Rechtspolitiker diskutieren die Aufhebung der Maskenpflicht. Der Bundestag hat Änderungen im anwaltlichen Berufsrecht beschlossen und die Debatte um das EU-Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland geht weiter.
Thema des Tages
Corona – Maskenpflicht: Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) stellt die Maskenpflicht in Frage. Die Verantwortlichen in den Ländern müssten laufend genau prüfen, ob und wo eine Maskenpflicht noch verhältnismäßig ist, wenn die Inzidenzzahlen niedrig sind und weiter sinken, das gelte auch für die Schulen, denn Schülerinnen und Schüler seien von der Maskenpflicht besonders betroffen, wird Lambrecht in der BamS (Björn Engel/Angelika Hellemann u.a.) zitiert. Für den Vizepräsidenten des Bundestages, den FDP-Abgeordneten Wolfgang Kubicki, würde das Aufrechterhalten der Maskenpflicht gegen das Infektionsschutzgesetz verstoßen, weil der Staat bei einer klaren Inzidenz unter 35 gar keine Grundrechte pauschal für alle Bürger einschränken dürfe. Die Landesregierungen müssten jetzt zügig ihre Verordnungen ändern, sonst würden sie bald von den Verwaltungsgerichten gezwungen, warnte Kubicki laut BamS. Auch die Mo-FAZ (Helene Bubrowski), die Mo-taz (Barbara Dribbusch) und das Hbl (Heike Anger/Jürgen Klöckner) berichten über den Vorstoß.
Rechtspolitik
Anwaltliches Berufsrecht: In der vergangenen Woche hat der Bundestag große Änderungen der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) beschlossen. Die Sa-FAZ (Corinna Budras) stellt die Neuregelungen vor. Darin enthalten ist die Möglichkeit, nicht nur wie bisher mit anderen freien Berufen zu kooperieren, sondern sich sogar in einer Bürogemeinschaft oder Anwaltsgesellschaft zusammenzuschließen. Darüber hinaus hat das Parlament das sogenannte Legal-Tech-Gesetz beschlossen, das unter anderem Anwälten mehr Möglichkeiten gibt, ein Erfolgshonorar zu vereinbaren. Dagegen hatte sich zuvor insbesondere die Bundesrechtsanwaltskammer nachdrücklich ausgesprochen.
Rechtsprofessor Christian Wolf und Doktorandin Nadja Flegler analysieren auf LTO die Neuregelungen aus dem Legal-Tech-Gesetz kritisch und kommen zu dem Schluss, dass sie wohl nicht mehr Rechtssicherheit bringen.
Corinna Budras (FAZ) meint in einem separaten Kommentar, dass aufgrund des strengen Berufsrechtes bisher die nützlichsten Innovationen im Rechtsberatungsmarkt ohne Beteiligung der Anwaltschaft stattfanden. Das habe der Gesetzgeber nun endlich eingesehen und die Berufsregeln in einigen Bereichen deutlich gelockert – jetzt müssten die Anwälte aber auch liefern.
Lieferketten und Menschenrechte: Das umstrittene Lieferkettengesetz wurde in der vergangenen Woche vom Bundestag verabschiedet. Mit der Neuregelung werden große Unternehmen verpflichtet, ab 2023 gegen Menschenrechtsverletzungen und Umweltverstöße bei ihren Zulieferern vorzugehen. Bei Verfehlungen drohen Bußgelder von bis zu zwei Prozent des jährlichen Umsatzes, erläutern Sa-FAZ (Dietrich Creutzburg/ Julia Löhr u.a.) und spiegel.de (Stefan Schultz). Die Sa-FAZ (Mark Fehr) widmet sich in einem weiteren Artikel der Kritik am Gesetz. Alexander Kulitz, Sprecher für die Themen Außenhandel und Außenwirtschaft der FDP-Bundestagsfraktion und selbst Unternehmer, meint beispielsweise, es handele sich um das "schlechteste Gesetz dieser Legislaturperiode".
Die Rechtsanwälte Michael Braun und José A. Campos Nave fassen im Handelsblatt-Rechtsboard ausführlich den Inhalt der Neuregelung zusammen und ordnen sie in den bisherigen Rechtsrahmen ein.
Für Manfred Schäfers (Sa-FAZ) ist das neue Gesetz zwar gut gemeint, werde aber jenen nicht helfen, denen es helfen will. Unternehmen, denen es in rückständigen Regionen "zu heiß" werde, zögen sich einfach von dort zurück und das sei genau das Gegenteil von dem, was die Menschen dort in ihrer bitteren Not bräuchten.
