Die Bundesanwaltschaft ermittelt wegen Straftaten gegen Deutsche in Israel. Der österreichsche Verfassungsgerichtshof urteilte zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Das MPI für internationales Privatrecht entwarf Leitlinien für IPR-Verfahren.
Thema des Tages
GBA – Angriff auf Israel/Hamas: Die Bundesanwaltschaft hat Ermittlungen gegen unbekannte Mitglieder der Hamas wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung aufgenommen. Wegen Taten im Zuge des Angriffs auf israelisches Gebiets werde auch wegen Geiselnahme und Mord zum Nachteil Deutscher ermittelt, so LTO.
Hamas-Unterstützung: SZ (Markus Balser/Christoph Koopmann) und taz (Konrad Litschko) berichten über politischen Forderungen an Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), Untersützungsnetzwerke der Hamas zu verbieten. Insbesondere der offiziell als Solidaritätsbewegung für inhaftierte Palästinenser agierende "Samidoun"-Verein, der durch die öffentliche Verteilung von Süßgebäck am vergangenen Wochenende bekannt wurde, solle "vereinsrechtlichen Maßnahmen" unterworfen werden. Die Hamas sei in Deutschland zwar nicht vereinsrechtlich verboten, jedoch als terroristische Vereinigung eingestuft. Deshalb stehe die Verwendung ihrer Kennzeichen seit 2021 unter Strafe.
Israel - Selbstverteidigung und Völkerrecht: Reinhard Müller (FAZ) und Ronen Steinke (SZ) erinnern daran, dass auch das Selbstverteidungsrecht Israels seine Armee nicht von der Bindung an völkerrechtliche Standards entbindet. Es sei das "Ziel des Terrors", so Müller, "den angegriffenen Staat zu Reaktionen herauszufordern, die ihn innerlich zersetzen und äußerlich an den Pranger stellen." Steinke hofft, dass Israel gegenüber einem Gegner, der "keinerlei Achtung für irgendwelche humanitären Regeln an den Tag legt", einen schnellen Sieg erringen möge, "ohne sich allzu weit in den moralischen Abgrund hinabziehen zu lassen, in dem die Hamas schon sitzt".
Rechtspolitik
Digitale Verwaltung Die Expertenanhörung im Innenausschuss des Bundestags über das geplante Änderungsgesetz zum Onlinezugangsgesetz ergab eine nahezu einhellige Unzufriedenheit mit dem bisherigen Stand der Verwaltungs-Digitalisierung. So behinderten unterschiedliche Standards zwischen Bund und Ländern sowie zwischen den Kommunen den raschen Datenaustausch. Die im ursprünglichen Onlinezugangsgesetz vereinbarte Zielmarke - bis Ende 2022 sollen 575 öffentliche Verwaltungsleistungen online verfügbar sein - sei u.a. deshalb klar verfehlt worden. Dies habe aber keinerlei Folgen, es fehle der Druck, auch im geplanten Änderungsgesetz. Es berichten FAZ (Corinna Budras) und netzpolitik.org (Esther Menhard).
Arbeitszeiterfassung: Am Montag fand im Bundestagsausschuss für Arbeit und Soziales eine Expertenanhörung über Anträge von CDU/CSU und Linken zur Regelung der Arbeitszeiterfassung nach Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts statt. spiegel.de (Florian Gontek) nahm dies zum Anlass, im Gespräch mit Anwalt Michael Fuhlrott die Spielräume des Gesetzgebers aufzuzeigen: "Ob am Tag mehr als acht Stunden gearbeitet werden soll, ist am Ende weniger eine rechtliche, denn mehr eine politische Diskussion. Ähnlich bei der Frage, wie erfasst werden soll."
