Bundestag stimmt nun über die Ergänzung des IfSG ab. In den USA wird Derek Chauvin wegen der Tötung George Floyds verurteilt. Ob Sanktionen der Fußballverbände eine Super League stoppen könnten, ist nach einem alten EuG-Urteil zweifelhaft.
Thema des Tages
Corona – Infektionsschutzgesetz: An diesem Mittwoch will der Bundestag die geplante Bundes-Notbremse als neuen § 28b ins Infektionsschutzgesetz (IfSG) aufnehmen. Eine ausführliche Übersicht zu den Regelungsinhalten und der gegen sie vorgebrachten Kritik bringt deutschlandfunk.de (Gudula Geuther). Die Welt (Ricarda Breyton) macht auf einen Notfallmechanismus innerhalb der zur Abstimmung stehenden Neuregelungen aufmerksam. In einem Absatz 6 des geplanten § 28b IfSG solle die Bundesregierung ermächtigt werden, bei einem Inzidenzwert von mehr als 100 und mit Zustimmung von Bundestag und Bundesrat "zusätzliche Gebote und Verbote" erlassen zu dürfen.
Das Hbl (Jürgen Klöckner/Florian Kolf) berichtet über die Absicht einer Unternehmer-Initiative, gegen die im Rahmen der Bundes-Notbremse vorgesehenen Geschäftsschließungen eine Verfassungsbeschwerde zu erheben. Die beteiligten Unternehmen beriefen sich auf eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung verschiedener Branchen. Es sei nicht erkennbar, nach welchem Maßstab die Systemrelevanz von Händlern bestimmt werde. Juristen der Initiative würden nun eine zentrale Datenbank aufsetzen, "in der alle Rechtsgrundlagen, bisherigen Urteile und Gutachten" aufgenommen würden. Daneben bereite die Gesellschaft für Freiheitsrechte eine gegen die geplante nächtliche Ausgangssperre gerichtete Verfassungsbeschwerde vor. Hierüber berichtet auch spiegel.de. In einem weiteren Beitrag fasst das Hbl (Heike Anger/Dietmar Neuerer) bisherige verwaltungsgerichtliche Entscheidungen zur Rechtmäßigkeit von Ausgangssperren zusammen. Eine einheitliche Tendenz sei nicht erkennbar. Dies habe den Verfassungsrechtler Franz C. Mayer zur Einschätzung veranlasst, dass das herkömmliche Prüfschema zur Verhältnismäßigkeit "nicht trage". Die Entscheidung müsse daher beim demokratisch legitimierten Gesetzgeber verbleiben.
Reinhard Müller (FAZ) zeigt sich im Leitartikel irritiert darüber, dass trotz zahlreicher "Möglichkeiten und Instrumente" der Inzidenzwert als "alleiniger Maßstab für das Runter-, Hoch- und wieder Runterfahren des sozialen und wirtschaftlichen Lebens" gelte. In einem Gastbeitrag für den FAZ-Einspruch beschreibt Rechtsprofessor Uwe Volkmann die Einführung der Bundes-Notbremse als "Travestie" eines parlamentarischen Verfahrens. Die Beibehaltung der "äußeren Elemente bei gleichzeitiger Entleerung des Inhalts" beginne bei der Einleitung. Obwohl die Zuleitung an den Bundesrat im Falle von Vorlagen der Regierung zwingend erforderlich sei, sei die Einbringung durch die Fraktionen der Koalition vorgetäuscht worden. Die nun erreichten kleinteiligen Regelungen verletzten die Wesentlichkeitstheorie, nach der sich das Parlament auf die Regelung des Wesentlichen zu beschränken habe. Die Regelung grundsätzlicher Fragen wie der Umgang mit Geimpften bleibe dagegen offen. Schließlich schränke die "als Gesetz kostümierte" Polizeiverfügung auch noch Rechtsschutzmöglichkeiten ein. Damit verspielten die Regelungen ihr "legitimierendes Potential".
Rechtspolitik
Corona – Tests im Unternehmen: Seit dem gestrigen Dienstag sind Unternehmen verpflichtet, Mitarbeitern mindestens einen Corona-Test pro Woche anzubieten. Nach Bericht der FAZ (Dietrich Creutzburg) plant das Bundesarbeitsministerium, diese Verpflichtung auf zwei Tests pro Woche anzuheben. Weil die Änderung als Verordnung erlassen werden soll, wäre die Zustimmung der Unionsfraktion im Bundestag entbehrlich.
