Die juristische Presseschau vom 8. bis 9. Juli 2021: VG Köln schiebt Ent­schei­dung über AfD auf / Ille­­gale Abspra­chen deut­­scher Auto­­bauer / Trump gegen Social Media-Plat­t­­formen

09.07.2021

Das Verwaltungsgericht Köln schiebt die Entscheidung über die Verdachtsfalleinstufung der AfD bis nach der Bundestagswahl auf. EU-Kommission straft deutsche Autobauer für illegale Absprachen. Und Donald Trump klagt gegen Social Media-Plattformen.

Thema des Tages

VG Köln – AfD und Verfassungsschutz: Das Verwaltungsgericht Köln wird nicht mehr vor der Bundestagswahl über zwei Eilanträge der AfD gegen das Bundesamt für Verfassungsschutz entscheiden, sondern voraussichtlich erst 2022 zusammen mit der jeweiligen Hauptsacheentscheidung. Bis dahin bleibe das Bundesamt an den ergangenen Hängebeschluss gebunden, wonach eine Einstufung als Verdachtsfall vorerst nicht ergehen darf. Die AfD wendet sich in den Verfahren zum einen gegen eine Einstufung als Verdachtsfall, zum anderen gegen die Bekanntgabe der Mitgliederzahl des sogenannten "Flügels" durch den Verfassungsschutz. Die Verzögerung wird damit begründet, dass angesichts der Komplexität der Verfahren eine summarische Prüfung nicht ausreiche und dass eine Gerichtsentscheidung in der Sache die Stimmabgabe der Wähler:innen bei der Bundestagswahl sowohl zugunsten als auch zulasten der AfD beeinflussen könne. Außerdem habe das Bundesamt Daten zu spät geliefert. Es berichten Fr-FAZ (Helene Bubrowski), LTO, spiegel.de und zeit.de 

Rechtspolitik

Weltweite Mindeststeuer: In einem Interview mit der ZEIT (Roman Pletter) spricht der Jurist und OECD-Chefverhandler Achim Pross über die weltweite Mindeststeuer für Unternehmen, auf die sich vergangene Woche 131 Staaten geeinigt haben, über die Wirkungsweise der neuen Steuer und die noch bevorstehenden Hürden bei der Umsetzung.

Justiz

EuGH zu Arzneimittelverkauf: Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs bewirkt der freie Vertrieb eines Medikaments in einem EU-Mitgliedstaat nicht die Erlaubnis zum Verkauf in einem anderen Mitgliedstaat. Vielmehr bedürfe dies grundsätzlich einer eigenen Genehmigung durch die national zuständigen Behörden oder eines Antrags auf Anerkennung der Genehmigung nach der Arzneimittelrichtlinie. Die Entscheidung erging im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens im Fall eines ungarischen Pharmaunternehmens, das ein dort noch nicht genehmigtes Medikament in Ungarn vertrieben hatte. Es berichtet LTO.

EuG zu Markenschutz für Dosenzischen: Das Geräusch, das beim Öffnen einer Getränkedose entsteht, kann nicht als Hörmarke geschützt werden. Das entschied das Gericht der Europäischen Union am vergangenen Mittwoch und lehnte damit die Klage eines Getränkeherstellers ab. Dieser hatte versucht, den mittels einer Audiodatei dargestellten "Klang" beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) schützen zu lassen, berichten Do-SZ und LTO. Laut dem Luxemburger Gericht handle es sich bei diesem Geräusch aber um ein "rein technisches und funktionelles Element", bei dem es an der "gewissen Resonanz" fehle, anhand derer Verbraucher:innen eine Verbindung zu dem Unternehmen herstellen können müssen.

BVerfG – Maskenpflicht im Bundestag: Das von einigen AfD-Abgeordneten angestrengte Organstreitverfahren zur Maskenpflicht im Bundestag wurde vom Bundesverfassungsgericht eingestellt. Laut Do-SZ, LTO und Do-Tsp hatten die 19 AfD-Politiker:innen den Antrag bereits im April zurückgezogen, kurz nachdem das Gericht angekündigt hatte, die Entscheidung demnächst zu veröffentlichen. Ein von der AfD parallel beim Verwaltungsgericht Berlin eingereichter Eilantrag war bereits einige Wochen später abgelehnt und die Maskenpflicht dadurch bestätigt worden.