Parteinahe Stiftungen: Die Ampelfraktionen und die CDU/CSU-Fraktionen haben einen gemeinsamen Antrag zur Finanzierung parteinaher Stiftungen vorgelegt, der bereits am kommenden Freitag erstmals im Bundestag beraten werden soll. Anders als bisher sollen parteinahe Stiftungen nicht bereits dann finanziert werden, wenn eine Partei zweimal hintereinander in den Bundestag einzieht, sondern erst beim dritten Einzug. Dies würde dazu führen, dass die AfD-nahe Desiderius-Erasmus-Stiftung jedenfalls bis 2025 nicht finanziert werden dürfte. Daneben stellt der Gesetzentwurf Anforderungen für die Verfassungstreue der Stiftung auf. Die gesetzliche Regelung wurde durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom März erforderlich. BadZ (Christian Rath) und taz.de (Konrad Litschko) berichten.
Greenwashing: Im Recht und Steuern-Teil der FAZ bedauert Rechtsanwältin Astrid Luedtke, dass die geplante "Green Claims"-Richtlinie der EU für Unternehmen "vor allem großen Aufwand" bedeute, ohne die Rechtsunsicherheit zu reduzieren. Wollen Unternehmen weiter mit umweltbezogenen Begriffen werben, müssen sie eine anerkannte, hervorragende Umweltleistung nachweisen, die für die jeweils verwendete Angabe relevant ist. Allerdings lasse die Richtlinie offen, wann eine Umweltleistung "anerkannt und hervorragend" ist. Damit bleibe weiterhin viel Arbeit für die Gerichte.
Justiz
BGH – Negativzinsen: Der Bundesgerichtshof steht vor einer Grundsatzentscheidung über die Zulässigkeit von Negativzinsen. Soeben habe die Verbraucherzentrale Hamburg mitgeteilt, sie werde nach einer Niederlage am Oberlandesgericht Frankfurt/M. in der Auseinandersetzung mit der Commerzbank vor den BGH ziehen, schreibt die FAZ (Christian Siedenbiedel). Auch die Verbraucherzentrale Sachsen sowie der Verbraucherzentrale Bundesverband seien in Verfahren gegen jeweils andere Geldinstitute bereits in Karlsruhe angelangt. Dort sei die Entscheidungsreihenfolge aber noch nicht festgelegt. Sollte die Erhebung von Negativ- oder Strafzinsen für unzulässig erklärt werden, führe dies zu Rückerstattungspflichten für mehrere hundert Banken.
BGH zu Jens Maier: Die in der vergangenen Woche verkündete Entscheidung des Bundesgerichtshofs in Sachen "AfD-Richter" Jens Maier rekapituliert der SWR-RadioReportRecht (Klaus Hempel) und geht hierbei auch auf die grundsätzlichen Maßstäbe für die Entfernung von Rechtsextremist:innen aus dem Dienst ein. Der Ex-AfD-Bundestagsabgeordnete Maier befinde sich nun im dienstlichen Ruhestand. Zudem versuche das sächsische Justizministerium ihn ganz aus seinem Dienstverhältnis zu entfernen und betreibe deshalb am Richterdienstgericht Leipzig ein Disziplinarverfahren gegen ihn.
BAG zu Auskunft über schwerbehinderte Betriebsangehörige: Unternehmen müssen einem betriebsrätlichem Auskunftsverlangen auf Mitteilung aller schwerbehinderten Betriebsangehörigen auch dann Folge leisten, wenn dies leitende Angestellte betrifft. Dies entschied das Bundesarbeitsgericht in einem nun veröffentlichten Beschluss bereits im Mai. Dem Auskunftsverlangen könnten nach den Berichten von FAZ (Marcus Jung) und beck-aktuell (Joachim Jahn) auch keine datenschutzrechtlichen Bedenken entgegengehalten werden. Betriebsräte könnten nur durch vollständige Auskunft ihrer Pflicht genügen, die Eingliederung Schwerbehinderter zu fördern und zu überwachen.
OLG Koblenz – Umsturzpläne/Vereinte Patrioten: Parallel zu dem am Oberlandesgericht Koblenz anhängigen Strafverfahren gegen eine Reichsbürger-Gruppe namens "Vereinte Patrioten" wurden nun im Zuge einer Razzia in mehreren Bundesländern weitere mutmaßliche Mitglieder der Gruppe festgenommen. Gegen die Betreffenden werde wegen der Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens ermittelt, berichten u.a. spiegel.de (Matthias Bartsch u.a.) und LTO. Die Gruppe habe u.a. die Entführung von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und die Wiedererrichtung der Verfassungsordnung von 1871 geplant.