Meinungsfreiheit und Hasskriminalität: In einem Interview mit der FAZ (Julia Anton) gibt Anna-Lena von Hodenberg als Geschäftsführerin der Betroffenenorganisation HateAid eine zwiespältige Einschätzung zum Gesetz gegen Hasskriminalität wieder, das Anfang des Monats in Kraft getreten ist. In der Diskussion über den geplanten EU-Digital Services Act fordert sie Rechte für Nutzer:innen, die bedenkliche Inhalte melden. Auf einer Online-Veranstaltung der Justizpressekonferenz legte derweil ein hessischer Staatsanwalt dar, dass die im Gesetz vorgesehene Meldepflicht strafbarer hetzerischer Beiträge solange von der Kooperationsbereitschaft der betroffenen Plattformen abhänge, wie es keine Vorratsdatenspeicherung für IP-Adressen gebe, berichtet die SZ (Wolfgang Janisch). Auf dem Verfassungsblog plädieren Rechtsprofessorin Nora Markard und Eva Maria Bredler, Wissenschaftliche Mitarbeiterin, dafür, bei der "Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und würdebasiertem Persönlichkeitsrecht" in anstehenden Strafverfahren auch das verfassungsrechtliche Gleichheitsprinzip einzubeziehen.
Mietendeckel: In einem Gastbeitrag für den Recht und Steuern-Teil der FAZ räumt Rechtsanwalt Kai-Uwe Opper einem bundesweiten Mietendeckel nur geringe Erfolgschancen ein. In der Mietpreisbremsen-Entscheidung von 2019 habe das Bundesverfassungsgericht gesetzgeberischen Eingriffen in die Mietpreisgestaltung Grenzen gezogen. Ein "Bundes-Deckel" würde die Mietpreisgestaltung letztlich von der Marktrealität entfernen und sei daher als "Symbolpolitik" abzulehnen.
Kryptowährungen: Nach Bericht der FAZ (Franz Nestler) plant die Bundesregierung, im Rahmen einer "Kryptowertetransferverordnung" die strengen Geldwäsche-Vorgaben auch auf Digitalwerte über 1.000 Euro auszuweiten. Bei Transaktionen über diesem Wert müssten damit wesentliche Kundeninformationen offengelegt werden. Bei der Besteuerung solle es hingegen bei der bisherigen Praxis bleiben. Ab einer Haltedauer von 12 Monaten sollen Kryptowährungen steuerfrei sein.
Justiz
EGMR zu Impfpflicht: Universitätsassistentin Theresa M. Weiskopf legt auf JuWissBlog dar, dass die jüngste Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zur Zulässigkeit einer Impfpflicht tschechischer Kinder Modell stehen könnte für eine Impfpflicht gegen Covid-19. Aus rechtlicher Sicht sei diese "unbedenklicher, als man auf den ersten Blick annehmen könnte".
BVerfG zu Mietendeckel Berlin: Rechtsreferendar Jakob Horn legt in einem Gastbeitrag für den FAZ-Einspruch ausführlich dar, wie Berliner Mieter, die nach den Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts zum Mietendeckel von Nachzahlungsforderungen betroffen sind, eine denkbare Kündigung umgehen können.
BGH zu Fristversäumnis: Fällt der eigene Anwalt am letzten Tag einer bereits verlängerten Schriftsatzfrist krankheitsbedingt aus, rechtfertigt dies nach einem von beck-aktuell (Guido Touissaint) berichteten Beschluss des Bundesgerichtshofs aus dem Februar noch keine Wiedereinsetzung. Zusätzlich müsse glaubhaft gemacht werden, dass weder kurzfristig ein Vertreter bestellt werden noch ein weiterer Verlängerungsantrag gestellt werden konnte.
LAG Nds zu VW-Entwickler und Dieselskandal: Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen hat die vom VW-Konzern eingelegte Berufung gegen die erfolgreiche Kündigungsschutzklage des Leiters der Hauptabteilung "Entwicklung Aggregate Diesel" verworfen. Die FAZ (Carsten Germis/Marcus Jung) schreibt, dass das Gericht auch keine Grundlage für den von VW geforderten Schadensersatz ausmachen konnte. Der Kläger habe im Rahmen seiner Tätigkeit keine arbeitsvertragliche Pflicht zur Einschaltung der Compliance-Abteilung verletzt. Nach dem Kommentar von Marcus Jung (FAZ) verfestige sich somit der Eindruck, dass die im Zuge der Diesel-Affäre erfolgten Kündigungen zuvörderst der Legende dienen sollten, die aufgedeckten Manipulationen seien das Werk einiger weniger "Sündenböcke".
LG Bremen zu BAMF-Skandal: Das Strafverfahren gegen die frühere Leiterin der Bremer Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge ist gegen Zahlung von 10.000 Euro vom Landgericht Bremen gemäß § 153a Strafprozessordnung (StPO) eingestellt worden. Die Beteiligten seien sich auch hinsichtlich des mitangeklagten Anwalts Irfan C. über eine Einstellung einig, schreiben FAZ (Marlene Grunert) und LTO. In seinem Fall werde aber noch über Höhe der zu leistenden Auflage verhandelt.
