Die juristische Presseschau vom 10. Oktober 2018: Fahr­ver­bote in Berlin / Beru­fung zu Ham­ba­cher Forst / Uli Hoeneß vor Gericht

10.10.2018

Auch in der Hauptstadt sind Fahrverbote für Diesel-Autos wahrscheinlich. Außerdem in der Presseschau: Das OVG NRW lässt Berufung zu einem Hambacher Forst-Urteil für Umweltverband zu und Uli Hoeneß steht wieder vor Gericht, nun als Zeuge.

Thema des Tages

VG Berlin zu Fahrverboten: Das Verwaltungsgericht Berlin hat dem Land aufgegeben, bis zum kommenden März einen Luftreinhalteplan aufzustellen, der auch Fahrverbote für bestimmte Diesel-Modelle beinhaltet. Diese Verbote müssten "zwingend" an den im Einzelnen genau benannten Straßenabschnitten gelten, wo sich Stickstoffdioxid-Grenzwerte nicht anders einhalten lassen, so die SZ (Michael Bauchmüller) über die Entscheidung, nach der Sonderregeln für Anwohner und Handwerker nötig seien. Das von der klagenden Deutschen Umwelthilfe ursprünglich verfolgte Totalverbot für Dieselautos in der gesamten Umweltzone sei dagegen nicht erforderlich. Weitere Berichte zur Entscheidung bringen u.a. FAZ (Hendrik Wieduwilt/Martina Gropp), lto.de und das Hbl (Silke Kersting).

Die SZ (Wolfgang Janisch) diskutiert Gründe, warum Entscheidungen zum gleichen Thema bei verschiedenen Verwaltungsgerichten bislang unterschiedlich ausfielen. spiegel.de (Nils-Viktor Sorge) fasst in einer "Chronologie des Scheiterns" die Entwicklungen seit dem vor einer Woche von der Bundesregierung verkündeten Diesel-Kompromiss dar.

In einem Kommentar bedauert Hendrik Wieduwilt (FAZ), dass sich "das strauchelnde Projekt Europa auf diese Weise immer wieder durch verkopfte, wirtschaftsfeindliche Regeln hervortut". Matthias Breitinger (zeit.de) beschreibt Fahrverbote als "nicht mehr als Symbolpolitik". An der bestehenden Luftbelastung könnten die Beschränkungen realistischerweise nichts ändern, eine effektive Kontrolle der Verbote sei auch kaum denkbar. Erforderlich sei eine Verkehrspolitik, die anerkennt, dass in "Innenstädten mit ihrem begrenzten Platz" das Automobil eben "nicht der optimale Verkehrsträger" ist.

Rechtspolitik

Flüchtlinge: Ausgehend von den katastrophalen Zuständen in einem Flüchtlingscamp auf einer griechischen Insel plädiert Rechtsanwalt Cord Brügmann in einem Gastbeitrag für den FAZ-Einspruch dafür, Asylbewerbern unabhängigen Rechtsrat zur Verfügung zu stellen. Entsprechende Erfahrungen aus den Niederlanden, deren Regierung in den Rechtsstaat investiere, belegten, dass Asylverfahren mit anwaltlicher Begleitung schneller abgeschlossen werden.

International Commercial Court: Auf einer Expertentagung in Hamburg wurden Chancen und mögliche Probleme eines deutschen International Commercial Courts erörtert. Rechtsanwalt Richard Happ und Friedrich-Joachim Mehmel, Präsident des Hamburgischen Verfassungs- und Oberverwaltungsgerichtes, stellen als Organisatoren der Tagung in einem Gastbeitrag für den FAZ-Einspruch die herausragenden Aspekte einer englischsprachigen, internationalen Handelsgerichtsbarkeit in Deutschland vor.

PolG NRW: Nach Kritik von Experten hat die nordrhein-westfälische Landesregierung die beabsichtigte Verschärfung des Polizeigesetzes zurückgenommen, medet die SZ (Christian Wernicke). U.a. solle die "drohende Gefahr" als Voraussetzung des Tätigwerdens von Polizisten durch einen präzisen Katalog von Straftaten ersetzt werden.

Grüne und Innere Sicherheit: Die FAZ (Helene Bubrowski) schreibt über die Sicherheitspolitik der Grünen, die in mittlerweile drei Bundesländern die Ministerien für Justiz leiten. Auch wenn man in der Grünen Partei zuweilen mit Begriff und Inhalt der Inneren Sicherheit hadere, gelänge es zusehends, in diesem Bereich als Wahrer des Rechtsstaates aufzutreten.

Justiz

EuGH-Präsident: Der Belgier Koen Lenaerts ist von seinen Richterkollegen am Europäischen Gerichtshof erneut zum Präsidenten gewählt worden. Den "überzeugten Europäer" sowie das Wahlverfahren stellt lto.de (Hasso Suliak) vor.

EuG – Google: Gegen die im Juli von der EU-Kommission verhängte Kartellstrafe von 4,3 Milliarden Euro hat der Internetkonzern Google Widerspruch beim Gericht der Europäischen Union eingelegt. Dies meldet spiegel.de.

