Die juristische Presseschau vom 26. Mai 2021: Franco A. sagte aus / Bot­schaft vom ent­führten Blogger / Mord auf Ost­see­fähre

26.05.2021

Im Verfahren gegen Franco A. ergriff der Angeklagte das Wort und gab sich als besorgter Bürger. In Belarus meldet sich der Blogger Protasewitsch zu Wort und in Finnland wird versucht, einen fast 34 Jahre zurückliegenden Mord aufzuklären. 

Thema des Tages

OLG Frankfurt/M. – Franco A.: Im Verfahren gegen den wegen "Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat" angeklagten Offizier Franco A. hat der Angeklagte am Oberlandesgericht Frankfurt/M. eingeräumt, durch seine Rolle als syrischer Asylbewerber geltendes Recht missachtet zu haben. Obgleich ihm dies leid tue, habe sein Doppelleben dem Aufdecken politischer Missstände gedient, für die er Entscheidungen der Bundesregierung und speziell der Bundeskanzlerin verantwortlich machte. Angaben zu seinem Lebenslauf verweigerte Franco A. hingegen ebenso wie solche zum eigentlichen Tatvorwurf. Der Vorsitzende Richter konstatierte am Verhandlungsende, dass die Einlassung weniger umfangreich als gedacht gewesen sei und stellte eine "sehr lange Hauptverhandlung" in Aussicht. Es berichten SZ (Annette Ramelsberger), FAZ (Julian Staib), spiegel.de (Julia Jüttner), taz (Sebastian Erb) und Welt (Hannelore Crolly).

Rechtspolitik

Datentreuhänder: Am Freitag stimmt der Bundesrat über das am 20. Mai im Bundestag beschlossene "Telekommunikation-Telemedien-Datenschutzgesetz" (TTDSG) ab. Nach der im Recht und Steuern-Teil der FAZ wiedergegebenen Einschätzung von Rechtsprofessor Rolf Schwartmann und Verwaltungsrichterin Kristin Benedikt vermögen es die neuen Regelungen zwar nicht, "Werbecookies und die lästigen Banner" abzuschaffen, deren Wegklicken "faktisch kein Ausdruck einer informierten Einwilligung" ist. Allerdings stellten die vorgesehenen anerkannten Dienste zur Einwilligungsverwaltung, die als Datentreuhänder neutrale Mittler gegenüber Anbietern seien, "ein Modell für Datensouveränität made in Germany" dar.

Glücksspiel: Nach der Ratifizierung des im letzten Jahr beschlossenen Glücksspielstaatsvertrages beginnt im Juli "eine neue Ära im Glücksspielrecht", schreiben die Rechtsanwälte Michael Stulz-Herrnstadt und Stefan Engels im Recht und Steuern-Teil der FAZ. Nun stehe nicht mehr die "größtmögliche Eindämmung" des "natürlichen Spieltriebs" im Vordergrund, die weitreichende Liberalisierung diene vielmehr dessen Überwachung und Regulierung. Dass hierbei aber staatliche Lotterien anderen Beschränkungen unterworfen werden als private Angebote, werfe verfassungs- und unionsrechtliche Fragen auf.

Corona – Datenschutz/Impfpass: Gegenüber dem Hbl (Heike Anger/Dietmar Neuerer) setzt sich Ulrich Kelber, Bundesbeauftragter für den Datenschutz, gegen den Eindruck zur Wehr, datenschutzrechtliche Belange behinderten die effektive Bekämpfung des Coronavirus. Kelber spricht in dem Interview außerdem über die Erwartungen seiner Behörden an einen digitalen Impfnachweis sowie die Aussichten für eine Datenschutzvereinbarung zwischen der EU und den USA nach dem Ende von "Privacy Shield".

Corona – Rechte von Genesenen: Aktuell beschlossene oder erst geplante Corona-Lockerungen für Genesene setzen für den Nachweis einer überstandenen Infektion einen positiven PCR-Test voraus, schreibt die Welt (Thomas Vitzthum). Dies schließe zahlreiche Betroffene aus, Änderungen seien aber gegenwärtig weder im Gesundheits- noch im Justizministerium geplant.

Justiz

BVerfG zu Klimaschutz: Rechtsprofessor Christian Calliess setzt auf dem Verfassungsblog die rechtsdogmatische Diskussion über den Klimabeschluss des Bundesverfassungsgerichts fort. Wenngleich die Entscheidung im Ergebnis "überzeugend" sei, blieben andere Fragen offen. So habe das Gericht die Möglichkeit besessen, mittels seiner sog. Elfes-Rechtsprechung die Staatszielbestimmung von Art. 20a Grundgesetz zu "versubjektivieren", diese Konstruktion aber durch die Feststellung, dass Art. 20a GG nicht verletzt sei, nicht genutzt. "Perspektiven" eröffne der Beschluss etwa bezüglich des im Fall zwar nicht zur Anwendung gebrachten, grundsätzlich aber anerkannten "Grundrechts auf das ökologische Existenzminimum".

