Heute könnte Generalbundesanwalt Peter Frank zum BVerfG-Richter gewählt werden. Der Bundesjustizminister legte ein Eckpunktepapier zur Reform des StGB vor. Auch das LG München I stufte die "Letzte Generation" als kriminelle Vereinigung ein.
Thema des Tages
BVerfG-Richterwahl: Nach ersten Mutmaßungen ist es nun offiziell, dass CDU und CSU den Generalbundesanwalt Peter Frank als Richter am Bundesverfassungsgericht vorschlagen. Frank soll Nachfolger für Peter Müller im Zweiten Senat werden. Die Wahl könnte schon diesen Freitag im Bundesrat erfolgen, wenn die SPD-regierten Länder dem kurzfristigen Vorschlag zustimmen. Bis vor wenigen Tagen hatte die CSU den früheren bayerische Justizminister Winfried Bausback (CSU) vorgeschlagen. Frank ist seit Oktober 2015 Generalbundesanwalt, wo er einen Fokus auf Rechtsterrorismus und IS-Rückkehrer:innen legte. Die beiden juristischen Staatsexamen und die Promotion hat er jeweils als bayerischer Landesbester abgeschlossen. Anschließend machte er Karriere in der bayerischen Justiz und war u.a. Generalstaatsanwalt in München. Es berichten FAZ (Marlene Grunert/Helene Bubrowski), SZ (Andreas Glas/Wolfgang Janisch), taz (Christian Rath), spiegel.de (Dietmar Hipp) und LTO.
Rechtspolitik
StGB: Nachdem Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) ein "Ausmisten" des Strafgesetzbuchs (StGB) angekündigt hatte, hat er nun ein Eckpunktepapier zur Modernisierung des StGB vorgelegt: Das "Schwarzfahren" soll danach nur noch eine Ordnungswidrigkeit darstellen und nicht mehr als Erschleichen von Leistungen (§ 265a StGB) strafbar sein. Beim Unerlaubten Entfernen vom Unfallort (§ 142 StGB) soll es für Sachschäden künftig eine Digitale Meldestelle geben, sodass sich die Unfall-Verursacher:innen nach einer Schadensmeldung erlaubt entfernen dürfen. Bei den Delikten von Mord- und Totschlag (§§ 211 und 212 StGB) soll eine sprachliche Anpassung vorgenommen und der Bezug auf die zur NS-Zeit populäre Tätertypen-Lehre entfernt werden. Schließlich soll der ebenfalls aus der NS-Zeit stammende Räuberische Angriff auf Kraftfahrer (§ 316a StGB) gestrichen werden, da die entsprechenden Sachverhalte mit anderen Normen geahndet werden können (§§ 249; 250; 252; 255 StGB). beck-aktuell und LTO berichten.
Bundeshaushalt/Schuldenbremse: Die Bundesregierung will am kommenden Mittwoch einen Nachtragshaushalt für das Jahr 2023 vorlegen. Auch für das Jahr 2023 soll der Bundestag die Schuldenbremse durch die Erklärung einer Notlage aussetzen. Dies wurde notwendig, weil das Bundesverfassungsgericht forderte, dass Ausgaben und Kreditermächtigungen aus Sondervermögen wie dem Klima- und Transformationsfonds und dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds im Jahr der konkreten Schuldenaufnahme auf den Kernhaushalt angerechnet werden müssen. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) will damit "reinen Tisch" machen und den verfassungswidrigen Zustand für dieses Jahr beenden. Es berichten FAZ (Manfred Schäfers), SZ (Georg Ismar), Welt, Hbl (Heike Anger/Martin Greive u.a.) und spiegel.de.
Paul-Anton Krüger (SZ) hält die Begründung einer Notlage mit dem Ukraine-Krieg oder mit der Corona-Pandemie für schwierig. Der verfassungsrechtlich gebotene Weg sei nicht die Aussetzung der Schuldenbremse, sondern eine Kürzung von Ausgaben.