OLG Koblenz zu Anschlag auf Asylheim Saarlouis: Über die Urteilsverkündung im Fall des tödlichen Brandanschlags auf eine Asylbewerberunterkunft in Saarlouis 1991 berichtet nun auch LTO. Das Oberlandesgericht Koblenz verurteilte Peter S. u.a. wegen Mordes zu einer Jugendstrafe von fast sieben Jahren Haft.
OLG Hamburg zu IS-Anhängern: Über die Verurteilung zweier jugendlicher IS-Anhänger zu mehrjährigen Haftstrafen durch das Oberlandesgericht Hamburg berichtet nun auch zeit.de (Elke Spanner). Der Beitrag wirft die Frage auf, inwiefern die Geständnisse beider Angeklagten lediglich taktischer Natur gewesen sind. Anhaltspunkte für eine innerliche Lösung von ihren islamistischen Einstellungen hätten sich im Verfahren nicht ergeben.
LG Osnabrück – Sportschütze erschießt Jugendlichen: Die SZ (Alexander Menden) berichtet ausführlich über das Strafverfahren gegen einen 82-jährigen Rentner, dem am Landgericht Osnabrück die Ermordung seines 16-jährigen Nachbars vorgeworfen wird. Der Angeklagte, gebürtig in Italien, räumte die Tötung ein. Die ihn begutachtende Psychiaterin geht jedoch von einer wahnhaften Störung aus, die sich zu einer paranoiden Schizophrenie gesteigert habe. Der Mann höre nicht existierende Geräusche, deren Urheberschaft er anderen - u.a. dem getöteten 16-Jährigen unterstellt. Außerdem höre er Stimmen, die ihm Befehle zu Straftaten geben.
LG Berlin zu Julian Reichelt vs. Svenja Schulze: Über den am Landgericht Berlin gescheiterten Versuch von Bundesentwicklungshilfeministerin Svenja Schulze (SPD), dem nius-Journalisten Julian Reichelt die Verbreitung einer Äußerung über deutsche Entwicklungshilfe für Taliban untersagen zu lassen, berichtet nun auch der Tsp (Jost Müller-Neuhof). Die beanstandete Äußerung sei als eine "nicht dem Beweis zugängliche und überspitzte Kritik zu verstehen", wird das LG zitiert.
Cum-Ex-Verfahren bei der StA Köln: In einem Kommentar im Wirtschafts-Teil kritisiert Klaus Ott (SZ) das Verhalten des nordrhein-westfälischen Justizministers Benjamin Limbach (Grüne) bei der nun gestoppten Neuorganisation der für Cum-Ex-Verfahren zuständigen Hauptabteilung der Staatsanwaltschaft Köln. Der Autor macht darauf aufmerksam, dass auch die Aufklärung der Hamburger Unterstützung u.a. durch den damaligen Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) für die Cum-Ex-Bank Warburg von Oberstaatsanwältin Anne Brorhilker abgezogen und in eine neue zusätzliche Hauptabteilung ausgelagert werden sollte. Brorhilker sei damit angeblich einverstanden gewesen. Der Vorgang betreffe zwar nicht das ministerielle Weisungsrecht gegenüber Staatsanwaltschaften, führe aber dennoch dessen Reformbedürftigkeit vor Augen.
Recht in der Welt
Österreich – ORF-Gesetz: Der österreichische Verfassungsgerichtshof hat das Gesetz über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk im Lande als in Teilen verfassungswidrig erklärt. Konkret wurde eine pluralistischere Besetzung entscheidungserheblicher Gremien gefordert. Für die Umsetzung des Urteils bleibe dem Gesetzgeber Zeit bis Frühjahr 2025. Es berichtet die SZ (Cathrin Kahlweit).