BVerfG zu Bundesnotbremse/Kultur: Als Teil zahlreicher Entscheidungen zu Corona-Beschränkungen aufgrund der sogenannten Bundesnotbremse hat das Bundesverfassungsgericht in der vergangenen Woche auch eine Verfassungsbeschwerde der Initiative "Aufstehen für die Kunst" wegen Darlegungsmängeln nicht zur Entscheidung angenommen, wie nun auch die FAZ (Jan Brachmann) im Feuilleton berichtet. Der frühere wissenschaftliche Mitarbeiter Jakob Hohnerlein hält im Verfassungsblog den Beschluss für "eine verpasste Chance", der grundrechtlich geschützten Kunstfreiheit Gewicht zu verschaffen. Mit überspannten Substantiierungsanforderungen habe das Gericht den "Beschwerdeführer:innen … aufgebürdet, die völlige Ungefährlichkeit ihrer Freiheitsausübung zu beweisen".

LVerfG S-A zu Corona-Testpflicht an Schulen: Am vergangenen Freitag hat das Landesverfassungsgericht Sachsen-Anhalt einen von Landtagsabgeordneten eingelegten Normenkontrollantrag gegen die in der Corona-Schutzverordnung des Landes enthaltene Testpflicht von Schülern als Voraussetzung für den Zutritt zum Schulgelände verworfen. Ein Grundrechtseingriff liege nicht vor, weil Testverweigerer auch außerhalb des Präsenzunterricht am schulischen Bildungsangebot teilhaben könnten, so beck-aktuell über den Beschluss. Auch bei Annahme eines Eingriffs bestünde aufgrund des Infektionsschutzes eine verfassungsmäßige Rechtfertigung.

BGH zu Testsiegel-Werbung: Wie schon die Vorinstanzen hat auch der Bundesgerichtshof in einem nun veröffentlichten Urteil von Mitte April entschieden, dass bei der Werbung für ein Produkt mit einem Testsiegel der Stiftung Warentest die Quelle deutlich erkennbar angegeben sein muss. Für die erforderliche "informierte geschäftliche Entscheidung" von Verbraucher:innen sei es notwendig, anzugeben, wo die Testergebnisse nachgelesen werden können, so LTO.

BGH zu Verbraucherschutz: Der SWR-RadioReportRecht (Klaus Hempel u.a.) stellt die jüngste Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Unzulässigkeit der von Banken gepflegten Praxis, AGB-Änderungen auch durch die sogenannte fiktive Zustimmung ihrer Kunden durchzusetzen, in ihren Auswirkungen für Verbraucher vor. Daneben werden auch weitere verbraucherrelevante Entscheidungen wie jene zur Bestpreisklausel von booking.com oder dem Widerrufsrecht bei Partnervermittlungsverträgen besprochen.

BFH – Doppelbesteuerung von Renten: Vor den für den nächsten Montag geplanten Entscheidungen des Bundesfinanzhofs zur vermeintlichen Doppelbesteuerung von Renten fasst spiegel.de (Florian Diekmann) die strittigen rentenrechtlichen Fragen ausführlich zusammen.

Nebentätigkeiten von Bundesrichtern: Eine von spiegel.de berichtete Recherche zu den Einkünften von Bundesrichtern aus Nebentätigkeiten hat eine Spitzenposition von Richtern des Bundesfinanzhofs ergeben. Während diese durch Vorträge und Aufsätze im Durchschnitt knapp 27.000 Euro hinzuverdienten, habe der oder die unbenannt gebliebene, absolute Spitzenverdiener bzw. -verdienerin in den beiden vergangenen Jahren gute 100.000 Euro zusätzlich eingenommen.

Recht in der Welt

Belarus – entführter Blogger: Der am Wochenende in Belarus festgenommene Blogger Roman Protasewitsch hat in einer kurzen Videobotschaft mitgeteilt, mit ihm werde "maximal korrekt und nach dem Gesetz" umgegangen. Sein eigener, in Polen lebender Vater vermutete nach Anblick des Auftritts, dass die Nase seines Sohnes gebrochen sei, schreibt die FAZ (Friedrich Schmidt), die auch an den Umgang mit anderen Regimekritikern in Belarus erinnert. Hierauf geht auch die Welt (Pavel Lokshin) ein und erinnert daran, dass in Belarus als einzigem Land Europas die Todesstrafe auch vollstreckt wird.