Quellen-TKÜ: Der Bundestag hat in der vergangenen Woche beschlossen, Geheimdiensten und der Bundespolizei den Einsatz der Quellen-TKÜ zu erlauben. Außerdem werden Internet-Provider verpflichtet, bei der Installation von Schadsoftware zu helfen. Andere Telekommunikationsanbieter wie Messenger- oder E-Maildienste seien davon ausgenommen, schreibt netzpolitik.org (Pia Stenner). Die Gesellschaft für Freiheitsrechte und die Organisation Reporter ohne Grenzen würden bereits erwägen, gegen die Neuregelungen zu klagen. Auch die Sa-taz berichtet.
IMK – Reichskriegsflaggen: Die Innenministerkonferenz (IMK), die diese Woche stattfindet, plant einen Mustererlass zum Umgang mit Reichs- und Reichskriegsflaggen. Danach soll, wie die Mo-FAZ (Rüdiger Soldt), Mo-taz (Christian Rath) und zeit.de schildern, die Polizei nicht generell gegen Reichsflaggen und Reichskriegsflaggen vorgehen, sondern nur in bestimmten Zusammenhängen, insbesondere wenn die Präsentation einschüchternde Wirkung hat oder an NS-Veranstaltungen erinnert.
Christian Rath (Mo-taz) geht in einem separaten Kommentar davon aus, dass der differenzierte Mustererlass die Anforderungen der Rechtsprechung erfüllt. Der Autor findet es jedoch ärgerlich, dass das Vorgehen der Polizei auf § 118 Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) mit der Überschrift "Belästigung der Allgemeinheit" gestützt wird. Darum gehe es gerade nicht, in der Demokratie müsse man manche "Belästigung" auch von Feinden der Demokratie aushalten. Die Grenze sei erst erreicht, wenn eine Meinung den freien Diskurs gefährde.
Jumiko – Pakt für den Rechtsstaat: Die Länder wollen bei der anstehenden Justizministerkonferenz auch über die Forderung einer Verlängerung des Paktes für den Rechtsstaat beraten. Allerdings seien sich die Länder nicht einig, was konkret sie dabei wollen, schreibt LTO (Annelie Kaufmann). In einem Beschlussvorschlag aus Hamburg und Rheinland-Pfalz heißt es lediglich, die Länder sprächen sich "nachdrücklich für eine Fortschreibung und Intensivierung des Paktes aus" und man bitte die Bundesregierung "zeitnah in Verhandlungen" zu treten.
Jumiko – Cannabis: Berlins Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) will sich laut einer Meldung im Spiegel (Wolf Wiedmann-Schmidt) auf der kommenden Justizministerkonferenz für eine bundesweite Legalisierung von Canabis einsetzen. Laut seinem Beschlussvorschlag für die Justizministerkonferenz kommende Woche soll "die kontrollierte Abgabe von Cannabis zum eigenverantwortlichen Konsum" erlaubt und der Verkauf über "lizenzierte Fachgeschäfte" abgewickelt werden.
Transparenzregeln für Abgeordnete: Der Bundestag hat am vergangenen Freitag schärfere Regeln gegen Abgeordnetenbestechung und Einschränkungen für Lobbytätigkeiten beschlossen. Grundlage war ein gemeinsamer Gesetzentwurf von CDU/CSU, SPD, Grünen und Linken. Unter anderem wird das Strafmaß für Abgeordnete, die sich bestechen lassen, oder für Personen, die Abgeordnete bestechen, auf mindestens ein Jahr hochgesetzt. Damit gelte Abgeordnetenbestechung künftig als Verbrechen, so spiegel.de.
Kampf gegen Antisemitismus: Im Interview mit dem Spiegel (Wolf Wiedmann-Schmidt) fordert der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl härtere Strafen bei Volksverhetzung und Landfriedensbruch, wenn sich diese Straftaten gegen Gotteshäuser richten. Außerdem kritisiert er, dass antisemitische Straftaten, deren Hintergrund unklar ist, automatisch der rechtsextremistischen Szene zugeordnet werden. Insofern spiegele die Polizeistatistik die Wirklichkeit nicht ganz korrekt wider. Strobl will daher laut Mo-Welt (Kristian Frigelj) gemeinsam mit seinem Kollegen aus Nordrhein-Westfalen einen Vorstoß unternehmen, um die Erfassung von antisemitischen Straftaten bundesweit zu präzisieren.