BVerfG – Neutralitätspflicht von Merkel: Am 21. Juli verhandelt das Bundesverfassungsgericht über eine Organklage der AfD gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel, weil diese sich auf einer Reise in Südafrika negativ über die Thüringer Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich mit den Stimmen der AfD geäußert hatte. bild.de (Ralf Schuler) weist nun aber darauf hin, dass die Kanzlerin das Bundesverfassungsgericht am 30. Juni zum routinemäßigen Abendessen eingeladen habe. Dies sehe nicht gut aus und könne den Anschein der Befangenheit erzeugen.

BVerfG – 70-jähriges Jubiläum: Wie LTO (Christian Rath) berichtet, wird der Festakt zum 70-jährigen Jubiläum des Bundesverfassungsgerichts am 28. September pandemiebedingt überwiegend digital stattfinden. Das Motiv, dass das Gericht zu den Bürger:innen komme, - solle entsprechend der ursprünglichen geplanten Idee von Marktplatzgesprächen mit Richterinnen und Richtern des Bundesverfassungsgerichts in allen 16 Bundesländern jedoch erhalten bleiben.

BVerwG zu BND-Auskunftspflicht: Der Fr-Tsp (Jost Müller-Neuhof) berichtet in eigener Sache, dass nach nun veröffentlichtem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts der Bundesnachrichtendienst (BND) aufgrund des verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruchs der Presse verpflichtet ist, bekannt zu geben, welche Medienvertreter wann zu einem Kennenlernen die Liegenschaften betreten. Das Recherche- und Redaktionsgeheimnis stünde nicht entgegen, da eine derartige Auskunft keine Rückschlüsse auf konkrete Recherche ermögliche. Anders verhalte es sich jedoch bei Hintergrundgesprächen, die Rückschlüsse ermöglichen würden, hier überwiege das Auskunftsinteresse nicht.

BVerwG zu dienstlicher Beurteilung: Für die Regelung von Vorgaben zur dienstlichen Beurteilung von Beamtinnen und Beamten reicht eine Verwaltungsvorschrift nicht aus, vielmehr müssen diese in einer Rechtsnorm geregelt sein. Außerdem müssen dienstliche Beurteilungen immer mit einem Gesamtergebnis abschließen. Dies ergebe sich aus Artikel 33 Absatz 2 Grundgesetz (GG), entschied das Bundesverwaltungsgericht am Mittwoch und gab damit der bei einer rheinland-pfälzischen Stadt angestellten Klägerin Recht, die bei den Auswahlentscheidungen für zwei von der Stadt ausgeschriebene Leitungsstellen nicht berücksichtigt worden war. Es berichten LTO und beck-community (Michael Else).

VerfGH Bayern – Islam-Unterricht in Bayern: Der Bund für Geistesfreiheit Bayern und weitere Kläger haben gemeinsam gegen den Landtagsbeschluss zur Einführung des neuen Wahlpflichtfachs "Islamischer Unterricht" Klage am Bayerischen Verfassungsgerichtshof erhoben. Die Kritikerinnen und Kritiker, denen sich auch die AfD anschließen möchte, meinen, es fehlen die verfassungsrechtlich erforderlichen Voraussetzungen für die Einführung des neuen Schulfachs. Dem Landtagsbeschluss ging ein mehr als zehn Jahre andauernd Modellversuch voraus, schreibt LTO.

OLG Stuttgart – Diesel-Skandal/Daimler: Der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) hat am Mittwoch vor dem Oberlandesgericht Stuttgart eine Musterfeststellungsklage gegen Daimler eingereicht. Wie die Do-FAZ (Susanne Preuß/Marcus Jung), die Do-SZ (Christian Kunkel), die Do-taz, das Do-Hbl (Volker Votsmeier) und LTO schreiben, werfen die Verbraucherschützer:innen Daimler bewusste Manipulation der Abgaswerte durch den Einbau verschiedener Abschalteinrichtungen im Motortyp OM651 vor, der vor allem in Mercedes-Modellen verbaut ist. 

Da die Vorwürfe gegen Daimler "zerfasert und hochkomplex" seien und sich das Gericht tief in die Technik der Abgasreinigung einarbeiten müsse, werde diese Musterklage "alles andere als ein Spaziergang", meint Marcus Jung (Do-FAZ). Volker Votsmeier (Do-Hbl) kritisiert in einem separaten Kommentar, die Musterfeststellungsklage sei "ein Muster ohne Wert". Sie gehöre dringend reformiert, da sie ihr Ziel – die Entlastung der Justiz – verfehlt habe.