Parteienfinanzierung: Der wissenschaftliche Mitarbeiter Rico Neidinger diskutiert auf dem JuWiss-Blog den Gesetztesentwurf zur rückwirkenden Erhöhung der absoluten Obergrenze bei der staatlichen Parteifinanzierung. Zur Rechtfertigung einer Rückwirkung könne man auf die anerkannte Fallgruppe abstellen, dass eine neue Rechtsnorm, die sich im Nachhinein als ungültig erweist, durch eine rechtlich einwandfreie Norm ersetzt werden kann. Dann erscheine aber die zeitliche Vermischung bei der Argumentation in der Gesetzesbegründung misslich und erhöhe die Gefahr einer erneuten Beanstandung durch das Bundesverfassungsgericht.
Wehrdisziplinarrecht/Extremismus: Rechtsprofessorin Kathrin Groh analysiert auf dem Verfassungsblog das vor einer Woche im Bundestag beschlossene Gesetz zur Beschleunigung der Entfernung von verfassungsfeindlichen Soldat:innen. Auch hier wurde - wie bei Bundesbeamt:innen - ein Wechsel vom Richtervorbehalt zur Dienstherrenentlassung vorgenommen. Bei richtiger Anwendung sei die Norm verfassungskonform.
Justiz
LG München I zur Letzten Generation: Das Landgericht München I hat zehn Beschwerden gegen die im Mai erfolgten Durchsuchungen und Beschlagnahmen bei Mitgliedern der "Letzten Generation" als unbegründet verworfen und damit den Anfangsverdacht einer kriminellen Vereinigung nach § 129 Strafgesetzbuch (StGB) bestätigt. Ein Zweck der Letzten Generation sei auf die Begehung von Straftaten gerichtet, wobei es ausreiche, dass das "Erscheinungsbild" der Vereinigung durch strafbares Verhalten mitgeprägt werde. Ferner stellten die Taten der Letzten Generation eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit dar. Dabei gehe es nicht darum, ob sich die Bürger:innen konkret bedroht fühlten oder in Angst lebten. Entscheidend sei, "dass der gesellschaftliche Diskurs durch illegitime Mittel verletzt wird, indem eine Gruppierung versuche, sich – gegebenenfalls moralisch überhöhend – über die rechtsstaatliche Ordnung und die konsentierten Formen der demokratischen Abläufe zu stellen." Es berichten FAZ (Stephan Klenner), Welt, spiegel.de (Wiebke Ramm), beck-aktuell, zeit.de und LTO (Markus Sehl).
Reinhard Müller (FAZ) begrüßt die Entscheidung und meint, dass man darüber streiten könne, ob nicht sogar der Hauptzweck der Gruppe darin liege, Straftaten zu begehen.
BVerfG zu Legasthenie-Vermerk in Zeugnissen: Die wissenschaftliche Mitarbeiterin Isabel Lischewski erläutert auf dem Verfassungsblog das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu Legasthenie-Bonus-Hinweisen in Abiturzeugnissen, das am Mittwoch verkündet wurde. Sie kritisiert, dass der vom BVerfG entwickelte Maßstab für die "Zeugniswahrheit" dem Interesse, Ungleichheiten auszugleichen, zuwiderlaufe. Der betroffenen Gruppe werde kein Privileg gewährt, sondern ein (gebotener) Nachteilsausgleich.
Im Interview mit spiegel.de (Dietmar Hipp) begrüßt Tanja Scherle, Vorsitzende des Bundesverbandes Legasthenie und Dyskalkulie, das BVerfG-Urteil. Nun sei klargestellt, dass es ein Recht auf Notenschutz gibt und die Zeugnisbemerkungen dann "halt in Kauf genommen werden" müssen.
BGH zu Einbahnstraße: Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs darf in einer Einbahnstraße auch dann nicht gegen die Fahrtrichtung gefahren werden, wenn man einem ausparkenden Auto Platz machen will, um dann selber dort einzuparken. Lediglich ein unmittelbares Rückwärtseinparken und das Rückwärtseinfahren aus einem Grundstück sind erlaubt. Es berichten tagesschau.de (Finn Hohenschwert) und beck-aktuell.
OVG Berlin-BB - Klimaschutz/Sofortprogramme: Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg verhandelte über drei verbundene Klagen von Deutscher Umwelthilfe und BUND gegen die Bundesregierung. Diese habe ihre Pflichten aus dem Klimaschutzgesetz verletzt, indem sie keine Sofortprogramme für die Sektoren Verkehr und Gebäude beschloss, obwohl die bisherigen Maßnahmen in diesen Sektoren nicht geeignet waren, die deutschen Klimaziele bis 2030 zu erreichen. Das Urteil soll laut RND am 30. November verkündet werden.
