Seit Aussetzung der Wehrpflicht kämpft die Bundeswehr um Nachwuchs. Eine Neuauflage angesichts des Krieges stößt auf viel Ablehnung - doch auch die Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht wird debattiert.
Die Wehrpflicht war 2011 nach 55 Jahren unter dem damaligen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) ausgesetzt worden, was in der Praxis einer Abschaffung von Wehr- und Zivildienst gleich kam. Der russische Angriff auf die Ukraine hat eine neue Debatte über die Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht in Deutschland ausgelöst. Politiker:innen aus Union und SPD forderten eine Diskussion über einen solchen Schritt, der Wehrdienst und soziale Dienste vereint. Der Sicherheitsexperte der SPD-Bundestagsfraktion, Wolfgang Hellmich, hatte der Rheinischen Post gesagt, die Debatte müssen dringend geführt werden. Eine Dienstpflicht würde den Gemeinsinn fördern.
Gegen eine Wiedereinführung der Wehrpflicht hat sich zunächst der Generalinspekteur der Bundeswehr klar ausgesprochen. "Die Wehrpflicht, so, wie wir sie noch kennen, ist in der jetzigen Situation nicht erforderlich", sagte Generalinspekteur Eberhard Zorn den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Die Bundeswehr und ihre Aufgaben hätten sich verändert. "Für den Kampf im Cyberraum, um nur ein Beispiel zu nennen, sind Wehrpflichtige absolut ungeeignet", erklärte Zorn.
Außerdem wies Zorn daraufhin, dass eine Entscheidung dieser Tragweite nicht auf die Schnelle getroffen werden könne. "Mit Blick auf eine Umstrukturierung der Bundeswehr wieder hin zu einer Streitkraft, die sich wesentlich auf eine Mobilmachung aus dem Volk heraus abstützt, muss es vorher eine gesamtgesellschaftliche Debatte geben, die deutlich über das Wehrressort hinausgeht", sagte er. "Die Vorbereitungen dafür bräuchten dann auch viel Zeit, Kraft und den politischen wie gesellschaftlichen Konsens, dass das sicherheitspolitisch erforderlich ist - von der Klärung rechtlicher und grundgesetzlicher Fragen ganz abgesehen."
"Mehr als befremdlich"
Auch führende SPD-Politiker:innen sprachen sich gegen die Wiedereinführung der Wehrpflicht als Reaktion auf den Angriff Russlands auf die Ukraine aus. "Eine Reaktivierung der Wehrpflicht leistet keinen Beitrag zum Abbau aktueller Bedrohungen und lenkt von dringlichen Problemen ab", sagte SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert den Funke-Zeitungen.
Der Hamburger CDU-Chef Christoph Ploß unterstützte hingegen die Forderung mehrerer Unionspolitiker:innen nach einer allgemeinen Dienstpflicht, die "bei der Bundeswehr, aber etwa auch bei Hilfsorganisationen oder in den Bereichen Pflege und Erziehung absolviert werden kann", wie er den Funke-Zeitungen sagte.
Aber auch das wird kritisiert: "Dass die Union nun die allgemeine Dienstpflicht aus der Mottenkiste holt, ist mehr als befremdlich", sagte Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) dem RND. Kinder und Jugendliche bräuchten nach der Corona-Pandemie nicht auch noch einen staatlichen Eingriff in ihren Lebenslauf. So sieht es auch die SPD-Vorsitzende Saskia Esken: "Die Dienstpflicht - darüber haben wir lange genug diskutiert, damit ist Schluss", sagte sie am Mittwoch im Frühstart von RTL/ntv. Eine Wiedereinführung würde weder bei der Verbesserung des Zustands der Bundeswehr noch in der aktuellen Auseinandersetzung mit Russland helfen.
dpa/cp/LTO-Redaktion
Debatte anlässlich des Ukraine-Kriegs: . In: Legal Tribune Online, 02.03.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/47689 (abgerufen am: 19.11.2024 )
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