LG Düsseldorf – WestLB/Cum-Ex: Das Hbl (Sönke Iwersen/Volker Votsmeier) berichtet über eine für den 4. Mai terminierte mündliche Verhandlung am Landgericht Düsseldorf. Frühere Investoren der insolventen WestLB fordern von der Folgegesellschaft Portigon Schadensersatz wegen Cum-Ex-Steuerdeals der früheren Landesbank.
VG Weimar zu Corona-Maskenpflicht in Schulen: Das Verwaltungsgericht Weimar hat einen Eilantrag zur Befreiung von der Maskenpflicht für Schüler abgewiesen. In dem Beschluss wurde unter Bezugnahme auf die jüngste Entscheidung des örtlichen Amtsgerichts klargestellt, dass die gerichtliche Kontrolle behördlicher Maßnahmen zum Gesundheitsschutz den Verwaltungsgerichten obliege und nicht Familienrichter:innen, so LTO.
Recht in der Welt
USA – Floyd-Prozess: Ein Geschworenengericht in Minneapolis hat den früheren Polizisten Derek Chauvin wegen der Tötung George Floyds schuldig gesprochen. Dabei erkannte die Jury alle drei Anklagepunkte – Mord zweiten Grades und dritten Grades sowie Totschlage zweiten Grades – als erfüllt an, schreibt sueddeutsche.de (Hubert Wetzel). Die Strafhöhe werde zu einem späteren Zeitpunkt bekanntgegeben. Der Angeklagte wurde noch im Gerichtssaal verhaftet, so bild.de (Herbert Bauernebel/Katie Pfleghar). Der Beitrag beschreibt auch die erheblichen Sicherheitsvorkehrungen in Erwartung der Entscheidung der Jury. Über die Plädoyers von Anklage und Verteidigung schreibt u.a. die FAZ (Majid Sattar).
Sonstiges
Super League: Ein Dutzend europäischer Fußballclubs haben angekündigt, sobald wie möglich eine quasi geschlossene "Super League" gründen zu wollen. Erste Stellungnahmen des europäischen Verbands UEFA haben hierauf mit Sanktionsandrohungen reagiert. Der Verband begebe sich hiermit juristisch aber auf dünnes Eis, wie mehrere Experten LTO (Hasso Suliak) bestätigen. Nach einer Entscheidung des Gerichts der Europäischen Union zum internationalen Eislaufverband vom vergangenen Dezember können Strafen für die Teilnahme an verbandsexternen Wettkämpfen kartellrechtswidrig sein. Zu einer ähnlichen Einschätzung gelangt eine Analyse von zeit.de (Fabian Scheler).
Kryptowährungen und Steuern: Finanztransaktionen mit Kryptowährungen laden aufgrund ihrer Anonymität dazu ein, erzielte Gewinne vor dem Finanzamt zu verbergen. Ob eine diesbezügliche Steuerpflicht tatsächlich besteht, ist von der höchstrichterlichen Rechtsprechung und der Gesetzgebung noch nicht geklärt, beobachtet Rechtsanwalt Eike Fesefeldt auf LTO. Innerhalb der EU-Kommission bestünden jedoch diesbezügliche Pläne. Von einer grundsätzlichen Steuerpflicht für Gewinne aus Geschäften mit Kryptowährungen geht Steuerberater Oliver Braatz im Recht und Steuern-Teil der FAZ aus.
Rechtsstaatlichkeit/Pressefreiheit: Im Rahmen des im vergangenen Jahres beschlossenen "Rechtsstaatsdialogs" hat der EU-Rat turnusgemäß seine Einschätzung der Rechtsstaatlichkeit der Bundesrepublik abgegeben. Während deutsche Gerichte unabhängig seien, bedrohten Übergriffe auf Journalisten die Pressefreiheit, berichtet die Welt (Philip Volkmann-Schluck). Fragwürdig sei auch der Umgang mit Korruption von Abgeordneten.
Das Letzte zum Schluss
Blitzer-Marathon: Ungewöhnlich erfolgreich spürte eine in Northeim installierte Blitzeranlage Geschwindigkeitssünder auf: rnd.de berichtet, dass das in einem ehemaligen Teil der örtlichen Fußgängerzone zum Einsatz gekommene, bei einer Geschwindigkeit von 20 km/h anschlagende Gerät innerhalb von vier Tagen 52 Fußgänger meldete. Der Rekordhalter brachte es auf 26 km/h.
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lto/mpi
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
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Die juristische Presseschau vom 21. April 2021: . In: Legal Tribune Online, 21.04.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/44771 (abgerufen am: 25.11.2024 )
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