USA – Ölkonzerne/Klimaschäden: Das Hbl (Katharina Kort) beleuchtet Hintergründe der jüngst vom US-Bundesstaat Kalifornien erhobenen Schadensersatzklage gegen mehrere Ölkonzerne. Die beklagten Unternehmen sollen wissentlich die klimaschädlichen Auswirkungen fossiler Brennstoffe verschwiegen haben. Die Klage folge dem Muster der letztlich erfolgreichen Verfahren gegen Tabakindustrie und Pharmaunternehmen als Verursacher der Opiod-Krise im Lande. Zu bedenken sei aber, dass bis vor kurzem keine ernsthaften Alternativen zu fossilen Brennstoffen existiert hätten.
USA – deutsche Schulpflichtflüchtlinge: Die FAZ (Christiane Heil) stellt die deutsche Familie Romeike vor, der in den USA die Abschiebung droht. Weil sie mit "den in deutschen Schulbüchern vermittelten Werten" nicht übereingestimmt hätten und ihre Kinder entgegen der hiesigen Schulpflicht lieber daheim unterrichteten, wanderte die fundamental-christliche Familie mit Unterstützung der US-amerikanischen Home School Legal Defense Association vor 15 Jahren aus. Nun sei die Familie zur "Self Deportation" aufgefordert worden.
Sonstiges
Internationales Privatrecht/"Hamburger Leitlinien": Im Recht und Steuern-Teil der FAZ stellen Ralf Michaels und Jan Peter Schmidt, Direktor bzw. wissenschaftlicher Referent am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht, die von ihnen mitverfassten "Hamburger Leitlinien" für effizienten gerichtlichen Umgang mit Fällen des Internationalen Privatrechts vor. Die Leitlinien sollen sowohl "best practices" zusammenfassen als auch spezielle Hinweise "für die Gruppe der Richter, Sachverständigen und Verfahrensparteien" enthalten. So lasse sich etwa bei einfach gelagerten Fällen der gutachterliche Aufwand verringern, den Gerichte in der Regel betreiben.
Grundsteuer: Die Interessenvertretung der Mitarbeiter der Steuerverwaltung warnt laut FAZ (Manfred Schäfers) vor einem "Einspruch-Tsunami". Wegen Unsicherheiten über die Höhe der zu zahlenden Grundsteuer würden Steuerpflichtige ohne Berücksichtigung rechtlicher Überlegungen Rechtsmittel gegen Bescheide einlegen und hierdurch die reguläre Arbeit der Behörde erheblich behindern.
Behördensprache: Die SZ (Roland Preuß) lobt einen behördlichen Versuch für mehr Verständlichkeit. Die Bundesagentur für Arbeit arbeite derzeit an dem Vorhaben, ihre mehr als 300 Musterbriefe in einem verständlichen Deutsch zu formulieren. Statt "von Juristen erschaffener Bandwurmsätze" sollten die Anschreiben künftig "verständlicher, strukturierter und freundlicher" werden. Dies nutze allen Beteiligten.
Peer-Review: Im Gegensatz zu naturwissenschaftlichen Fachbeiträgen ist der sogenannte Peer-Review vor der Veröffentlichung von Beiträgen in juristischen Fachzeitschriften kein Standard. Rechtsreferendarin Alina Gulden erklärt auf LTO-Karriere, wie die Methode gleichwohl auch in diesem wissenschaftlichen Bereich gewinnbringend eingesetzt werden kann.
Das Letzte zum Schluss
Passend gezahlt: Bei einer Autobahn-Kontrolle in Baden-Württemberg landete die Polizei einen Zufallstreffer und konnte eine ausstehende Geldstrafe wegen Diebstahls eintreiben. An den offenen 800 Euro hatten die erfolgreichen Beamten gleichwohl schwer zu tragen. Wie lawblog.de (Udo Vetter) berichtet, beglich der säumige Schuldner den Betrag vorwiegend mit Hartgeld. Die Münzen, deren Herkunft kein Gegenstand von Ermittlungen wurde, erbrachten auf der Polizeiwaage stolze 7,95 kg.
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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
LTO/mpi/chr
(Hinweis für Journalisten und Journalistinnen)
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
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Die juristische Presseschau vom 11. Oktober 2023: . In: Legal Tribune Online, 11.10.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52886 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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