BGH – Uber: Am morgigen Donnerstag entscheidet der Bundesgerichtshof über die Klage eines Berliner Taxiunternehmens, das vom Fahrdienst Uber die Einstellung des Dienstes "Uber Black" wegen eines Verstoßes gegen das Personenbeförderungsgesetz verlangt. Die Klägerin könne sich nun auch auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs stützen, der in Uber keinen Infomations-, sondern einen Verkehrsdienstleister erkannte, schreibt der FAZ-Einspruch (Hendrik Wieduwilt). Gleichwohl stelle sich die Frage, ob der Schutz des herkömmlichen Taxigewerbes noch zeitgemäß sei.

BGH zu Scheinselbständigkeit: Rechtsprofessor Gregor Thüsing und Rechtsanwältin Barbara Livonius besprechen im Recht und Steuern-Teil der FAZ ein Strafurteil des Bundesgerichtshofs zur Scheinselbständigkeit. Im Januar hatte der BGH in Aussicht gestellt, seine bislang strenge Haltung bei Fehlvorstellungen über die Arbeitgeberstellung aufgeben zu wollen. Dies beende dogmatisch folgerichtig die Ungleichbehandlung von Arbeitgebern und Lohnsteuerpflichtigen.

BGH – Abgas-Skandal: Für den 9. Januar 2019 hat der Bundesgerichtshof die mündliche Verhandlung zu etwaigen Gewährleistungsansprüchen eines vom Abgas-Skandal betroffenen Autofahrers terminiert. Damit besteht die Möglichkeit eines Grundsatzurteils, meldet lto.de.

BAG zu EGVP: community.beck (Christian Rolfs) macht auf eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts von Mitte August zur elektronischen Übermittlung von Schriftsätzen aufmerksam. Nach dem Beschluss entspricht die seit Beginn dieses Jahres mögliche Einreichung einer Nichtzulassungsbeschwerde über das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) nur dann der gesetzlichen Form, wenn die qualifizierte elektronische Signatur an jedem einzelnen Dokument des Schriftsatzes angebracht ist. Der Autor betont, dass die Entscheidung für alle Instanzen und dort für alle vorbereitenden Schriftsätze relevant sei.

OVG NRW zu Hambacher Forst-Berufung: In der juristischen Auseinandersetzung um Kohleförderung im Hambacher Forst hat das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen nach Informationen der FAZ (Reiner Burger) die Berufung gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts Köln zugelassen. In diesem Urteil wurde im vergangenen November die vom Umweltverband BUND beantragte Aufhebung des Tagebau-Rahmenbetriebsplans für die Jahre 2020-2030 abgewiesen. Im Leitartikel erinnert Reinhard Müller (FAZ) daran, dass Rechtsstaat und Demokratie "nicht deckungsgleich" seien. "Ähnlich wie die Demokratie" könne aber auch der Rechtsstaat "an sich selbst zugrunde gehen", so durch "eine Dichte subjektiver Interessen, Rechte und Klagemöglichkeiten", "bei der das Gemeinwohl den Bach hinuntergehen kann". Das Klagerecht für Umweltverbände habe gute Gründe, die dahinter stehende Lobby führe einen "legitimen Kampf, solange er im Rahmen des Rechtsstaat ausgefochten wird".

OLG Frankfurt/M. zu "Kannibalen von Rotenburg": Für Jost Müller-Neuhof (Tsp) ist der Fall Armin M., dem "Kannibalen von Rotenburg", dem das Oberlandesgericht Frankfurt/M. jüngst die beantragte Strafaussetzung auf Bewährung verwehrte, auch ein Beleg für die Gefahren der Digitalisierung. Hätte M. im "anonymen Netz" nicht Gleichgesinnte für seine abseitigen Neigungen gefunden, befände er sich heute aller Wahrscheinlichkeit nach in Freiheit.

OVG Rheinland-Pfalz zu Unterhaltsvorschuss: Die Inanspruchahme eines Unterhaltsvorschusses für Kinder setzt eine Mitwirkung der Mutter bei der Ermittlung des Vaters voraus. In einem vom Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in Koblenz und von lto.de gemeldeten Fall hatte die Mutter eben dies unterlassen. Ihre Argumentation, sie sei "überzeugte Single" und könne sich an den Vater ihrer Zwillinge infolge einer karnevalsbedingten Alkoholisierung während der Empfängnis nicht erinnern, hielt das OVG für nicht überzeugend. Die Nachforschungen hätten vielmehr zugunsten der Kinder erfolgen müssen.

LG Augsburg – Uli Hoeneß-Fotos: Die FAZ (Karin Truscheit) berichet über einen neuerlichen Auftritt des FC Bayern-Präsidenten Uli Hoeneß vor Gericht. Als Zeuge in einem Berufungsverfahren am Landgericht Augsburg gegen einen früheren Mithäftling, der im Gefängnis Fotos vom Manager gemacht haben soll, habe Hoeneß zugunsten des Angeklagten ausgesagt. Dieser sei von Journalisten ausgenutzt worden. Seinen Strafantrag gegen den Angeklagten habe Hoeneß gleichwohl nicht zurückziehen wollen.