OLG Frankfurt/M. zu Wirecard-Verteidigerkosten: Die Managerhaftpflicht-Versicherung Chubb des ehemaligen Vorstandschefs von Wirecard, Markus Braun, muss vorläufig für dessen Anwaltskosten aufkommen. Damit bestätigte das Oberlandesgericht Frankfurt die Entscheidung der Vorinstanz und wies die Berufung des Versicherers zurück, wie die Do-SZ (Patrick Hagen), das Do-Hbl (Rene Bender u.a.) und die Do-FAZ schreiben. Chubb hatte sich darauf berufen, die Erstattung sei wegen arglistiger Täuschung ausgeschlossen, allerdings setzt dies laut Gericht ein rechtskräftiges Urteil voraus, das im Fall Braun noch ausstehe.

Christian Schnell (Do-Hbl) hält eine Reform der Managerhaftpflichtversicherungen für "dringend nötig". Diese einst zur Absicherung für den Konzern entwickelten Versicherungen, schreiben wegen der inzwischen weit gefächerten Abdeckung von Schadenszahlungen seit Jahren nur rote Zahlen und sollten besser wieder zu ihrem Ursprung zurückkehren.

LG Leipzig zu Nega­tiv­zinsen: Das Landgericht Leipzig hat eine Klage der Verbraucherzentrale Sachsen gegen die Sparkasse Vogtland abgewiesen und damit die kurzfristige Einführung von Negativzinsen in Höhe von 0,7 Prozent jährlich für Neukunden und Kontowechsler für rechtmäßig erachtet. Dies erfolgte mit der Begründung, die Negativzinsen seien nicht durch Preisaushänge erfolgt, sondern in individuellen Vertragsanlagen enthalten gewesen, die Kunden bei Vertragsabschlüssen unterzeichneten. Die Verbraucherzentrale Sachsen will Berufung einlegen. Fr-FAZ (Christian Siedenbiedel), Fr-SZ (Harald Freiberger), Fr-Hbl (Elisabeth Atzler/Frank M. Drost), LTO und spiegel.de berichten.

LG Münster zu Missbrauchskomplex Münster: Im Nachgang des Verfahrens um den Münsteraner Missbrauchskomplex analysiert und diskutiert Annette Ramelsberger (Do-SZ) die Rolle der Verteidigerinnen und Verteidiger in solch grausamen Prozessen. Als Organe der Rechtspflege sehen sie es als ihr Berufsverständnis, all jene zu verteidigen, die Verteidigung brauchen. Doch auch sie können an ihre Grenzen kommen, insbesondere in Fällen wie diesem, wenn der Angeklagte "auch noch grinst", während die Tatortvideos gezeigt werden oder der Gerichtsmediziner spricht.

AG Münster – Cannabis: Nun hat auch das Amtsgericht Münster nach Artikel 100 Absatz 1 Grundgesetz (GG) dem Bundesverfassungsgericht die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit einiger Strafvorschriften des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) vorgelegt, die den Besitz von Cannabis betreffen. Im ausgesetzten Verfahren wird einem Mann der Besitz von 0,4 Gramm Marihuana zur Last gelegt, an dessen Strafbarkeit gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 3 BtMG in Verbindung mit der Anlage 1 zu § 1 Abs. 1 BtMG der zuständige Einzelrichter jedoch verfassungsrechtliche Bedenken hegt. Wie LTO (Hasso Suliak) erörtert, sind damit nun zwei konkrete Normenkontrollanträge bei den Karlsruher Richter:innen anhängig, da im April 2020 bereits ein Jugendrichter des Amtsgerichts Bernau dem BVerfG die gleiche Fragestellung vorgelegt hatte.

Virtueller Zivilprozess: Auf LTO sprechen sich die Richter Ralph Guise-Rübe und Simon Kuhnke-Fröhlich für einen Fortbestand des virtuellen Zivilprozesses auch nach Ende der Pandemie aus. Dies diene der Prozessbeschleunigung und halte Kosten gering. So sei seit fast 20 Jahren nach § 128a Zivilprozessordnung (ZPO) die mündliche Verhandlung und Beweisaufnahme per Videokonferenz prozessrechtlich möglich, die Anwendung habe sich jedoch erst in der Pandemie etabliert.

EU-Justizbarometer: Das von der Europäischen Kommission regelmäßig herausgegebene Justizbarometer soll einen Überblick über die Effizienz, Qualität und Unabhängigkeit der Justizsysteme in den EU-Mitgliedstaaten geben. Nach den Ergebnissen in diesem Jahr sei die Unabhängigkeit der Justiz in fast der Hälfte der EU-Mitgliedstaaten durch die Bürgerinnen und Bürger angezweifelt worden, wobei insbesondere politische Einflussnahmen als Ursache gesehen werde. Auch bei der Digitalisierung sehen die Bürger:innen in einigen Ländern Verbesseerungsbedarf. Es berichten LTO und Fr-Hbl.