Patentrecht: Eine umfassende Reform des Patentrechtes hat der Bundestag beschlossen, berichtet die Sa-FAZ (Corinna Budras). Damit sollen Unternehmen vor einer missbräuchlichen Verwendung von Patenten geschützt werden. So wird der Unterlassungsanspruch, den Patentinhaber geltend machen können, beschränkt – Gerichte können künftig im Einzelfall entscheiden, ob dem Hersteller der beanstandeten Ware durch den Produktionsstopp eine unverhältnismäßige Härte drohe. Die Initiative "IP2Innovate", die unter anderem von Adidas, BMW, Daimler, der Deutschen Telekom und SAP getragen wird, lobte die Reform, Kritik kommt dagegen von den Grünen, die als Nutznießer insbesondere große Konzerne sehen.
Mietspiegel: Die Koalition hat sich, so berichtet es die Sa-SZ (Thomas Öchsner), auf Änderungen im Mietspiegelrecht geeinigt. Kommunen mit mehr als 50 000 Einwohnern müssen künftig einen Mietspiegel erstellen, außerdem sollen Vermieter und Mieter verpflichtet werden, Auskunft über Miete und Merkmale der Wohnung zu geben, um die Datengrundlage für Mietspiegel zu verbessern.
Klimaschutz: Rechtsprofessor Christian Pielow und Ökonom Graham Weale beschreiben im FAZ-Einspruch die notwendigen erheblichen Auswirkungen, die eine nachhaltige Klimapolitik haben müsste. Nicht nur sei es erforderlich insbesondere Windenergie zu privilegieren, sondern es sei auf der anderen Seite auch mit massiven Freiheitsbeschränkungen zu rechnen. Es bleibe mit Spannung abzuwarten, wie verfassungsgerichtlich in Zukunft entschieden werde, wenn gegenüber Grundrechtseingriffen, die notwendig aus dem Gebot des Klimaschutzes folgen, andere und liebgewonnene Segnungen des "Gewährleistungsstaates" wie die freie Mobilität, großzügige Infrastrukturen oder auch die Verfügbarkeit von elektrischer Energie rund um die Uhr eingefordert werden, so die Autoren.
Justiz
EuGH zu susidiärem Schutz: Der rechtspolitische Referent bei PRO ASYL Peter von Auer analysiert im Verfassungsblog vertieft eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes von voriger Woche, in der es darum ging, nach welchen Kriterien festgestellt wird, wann gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG "eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts" besteht. Der Gerichtshof hat jetzt auf die Vorlage des VGH Baden-Württemberg hin entschieden, dass der bisherige rein quantitative Ansatz des Bundesverwaltungsgerichtes, wonach darauf ankommt, wie viele zivile Opfer es im Verhältnis zur Bevölkerung in einer Konfliktregion gibt, gegen die Qualifikationsrichtlinie verstößt.
BGH zu nachbarlicher Schwarzkiefer: Der Bundesgerichtshof hat festgestellt, dass überhängende Äste im Wege des Selbsthilferechts abgeschnitten werden dürfen. Damit unterlag vor dem für das Nachbarrecht zuständigen V. Zivilsenat des BGH ein Grundstückeigentümer, der sich dagegen gewehrt hatte, dass seine 15 Meter hohe Schwarzkiefer vom Nachbarn beschnitten wird. Er hatte argumentiert, dass der Baum dann nicht mehr stabil stehe oder sogar absterben könne. Über die Entscheidung schreiben die Sa-FAZ (Constantin van Lijnden), die Sa-SZ (Martin Zips), tagesschau.de (Gigi Deppe), LTO und spiegel.de.
tagesschau.de (Christoph Kehlbach) vergleicht die aktuelle Entscheidung mit früheren Richtersprüchen des BGH-Senates zum Nachbarschaftsrecht.
OLG Hamm zu Volksverhetzung: Das Oberlandesgericht Hamm hat laut LTO die Verurteilung eines Mannes zu 60 Tagessätzen wegen Volksverhetzung bestätigt. Auf einer Kundgebung der Partei "Die Rechte" im Jahr 2018 hatte der Mann folgendes geäußert: "Die Juden haben Christus verworfen, haben ihn kreuzigen lassen, sie haben sein Opfer für sich in Anspruch genommen und brauchten einen anderen Mythos. Den haben sie geschaffen und der findet auch seinen Niederschlag in § 130 Strafgesetzbuch." Bereits der Wortlaut der Aussage sei als Leugnung des Holocausts zu werten, so der Senat. Ein Zuhörer habe die Aussage so verstehen dürfen, dass der Holocaust nach Auffassung des Angeklagten eine Erfindung "der Juden" sei.