LG Paderborn – Horrorhaus von Höxter: Nachdem das Landgericht Paderborn Wilfried W. vor fünf Jahren wegen der tödlichen Misshandlung zweier Frauen im sogenannten "Horrorhaus von Höxter" zu elf Jahren Haft verurteilt hatte und die Unterbringung in der Psychiatrie angeordnet hat, verhängte es nun nachträglich die Sicherungsverwahrung. Damals galt er als geistig eingeschränkt und vermindert schuldfähig, doch während der Haft kamen Zweifel daran auf und es wurde die Unterbringung im regulären Strafvollzug angeordnet. Seine Ehefrau Angelika W. wurde damals als vermeintlich treibende Kraft zu 13 Jahren Haft verurteilt. Es berichten FAZ (Reiner Burger), SZ, spiegel.de und beck-aktuell.
LG München I zu Fahrtkosten für Anwalt: Nachdem ein Anwalt aus Lübeck für einen Gütetermin in München 30 Stunden vorher mit dem Auto losgefahren war und der Termin eine Stunde nach Fahrtantritt über das elektronische Postfach (beA) abgesagt wurde, hat das Landgericht München I nun seine Klage auf Erstattung seiner Reisekosten in Höhe von 1000 Euro abgewiesen. Mit einer so frühen Anreise habe das Gericht nicht rechnen müssen. Naheliegend sei ein Inlandsflug oder eine Bahnreise am Tag des Gerichtstermins gewesen. LTO berichtet.
LG Leipzig – Gil Ofarim: focus.de portraitiert den Digitalforensiker Dirk Labudde, der im Verleumdungs-Prozess gegen den Musiker Gil Ofarim ein Gutachten erstattete. Seine Auswertung der Überwachungsvideos lege nahe, dass Ofarim die Kette mit dem Davidstern erst nach der Auseinandersetzung in der Hotellobby für das aufgenommene Video hervorgeholt habe. Am 6. Dezember soll Labudde erneut angehört werden, am 7. Dezember soll dann das Urteil ergehen.
LG Dortmund zu geplantem islamistischem Giftanschlag: Knapp elf Monate nach seiner Festnahme ist der 26-jährige Iraner Jalal J. aus Castrop-Rauxel vom Landgericht Dortmund wegen der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat und Terrorismusfinanzierung zu einer vierjährigen Haftstrafe mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt worden. Er hatte sich über die Herstellung von Cyanid informiert, Grundstoffe besorgt und sei zu einem islamistisch motivierten Anschlag entschlossen gewesen. spiegel.de berichtet.
LG Düsseldorf – Brandanschlag auf Einsatzkräfte: Nun berichtet auch die FAZ (Reiner Burger) über den Prozess gegen Frank Alfred P., der an diesem Freitag vor dem Landgericht Düsseldorf beginnt. P. hatte sich am 11. Mai in seiner Wohnung in Ratingen verschanzt und dann Feuerwehrleute und Polizist:innen mithilfe von Benzin angezündet und teils schwer verletzt. Die Anklage wirft ihm versuchten Mord in neun Fällen, schwere Körperverletzung und besonders schwere Brandstiftung vor.
VG Düsseldorf zur Einreisesperre für Ould Slahi: Die SZ (Moritz Baumstieger) nahm die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Düsseldorf, mit der die Einreisesperre gegen den ehemaligen Guantánamo-Gefangenen Mohamedou Ould Slahi für rechtswidrig erklärt wurde, zum Anlass für eine Seite 3-Reportage über Ould Slahi.
AG Düsseldorf zu tödlichem Motorradunfall: Das Amtsgericht Düsseldorf hat eine 41-Jährige wegen fahrlässiger Tötung und der Verletzung von Persönlichkeitsrechten zu zehn Monaten Haft auf Bewährung und zu einer Geldstrafe von 5000 Euro verurteilt. Sie hatte im Juli 2022 durch ein Wendemanöver einen tödlichen Motorradunfall verursacht, den Sterbenden fotografiert und war dann weitergefahren. spiegel.de berichtet.