Reinhard Veser (FAZ) meint im Leitartikel, dass der durch die Flugzeugentführung zutage getretene "Systemkonflikt zwischen Demokratie und Autoritarismus" eine weitere Mahnung für die EU sei, "mit Hochdruck an der Verteidigung ihrer eigenen Integrität zu arbeiten". Beim Versuch, mit den politischen Entwicklungen im Osten Europas Schritt zu halten, sei "zu lange versäumt" worden, "Gegensätze zu benennen und daraus Schlüsse für eine aktive und nicht nur reagierende Politik zu ziehen."

Finnland – Mord auf Ostseefähre: Im finnischen Turku hat der Prozess zur Tötung eines deutschen Rucksacktouristen auf der Ostseefähre "Viking Sally" im Jahr 1987 begonnen. Zum Auftakt stellte das Gericht fest, dass ein Geständnis des dänischen Angeklagten, das dieser während eines in anderer Sache verbüßten Gefängnisaufenthaltes abgegeben hatte, nun nicht verwertet werden darf. Hierüber berichtet die SZ (Kai Strittmatter). Am zweiten Verhandlungstag ließ sich der Angeklagte ausführlich zu seinem persönlichen Werdegang ein. Seine Erinnerungen an den fast 34 Jahren zurückliegenden Tattag seien dagegen bruchstückhaft, so spiegel.de (Ricarda Richter).

EGMR – Geheimdienstüberwachung: Die von Edward Snowden aufgedeckte Massenüberwachung des britischen Geheimdienstes GCHQ verletzt nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte sowohl das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) als auch die Freiheit der Meinungsäußerung nach Art. 10 EMRK. Das Gericht bemängelte vor allem das Fehlen einer unabhängigen Institution zur Autorisierung der Überwachung. Die Praxis der Massenüberwachung würde hingegen durch das Urteil nicht beendet, so das Resümee von Constanze Kurz (netzpolitik.org), die am Verfahren als Beschwerdeführerin beteiligt war.

EuGH – Frontex: Im Namen einer Frau aus Burundi und eines Jungen aus der Demokratischen Republik Kongo hat die Menschenrechtsorganisation Front-Lex beim Europäischen Gerichtshof Klage gegen die EU-Grenzschutzbehörde Frontex erhoben. Wie zeit.de schreibt, seien die Kläger nach ihrer Behauptung durch sogenannte Push-Backs an der Wahrnehmung ihrer Rechte gehindert worden.

Niederlande – Shell und Klima: In Den Haag/Niederlande wird heute die Klage eines Umweltaktivisten entschieden, der vom Ölkonzern Shell verlangt, seinen CO2-Ausstoß bis zum Jahr 2030 um fast die Hälfte zu senken. In ihrem Bericht nennt die SZ (Thomas Kirchner) auch andere Beispiele sogenannter Klimajustiz.

Großbritannien – Verleumdungsklagen: Die FAZ (Jochen Buchsteiner) beschreibt, wie sich Oligarchen vorwiegend russischer Herkunft des britischen Rechtssystems bedienen, um unliebsame Veröffentlichungen über ihre Unternehmungen zu behindern. Oftmals auch nur in der Erwartung, "die Gegenseite zu zermürben und den Preis für Kritik in die Höhe zu treiben", bedienten sich die Kläger mithilfe der "Londoner Anwaltsindustrie" und angeschlossener PR-Berater eines Rechtsschutzes "wie nirgendwo sonst in der demokratischen Welt" und bedrohten so auch die Pressefreiheit.

Sonstiges

DSGVO: Vor drei Jahren trat die Datenschutzgrundverordnung der EU in Kraft. Die Datenschutzaktivistin Estelle Masse fordert auf netzpolitik.org aus diesem Anlass, das Regelwerk durch "einige langweilig schlichte strukturelle und prozedurale Klarstellungen" zu ergänzen. Es fehlten etwa "klare Fristen" beim Umgang mit Beschwerden oder Bestimmungen zum internen Austausch der zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten.

Pitch: Mandate von Unternehmen gewinnen Kanzleien oftmals in sogenannten Pitches der Mandanten. Tipps und Tricks, diese Schaulaufen erfolgreich zu gestalten, verrät PR-Beraterin Barbara Helten auf LTO.

Das Letzte zum Schluss

Alles Käse: Zur sprichwörtlichen britischen Exzentrik gehört neben fragwürdigen modischen Vorstellungen auch eine ausgeprägte Vorliebe für Käse. spiegel.de berichtet, dass eben dieser Hang einem Großdealer zum Verhängnis wurde. Der Betreffende hatte in einem Encrochat-Forum das Bild einer Packung der von ihm bevorzugten Sorte "Mature Blue Stilton" gepostet. Nachdem der Chat von Ermittlern gehackt wurde, führten die so entzifferbaren Fingerabdrücke schließlich zu seiner Festnahme.

 

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lto/mpi

(Hinweis für Journalisten)

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Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 26. Mai 2021: . In: Legal Tribune Online, 26.05.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/45045 (abgerufen am: 25.11.2024 )

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