Recht in der Welt

USA – Trump gegen Social Media: Ex-Präsident Donald Trump hat im Bundesstaat Florida Klage gegen die Socialmedia-Plattformen Twitter, Facebook und Youtube eingereicht. Darin verlangt er jeweils die Wiederherstellung seiner – bei Facebook zeitlich begrenzt bis 2023 – gesperrten Accounts. Er wirft sowohl den Konzernen (im Fall von Youtube ist dies Google) als auch deren Chefs eine verfassungswidrige Verletzung seiner Meinungsfreiheit durch Zensur vor. Er plant außerdem eine Sammelklage, an der sich alle beteiligen sollten, die seit dem 1. Juni 2018 durch die Plattformen gesperrt worden seien. Die Klage zielt auf die als "Section 230" bekannte gesetzliche Regelung, welche die Haftung der Plattformen für Nutzerinhalte ausschließt und ihnen eine eigene Handhabe einräumt. Es berichten Fr-taz (Malaika Rivuzumwami) und LTO.

Christian Zaschke (Fr-SZ) macht darauf aufmerksam, dass die Klagen bereits an der fehlenden Zuständigkeit scheitern könnten, da der Gerichtsstand der Tech-Konzerne Kalifornien, nicht Florida, sei und hält diese daher für "reine Show".

USA – Wett­be­werbs­klagen gegen Google: Wie u.a. Fr-FAZ (Roland Lindner), Fr-Welt (Benedikt Fuest) und LTO berichten, muss sich der Google-Konzern in 36 US-Bundesstaaten erneut gegen wettbewerbsrechtliche Vorwürfe verteidigen. Die Bundesstaaten werfen Googel vor, seine Marktmacht in Bezug auf Apps für Android-Handys ausgenutzt zu haben.

Polen – Richter aus dem Kommunismus: Laut LTO vermag nach Ansicht des Generalanwalts am Europäischen Gerichtshof die Tatsache, dass Richterinnen und Richter bereits zu kommunistischer Zeit ins Amt kamen, nicht Zweifel an ihrer Unabhängigkeit zu wecken. Denn es gebe nun wohl niemanden mehr, der sie aktuell unter Druck setzen könne. Polens Oberster Gerichtshof hatte diese Frage dem EuGH vorgelegt und insoweit die Unparteilichkeit eines Berufungsrichters in Zweifel gezogen.

Israel – Nationalitätsgesetz: Laut zeit.de hat der Oberste Gerichtshof Israels 15 Klagen gegen das Nationalitätsgesetz, das Israels Status als jüdischen Nationalstaat und Hebräisch als Amtssprache fixiert, zurückgewiesen. Damit sind Menschenrechtsorganisationen mit ihrer Argumentation gescheitert, dass das 2018 verabschiedete Gesetz die arabische Minderheit diskriminiere.

Italien – Corona-Tote: Nach Bericht der Fr-FAZ (Matthias Rüb) fordern 500 Familien von 6500 Covid-19-Opfern aus den Provinzen Bergamo und Brescia in einem nun angestrengten Ziviprozess 100 Millionen Euro Schadenersatz von der italienischen Regierung. In einer dreiteiligen Klageschrift legten die Familien dar, dass Versäumnisse der Regierung in Rom und der Regierung der Region Lombardei bzw. schuldhaftes und fahrlässiges Handeln der politisch Verantwortlichen zum Tod ihrer Angehörigen geführt habe.

Frankreich – Verantwortung von Twitter: Ein französisches Gericht hat am vergangenen Dienstag entschieden, dass Twitter seine Moderationspraktiken, die es bei der Bekämpfung der Verbreitung von Hassnachrichten einsetzt innerhalb von zwei Monaten offenlegen muss. Damit gab das Gericht mehreren französischer Organisationen Recht, die sich u.a. gegen Rassismus engagieren und auf einer Plattform Hass-Tweets sammelten, die von Twitter nicht angemessen reguliert worden sind. Wie netzpolitik.org (Denise Stell) berichtet, hat die französische Regierung erst letztes Jahr ein neues Gesetz, ähnlich dem deutschen Netzwerkdurchsuchungsgesetz (NetzDG), zur Regulierung von Hassreden im Netz verabschiedet.