Asyl-Gerichtsverfahren: Richter Niklas-Janis Stahnke kritisiert auf beck-aktuell, dass Asylverfahren in der ersten Instanz nahezu ausnahmslos ohne Vertreter:innen des beklagten Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) stattfinden. Für die Verwaltungsgerichte entstehe durch die entfallene Vergleichsmöglichkeit ein erheblicher Mehraufwand und den Kläger:innen werde so ein Rechtsgespräch über ihre Situation verweigert.
Annahmeverzugslohn: Der Rechtsanwalt Artur Kühnel gibt im Expertenforum-Arbeitsrecht ein Update zu den jüngst ergangenen Entscheidungen zur Anrechnung böswillig unterlassener Verdienste beim Annahmeverzugslohn und konstatiert, dass die Rechtsprechung in den vergangenen Jahren eine restriktivere Neujustierung vollzogen habe.
Recht in der Welt
Ungarn – Rechtsstaat und EU-Gelder: Nachdem Ungarns Premier Viktor Orbán seit Wochen die Verlängerung der EU-Militärhilfe für die Ukraine in Höhe von 20 Milliarden Euro blockierte, hat die EU-Kommission nun beschlossen, die Sperre der wegen Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit und wegen Korruptionsverdacht zurückgehaltenen Gelder in Milliardenhöhe zu lockern und Ungarn zunächst 900 Millionen Euro auszuzahlen. Es berichten SZ und spiegel.de.
Ungarn – Souveränitätsschutz: Die ungarische Regierung hat diese Woche einen Gesetzentwurf vorgelegt, wonach zum "Schutz der Souveränität" des Landes eine neue Behörde eingerichtet werden soll, die untersuchen soll, ob Politiker:innen oder Parteien im Wahlkampf Geld aus dem Ausland annehmen. Das ist zwar bereits jetzt verboten, doch neben Einrichtung der Kontrollbehörde sollen nun auch bis zu drei Jahre Haft angedroht werden. Es berichten FAZ (Stephan Löwenstein) und spiegel.de.
Frankreich – Völkermord in Ruanda: In einem Pariser Gericht steht nach 29 Jahren erstmals eine Person aus Ruanda wegen des Völkermords an den Tutsi in Ruanda vor Gericht, bei dem 1994 rund 800.000 Menschen umgebracht wurden. Der 68-jährigen Arzt Munyemana, der in Ruanda den Spitznamen "Schlächter von Tumba" gehabt haben soll, soll die Hutu-Extremist:innen beim Völkermord unterstützt haben. Nachdem Munyemana sich nach Frankreich abgesetzt hatte, weigerte sich Frankreich lange Zeit, ihn nach Ruanda auszuliefern, weil es die Rechtsstaatlichkeit des autoritär regierten Landes anzweifelte. spiegel.de (Heiner Hoffmann) berichtet
Spanien – Dani Alves: Im bevorstehenden Prozess um Vorwürfe sexueller Aggression gegen den früheren brasilianischen Fußball-Star Dani Alves hat die spanische Staatsanwaltschaft eine neunjährige Haftstrafe gefordert. Alves sitzt in Untersuchungshaft, einen Prozesstermin gibt es noch nicht. spiegel.de und bild.de (Marcel Graus) berichten.
Sonstiges
Mobiles Anwaltspostfach: Nachdem die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) vergangene Woche mitgeteilt hat, dass sie das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) auch für mobile Endgeräte zugänglich machen wolle, moniert LTO (Hasso Suliak), dass dies keine wirkliche Innovation sei. Eine entsprechende Anwendung werde bereits seit mehr als zwei Jahren von dem privaten Anbieter "be next" angeboten und von tausenden Anwält:innen genutzt. Laut IT-Experten werde die Entwicklung die BRAK Hundertausende Euro kosten. Eine Innovation könne allenfalls darin bestehen, dass eine Möglichkeit zur mobilen Signierung von elektronischen Empfangsbekenntnissen (eEBs) geschaffen wird, was auch der Deutsche Anwaltsverein (DAV) fordere.
Small Talk: Die Anwältin und Karrierementorin Anja Schäfer erläutert auf LTO-Karriere die Wichtigkeit von Small Talk und gibt Tipps, wie dieser gelingen kann. Er sei ein Schlüsselfaktor für beruflichen Erfolg.
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Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
LTO/tr/chr
(Hinweis für Journalist:innen)
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
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Die juristische Presseschau vom 24. November 2023: . In: Legal Tribune Online, 24.11.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/53252 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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