OLG Koblenz zu bloggenden Rechtsanwälten: Das Oberlandesgericht Koblenz hat laut LTO entschieden, dass von Anwältinnen und Anwälten betriebene Blogs kein journalistisch-redaktionalles Angebot sind und entsprechend auch kein Anspruch auf Veröffentlichung von Gegendarstellungen besteht.
LAG Nürnberg – "arbeitnehmerähnlicher" Anwalt: Das Landesarbeitsgericht Nürnberg hat festgestellt, dass ein selbstständiger Rechtsanwalt unter bestimmten Voraussetzungen als arbeitnehmerähnlich gelten kann. Im zu entscheidenden Fall ging es um einen selbstständigen Rechtsanwalt, der für drei Tage die Woche in einer Kanzlei tätig war und die ihm zugeteilten sowie eigene Mandate in den Kanzleiräumlichkeiten bearbeitete. Die Honorarforderungen hatte er an die Rechtsanwaltskanzlei abgetreten und dafür eine monatliche Zahlung in Höhe eines festen Betrags erhalten. Da dieser Fixbetrag knapp 70 Prozent seines Jahreseinkommens ausmachte und er ausschließlich die Ressourcen der Kanzlei verwendete, meinte das LAG laut LTO, dass man den Anwalt als arbeitnehmerähnliche Person betrachten könne und daher der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten eröffnet sei.
StA München – Schönheits-OPs: Die Staatsanwaltschaft München ermittelt gegen einen plastischen Chirurgen, der in Dutzenden Fällen Schönheitsoperationen verpfuscht haben soll. Der Spiegel (Hubert Gude) berichtet über den Fall.
VG Berlin zur Sonntagsöffnung: Weil ein Supermarkt, der eine E-Ladestation auf dem Parkplatz installiert hat, nicht als Tankstelle zählt, darf er auch nicht sonntags öffnen. Das hat laut LTO das Verwaltungsgericht Berlin festgestellt.
Dieselklagen: Laut Mo-FAZ und Mo-SZ bleibt auch fast sechs Jahre nach Bekanntwerden des Dieselskandals die Zahl der Klagen gegen Autobauer wie etwa Volkswagen und Daimler hoch. Eine Umfrage des Deutschen Richterbundes habe ergeben, dass es im vergangenen Jahr an den 24 Oberlandesgerichten rund 30.000 neue Fälle gab.
Recht in der Welt
Carla Del Ponte: Im Interview mit dem Spiegel (Maximilian Popp/Mathieu von Rohr) spricht die frühere Chefanklägerin am Internationalen Jugoslawientribunal Carla Del Ponte über politische Einflüsse auf die Ermittlungen und über ihre Enttäuschung, dass sich der permanente Internationale Strafgerichtshof nicht zuletzt wegen des Widerstandes der USA und Russlands nicht wie erhofft entwickelt hat.
Die Mo-SZ (Rolf Lamprecht) stellt das neue Buch von Carla Del Ponte "Ich bin keine Heldin – mein langer Kampf für Gerechtigkeit" vor: Der Leser lerne, dass im Völkerrecht, wo die Gegensätze mitunter krass aufeinanderprallen, ohne Geduld und ohne Versöhnungswillen nichts gehe, meint der Rezensent.
Polen – Justizreform: LTO (Annelie Kaufmann) fasst zusammen, wie die polnische Regierung seit 2015 versucht, das Justizsystem des Landes umzugestalten. Zusammen mit staatlichen Kampagnen gegen die Richterschaft, in denen Richterinnen und Richtern etwa Korruption vorgeworfen wird, ist das Justizsystem heftig – und womöglich auf längere Sicht unumkehrbar – beschädigt, warnte Richterin Beata Morawiec, die sich kürzlich erfolgreich gegen ihre Suspendierung wehrte.
Österreich – Rücktritt eines Verfassungsrichters: Nun widmet sich auch Rechtsprofessor Theo Öhlinger im Verfassungsblog dem Rücktritt des österreichischen Verfassungsrichters und früheren Justizministers Wolfgang Brandstetter. Zum Verhängnis geworden waren ihm Chatnachrichten in denen er u.a. Kritik an Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes geübt und dabei womöglich das Beratungsgeheimnis verletzt hat. Der Autor beleuchtet dabei auch kritisch die österreichische Besonderheit, dass die Richter des Verfassungsgerichtshofes nebenberuflich tätig sind. Insbesondere für Anwälte würden dadurch Fragen einer möglichen Befangenheit aufgeworfen.
