde kaum darum herumkommen, das dort anhängige "Gesetz zur Bekämpfung der Kinderehe" für verfassungswidrig zu erklären. Der Gesetzgeber habe sich zwar mit guten Gründen für eine Verhinderung der Frühehe eingesetzt. Tatsächlich verfehle das Gesetz jedoch die verfolgten Gesetzeszwecke und schade durch seine Pauschalbehandlung auch freiwillig eingegangenen und vollzogenen Ehen.
BVerwG zur Funktionsbeschreibung einer Professorin: Einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zufolge schützt die Wissenschaftsfreiheit eine Universitätsprofessorin nicht davor, dass ihr ein Tätigkeitsbereich an einer Uniklinik entzogen wird, der ursprünglich in ihrer "Funktionsbeschreibung" festgelegt war. Soweit ein Hochschullehrer im Bereich der Krankenversorgung tätig sei, garantiere die Wissenschaftsfreiheit lediglich einen angemessenen Tätigkeitsbereich. Über das Urteil und die komplexe Historie des Verfahrens schreibt beck-aktuell (Joachim Jahn).
BAG zu Berliner Kopftuchverbot: Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 27. August 2020 eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg bestätigt, wonach das Land Berlin verpflichtet ist, eine Entschädigungszahlung zu leisten, weil es sich geweigert hatte, eine Kopftuch tragende Lehrerin einzustellen. Der emeritierte Rechtsprofessor Wolfgang Hecker erläutert auf dem Verfassungsblog die fortwährende Weigerung des Landes Berlin zur Befolgung des einschlägigen Urteils des BVerfG von 2015 sowie die nun veröffentlichten Entscheidungsgründe des BAG.
OVG NRW zu Metzelder-Pressemitteilung: Einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen zufolge hat das Amtsgericht Düsseldorf der Presse zu viele Details über die Anklage gegen den ehemaligen Fußballprofi Christoph Metzelder wegen des Besitzes und der Verbreitung von Kinder- und Jugendpornografie mitgeteilt. Das Amtsgericht habe das allgemeine Persönlichkeitsrecht und das Recht auf ein faires Verfahren verletzt. Es muss nun eine 2019 veröffentlichte Pressemitteilung aus dem Internet entfernen, in der Details aus der Anklageschrift enthalten waren. Es berichten FAZ (Reiner Burger) und LTO.
OLG Dresden zu "Gruppe Freital": Das Oberlandesgericht Dresden hat weitere vier Personen im Zusammenhang mit der rechtsextremen "Gruppe Freital" zu Haftstrafen verurteilt. Drei Angeklagte wurden wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung verurteilt, eine Angeklagte wegen Unterstützung der Gruppe. Es berichten taz (Konrad Litschko) und spiegel.de.
OLG Nürnberg zu Verdachtsberichtserstattung: Das Oberlandesgericht Nürnberg hat die Schadensersatzklage eines Unternehmers gegen die Süddeutsche Zeitung abgewiesen. Der Unternehmer hatte 78,4 Millionen Euro Schadensersatz verlangt, nachdem die SZ in einem kritischen Artikel die Frage aufgeworfen hatte, ob er sich an illegalen Insidergeschäften beteiligt haben könnte. Das Gericht entschied nun, es gäbe keine Anhaltspunkte dafür, dass die Journalisten in ihrem Artikel rechtswidrig oder pflichtwidrig gehandelt hätten. Die Autoren hätten sich an die Regeln zur Verdachtsberichterstattung gehalten. Über die Entscheidung schreiben SZ (Annette Ramelsberger) und LTO.
Recht in der Welt
Belgien – Iranischer Diplomat: Ein Gericht in Antwerpen hat einen iranischen Diplomaten wegen versuchten Mordes sowie der Beteiligung an einer terroristischen Organisation verurteilt und zu 20 Jahren Haft verurteilt. Der Mann habe Ende Juni 2018 einen Bombenanschlag auf eine Großkundgebung iranischer Exil-Oppositioneller in Frankreich geplant. Drei weitere Täter erhielten ebenfalls hohe Haftstrafen. Es berichten die SZ (Paul-Anton Krüger) und spiegel.de.
In einem gesonderten Kommentar meint Paul-Anton Krüger (SZ), die EU werde nicht umhin kommen, auch politische Konsequenzen aus dem Urteil zu ziehen. Ein Wiederbeleben des Atomabkommens mit dem Iran werde durch das Urteil sehr unwahrscheinlich.
IStGH/Uganda – LRA-Kommandeur: Der Internationale Strafgerichtshof hat einen Ex-Kommandeur der ugandischen Lord Resistance Army (LRA) wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt. Ihm droht nun eine lebenslange Haftstrafe. Er war selbst als Kind von der Miliz LRA entführt worden und später zum Kommandeur aufgestiegen. Es berichten taz (Ilona Eveleens) und LTO.
USA – Monsanto-Vergleich: Die Bayer AG hat sich laut Hbl (Bert Fröndhoff/Katharina Kort) in Bezug auf Glyphosat-Klagen außergerichtlich mit Anwälten der Kläger darüber geeinigt, wie mit zukünftigen Klagen in den nächsten Jahren umgegangen werden soll. Demnach sollen aus einem Fonds Kompensationszahlungen an klagewillige Krebserkrankte geleistet werden. Im Gegenzug verzichten diese auf eine Klage. Zudem soll ein wissenschaftliches Gremium die von Glyphosat ausgehende Krebsgefahr beurteilen. Ein Bezirksrichter muss nun entscheiden, ob die Einigung umgesetzt werden kann.
USA – Supreme Court zu Welfenschatz: Der Supreme Court der USA hat entschieden, dass US-Gerichte nicht zuständig sind, um über Forderungen von Nachfahren jüdischer Kunsthändler nach der Herausgabe eines Teils des sogenannten Welfenschatzes zu entscheiden. Der gegen die Stiftung Preußischer Kulturbesitz geführte Rechtsstreit sei eine innerdeutsche Angelegenheit. Es berichten FAZ (Patrick Bahners), SZ (Sonja Zekri) sowie ausführlich der Rechtsanwalt Hannes Hartung in einem Beitrag für die Welt.
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Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/jng
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Die juristische Presseschau vom 5. Februar 2021: . In: Legal Tribune Online, 05.02.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/44199 (abgerufen am: 11.11.2024 )
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