LG Flensburg – Eifersuchtsmord: Am Landgericht Flensburg ist der aus Afghanistan stammende Ahmad S. wegen Mordes seiner früheren Freundin angeklagt. Die Betreuer des Angeklagten und der Geschädigten hätten dem Gericht jeweils unterschiedliche Darstellungen der beiden Persönlichkeiten gegeben, berichtet spiegel.de (Wiebke Ramm).

StA Berlin – Canan Bayram: Aller Voraussicht nach wird der zuständige Bundestagsausschuss die Immunität der Abgeordneten Canan Bayram (Grüne) auf Antrag der Berliner Staatsanwaltschaft aufheben. Die Anklagebehörde wirft der Politikerin einen Verstoß gegen das Versammlungsgesetz vor. Hierbei geht es um die Beteiligung an der Blockade eines AfD-inspirierten "Frauenmarsches" im Februar dieses Jahres, so die taz (Konrad Litschko).

StA Kleve – Polizeifehler: Die Welt (Kristian Frigelj) widmet dem Fall des in Gewahrsam verstorbenen Syrers Amad A., der offenbar nur aufgrund einer polizeilichen Verwechslung hinter Gittern saß, eine Reportage. Der Anwalt, der den Verstorbenen in dessen Asylverfahren vertrat, behauptet zudem, dass A. wegen gesundheitlicher Probleme "eindeutig haftunfähig" gewesen sei.

Kanzlei-Umsätze: Das britische Fachmagazin "The Lawyer" listet jährlich die global 50 größten Prozesskanzleien, gemessen am jeweiligen Umsatz. Der FAZ-Einspruch (Marcus Jung) hat die Liste gelesen und beschreibt Trends.

Recht in der Welt

Österreich – Üble Nachrede: Wegen übler Nachrede ist eine österreichische Politikerin zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Die Frau hatte über Twitter vor einem Lokalbetreiber, den sie als Urheber sexistischer Facebook-Nachrichten ausgemacht hatte, gewarnt. Sie konnte aber nicht beweisen, dass dieser die Messenger-Nachrichten persönlich geschrieben hatte. taz (Ralf Leonhard) und SZ (Peter Münch) berichten.

Niederlande – Klimawandel: Der niederländische Staat muss mehr gegen den Kilmawandel unternehmen und hierbei insbesondere den Ausstoß von Treihausgasen reduzieren. Dies entschied nach Berichten von lto.de und FAZ (Klaus Max Smolka) ein Zivilgericht in Den Haag. Die unterlegene Regierung prüfe die Einlegung einer Revision.

USA – Supreme Court: Nach der Ernennung Brett Kavanaughs zum Richter am Obersten Gericht der USA wirft lto.de (Maximilian Amos) einen vertieften Blick auf die Auswirkungen. Allgemein werde eine konservativere Positionierung des Gerichts erwartet, zu der die Demokratische Partei nach Antworten suche. Die SZ (Hubert Wetzel) beschreibt die Auswirkungen der Ernennung auf die im November anstehende Kongresswahl.

Sonstiges

Google Plus: Nach Bekanntwerden einer großen Daten-Sicherheitspanne hat der Internetkonzern Google angekündigt, sein soziales Netzwerk Google Plus im kommenden Jahr für private Nutzer sperren zu wollen. Dies meldet u.a. das Hbl (Britta Weddeling). In einem Kommentar spricht sich Ingo Dachwitz (netzpolitik.org) für Ehrlichkeit aus: "Den Datenkapitalismus gibt es nicht ohne Risiko." Die mehr oder weniger freiwillige Überlassung persönlicher Daten erfolge jedoch unter der Annahme, dass die gespeicherten Daten sicher seinen.

Insolvenzrecht: Dem Hbl (Heike Anger) liegt ein für die Bundesregierung erstellter Evaluierungsbericht zur Insolvenzrechtsreform von 2011 vor. Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) erkenne in diesem ein gutes Funktionieren des Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen. Die wissenschaftliche Grundlage des Berichts sei aber deutlich kritischer und bemängele etwa, dass das "Stigma der Insolvenz" nur leicht abgeschwächt sei.

Selbstzerstörung: "Girl with balloon", ein Bild des britischen Künstlers Banksy, hat sich nach seiner Versteigerung im Auktionshaus Sothebys mittels eines im Rahmen eingebauten Mechanismus selbst geschreddert. Der FAZ-Einspruch (Corinna Budras) prüft Gewährleistungsrechte des Käufers nach deutschem Recht und mutmaßt, dass der "nach absurden Regeln" funktionierende Kunstmarkt tatsächlich zu einer Wertsteigerung des nun zerstörten Kunstwerks geführt habe.

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lto/mpi

(Hinweis für Journalisten)

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Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 10. Oktober 2018: . In: Legal Tribune Online, 10.10.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/30047 (abgerufen am: 23.11.2024 )

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