Sonstiges
EU-Vertragsverletzungsverfahren/EZB-Urteil: Die Sa-SZ (Thomas Kirchner) fasst noch einmal die Gründe zusammen, warum die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet hat. Es geht um das EZB-Urteil des Bundesverfassungsgerichtes aus dem Mai 2020, mit dem die Karlsruher Richter sich gegen eine vorherige Entscheidung des EuGH gestellt hatten. Dass die Entscheidung der EU-Kommission für ein Vertragsverletzungsverfahren in Berlin auf Verärgerung und Ratlosigkeit gestoßen sei, schreibt der Spiegel (Christian Reiermann). Justizministerium und Finanzressort würden sich gegenseitig die Verantwortung dafür zuschieben, auf den Brüsseler Beschluss zu reagieren.
Der wissenschaftliche Mitarbeiter Benedikt Riedl stellt im Verfassungsblog dar, weshalb das Vertragsverletzungsverfahren politisch unklug, rechtlich unzulässig und unbegründet sein könnte. Die Politikwissenschaftlerin Thu Nguyen meint dagegen ebenfalls im Verfassungsblog (in englischer Sprache), dass die Entscheidung der Kommission richtig war, weil es um eine Grundsatzfrage gehe. Europarechtsprofessor Ulrich Haltern sieht in der Mo-SZ bei der Kommission eher eine für Europa schädliche Prinzipienreiterei. Das Verfahren verhindere ein Gespräch über ernsthafte Lösungen und versperre den Weg aus dem juristischen Streit heraus in die Zukunft.
Thomas Gutschker (FAS) plädiert, für eine letztverbindliche Auslegung des EU-Rechts eine eigene Schlichtungskammer mit nationalen und europäischen Richtern einzurichten. Doch müsse auch dort klar sein, wer am Ende entscheidet.
Rechtsgeschichte – 218 StGB: spiegel.de (Jelena Malkowski) blickt anhand von drei Beispiele aus drei Generationen zurück auf die 150-jährige Geschichte des Abtreibungsverbotes in § 218 Strafgesetzbuch (StGB).
Rechtsgeschichte – NS-Rechtsprechung: Sebastian Felz, Vorstandsmitglied beim Verein "Forum Justizgeschichte" rezensiert auf LTO das Buch "Willige Vollstrecker oder standhafte Richter?" für das fünf Richter des OLG Frankfurt am Main tausende Entscheidungen gesichtet und rund 270 zivilrechtliche Urteile aus der NS-Zeit ausgewertet haben. Mit diesem quellengesättigten Werk könne die auf historischer Kenntnis beruhende Ertüchtigung "zur kritischen Reflexion" in Studium und Referendariat gelingen, so das Fazit.
Rechtsgeschichte – Freispruch eines NS-Richters: Heribert Prantl (Sa-SZ) erinnert an den Freispruch des NS-Richters Otto Thorbeck, der das Todesurteil gegen Dietrich Bonhoeffer gefällt hatte. Der Bundesgerichtshof attestiert Thorbeck vor 65 Jahren, er habe ein "einwandfreies Verfahren" geführt. Das oberste Strafgericht des Rechtsstaats Bundesrepublik habe damit ein fürchterlich falsches Urteil gefällt, mit verheerenden Folgen. Der Freispruch des Bundesgerichtshofs stehe exemplarisch für das Versagen der bundesdeutschen Justiz, die Schreibtischtäter des NS-Regimes strafrechtlich zu verfolgen, schreibt Prantl.
"Juristin" Baerbock: Der Tsp (Jost Müller-Neuhof) befasst sich mit der Frage, ob sich die grüne Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock zurecht als "Juristin" bezeichnet und bezeichnen lässt. Der Autor hält dies für "ungewöhnlich". Bei dem Begriff handele es sich aber nicht um eine geschützte Berufsbezeichnung.
100 Jahre Wasserstraßenrecht: Am 13. Juni 1921 schlossen das Deutsche Reich und der Freistaat Bayern den Vertrag "über die Ausführung der Main-Donau-Wasserstraße und den Ausbau der bayerischen Donau". Dieses Datum nimmt Martin Rath auf LTO zum Anlass, die Vor-und Nachteile einer zentralisierten Wasserstraßenverwaltung aufzuzeigen.
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lto/pf
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Die juristische Presseschau vom 12. bis 14. Juni 2021: . In: Legal Tribune Online, 14.06.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/45191 (abgerufen am: 25.11.2024 )
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