Juristische Ausbildung

Reform des Studiums: Laut einer großen Absolvent:innenumfrage des Bundesverbands rechtswissenschaftlicher Fachschaften e.V. (BRF) wünscht sich ein Großteil der Examinierten vor allem ein bundesweit harmonisiertes Schwerpunktstudium, die Einführung des E-Examens und einen integrierten Bachelorabschluss. Zudem ist der Prüfungsdruck für viele Befragte ein enormes Problem und es verwundere nicht, dass dies teilweise zu psychischen Erkrankungen führt. LTO-Karriere (Pauline Dietrich) berichtet ausführlich über die Ergebnisse der Umfrage.

Sonstiges

EU-Kommission zu Adblue-Tank-Absprachen: Die EU-Kommission hat gegen die beiden deutschen Autobauer BMW und Volkswagen im Rahmen eines Vergleichs Bußgelder in Höhe von insgesamt 875 Mil­lionen Euro verhängt. Das Strafmaß in Höhe von bis zu zehn Prozent des Jahresumsatzes wurde damit nicht ausgeschöpft. Daimler profitierte von einer Kronzeugenregelung und blieb straffrei. Die Hersteller hatten illegale Absprachen hinsichtlich der Größe sogenannter Adblue-Tanks getroffen, die dem Diesel Harnstoff für eine effiziente Abgasreinigung zufügen. Damit seien nicht Preis- oder Gebietsabsprachen im herkömmlichen Sinn Gegenstand der Untersuchungen gewesen, sondern technische Absprachen. Es berichten Fr-FAZ (Susanne Preuß u.a.), Fr-HBl (Markus Fasse u.a.), Fr-SZ (Max Hägler/KlausOtt) und LTO.

Werner Mussler (Fr-FAZ) meint, der Fall dürfe insbesondere wegen dieser "kartellrechtlichen Besonderheit in Erinnerung bleiben" und rechnet mit einer diesbezüglichen gerichtlichen Überprüfung. Max Hägler (Fr-SZ) und Markus Fasse (Fr-Hbl) sind der Ansicht, die EU-Kommission müsse dahingehend Klarheit schaffen, wie weit notwendige technische Kooperation gehe.

BaFin – Private Finanzgeschäfte: Wie das Fr-Hbl (Andreas Kröner/Martin Murphy) berichtet, hält der Personalrat der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht das kürzlich in Kraft getretene Verbot, dass BaFin-Mitarbeiter privat nicht mehr mit Aktien und Anleihen handeln dürfen, für unverhältnismäßig und damit "verfassungsrechtlich bedenklich". Der Personalrat argumentiere, die Behörde verlöre durch das Verbot mögliche Anreize.

Corona – Epidemische Lage: Laut FAZ-Einspruch (Reinhard Müller) erkennt die FDP bei der "epidemischen Lage" die Gefahr, dass diese zum Normalzustand werde, was verfassungspolitisch ein Problem sei. Nach Auffassung des Parlamentarischen Geschäftsführers Marco Buschmann gelte es daher, in anderen Regelwerken außerhalb des Infektionsschutzes, Planungs- und Rechtssicherheit für das Gesundheitssystem zu finden.

Kronzeugen: Die Do-SZ (Wolfgang Janisch) befasst sich eingehender mit der Kornzeugenregelung in Deutschland. Diese hat sich in den letzten Jahrzehnten auf immer mehr Gruppen ausgeweitet, seit 2009 gilt die sogenannte "große Kronzeugenregelung". Anwältinnen und Anwälte sehen die Regelungen nicht ganz unproblematisch, seien sie doch häufig an sehr enge Voraussetzungen geknüpft, wie der Strafverteidiger Stefan Conen anmerkt.

Parteiausschluss: Der Ausschluss eines Partei-Mitglieds ist nur dann möglich, "wenn es vorsätzlich gegen die Satzung oder erheblich gegen Grundsätze oder Ordnung der Partei verstößt und ihr damit schweren Schaden zufügt", heißt es in § 10 Parteiengesetz (PartG). Aufgrund solch hoher Hürden ist es in der jüngeren deutschen Geschichte nur selten zu solchen Ausschlüssen gekommen, wie die Do-FAZ (Reinhard Müller) analysiert und auf einige der Fälle näher eingeht.

 

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lto/ali/cc

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Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 8. bis 9. Juli 2021: . In: Legal Tribune Online, 09.07.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/45431 (abgerufen am: 24.11.2024 )

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