Der Tod des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke wird nun von höchster Stelle untersucht. Der Generalbundesanwalt übernimmt die Mordermittlungen, Grund sind Hinweise auf einen rechtsextremen Hintergrund.
Der Generalbundesanwalt untersucht nun den Fall des getöteten Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke. Wie am Montag bekannt wurde, übernahm die Karlsruher Strafverfolgungsbehörde den Fall. Sie wird dabei mit der eingerichteten Sonderkommission zusammenarbeiten. Am Sonntag war ein 45-Jähriger in Kassel festgenommen worden, der im Verdacht steht, Lübcke getötet zu haben.
Der Generalbundesanwalt ist gem. § 120 Abs. 2 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) zuständig bei Straftaten mit terroristischem oder staatsgefährdendem Hintergrund oder bei Taten, die geeignet sind, die äußere oder innere Sicherheit der Bundesrepublik zu beeinträchtigen und vom Generalbundesanwalt als besonders bedeutsam erachtet werden. Liegen die Voraussetzungen vor, so muss er das Verfahren an sich ziehen.
Hintergrund der Übernahme des Falls Lübcke sind offenbar Hinweise auf einen rechtsextremen Tathintergrund, die ein Sprecher des Generalbundesanwalts am Montagnachmittag bestätigte. Man stütze dies auf das Vorleben des Beschuldigten und seine öffentlichen Äußerungen in der Vergangenheit. Hinweise auf ein rechtes Terror-Netzwerk hinter dem Täter lägen derzeit nicht vor. Die Ermittlungen habe seine Behörde aufgrund ihrer besonderen Bedeutung an sich gezogen, so der Sprecher, der von einer "heimtückischen" Tötung durch einen Kopfschuss sprach.
Lübcke war am 2. Juni um 0.30 Uhr mit einer Kopfwunde auf der Terrasse seines Wohnhauses in Wolfhagen-Istha (Kreis Kassel) gefunden worden. Gegen 2.35 Uhr wurde der Tod Lübckes festgestellt. Polizei und Landeskriminalamt ermittelten wegen unklarer Todesumstände, gingen aber bald von einem Tötungsdelikt aus. Lübcke soll durch einen Kopfschuss aus nächster Nähe gestorben sein. Im Zuge der Ermittlungen wurde eine 50-köpfige Sonderkommission eingerichtet.
Verdächtiger bereits wegen ausländerfeindlicher Gewalt verurteilt
Der nun festgenommene Verdächtige soll nach einem Bericht von Zeit Online im Jahr 1993 einen Anschlag auf ein Asylbewerberheim im hessischen Hohenstein-Steckenroth verübt haben. Damals war ein brennendes Auto an der Unterkunft im Rheingau-Taunus-Kreis gerade noch rechtzeitig gelöscht worden, bevor der selbst gebastelte Sprengsatz auf der Rückbank detonieren konnte. Bei dem damals festgenommenen 20-Jährigen habe es sich um den Mann gehandelt, der nun im Fall des erschossenen Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke unter Mordverdacht stehe, berichtete Zeit Online am Montag. Bestätigt haben die Ermittler das bisher nicht.
Nach der Tat in Hohenstein und der Festnahme hatte die Polizei damals mitgeteilt, der 20-Jährige habe zugegeben, allein und aus ausländerfeindlichen Motiven gehandelt zu haben. Er sei bereits zuvor unter anderem wegen Brandstiftung sowie Verstößen gegen das Waffengesetz und Körperverletzung in Erscheinung getreten. Zeit Online berichtete, der Mann sei wegen der Tat damals zu einer Haftstrafe verurteilt worden.
Nach Informationen des Nachrichtenmagazins Der Spiegel soll der Mann zumindest in der Vergangenheit auch im Umfeld der hessischen NPD aktiv gewesen sein. Vor zehn Jahren sei er auch an Angriffen von Rechtsradikalen auf eine Kundgebung des Deutschen Gewerkschaftsbundes am 1. Mai 2009 in Dortmund beteiligt gewesen. Er sei damals wegen Landfriedensbruchs zu sieben Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden. Seither sei er nicht mehr als extremistisch aufgefallen, berichtete der Spiegel unter Berufung auf Sicherheitskreise.
Lübcke im Visier von Rechten
Walter Lübcke hatte sich 2015, so wie viele Politiker auf kommunaler und nationaler Ebene, für die Aufnahme von Flüchtlingen ausgesprochen. Er begründete dies mit christlichen Werten. Für seine Äußerungen war er von Rechten angefeindet worden und erhielt Morddrohungen. Kurzzeitig stand er sogar unter Polizeischutz.
Thomas Haldenwang, der neue Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, hat seit seinem Amtsantritt als Behördenleiter im vergangenen November mehrfach betont, er sehe aktuell erhebliche Risiken im rechten Spektrum. Seine Behörde beschreibt die Szene in einer vertraulichen Analyse, über die die Welt berichtete, als zersplittert: Als maßgebliche Akteure träten mittlerweile "vor allem wenig komplex organisierte Kleingruppen und Einzelpersonen in Erscheinung". Klassische und größere rechtsextreme Organisationen verlören an Einfluss. Damit sei die Überwachung in den vergangenen Jahren "deutlich arbeits- und personalintensiver geworden".
mam/LTO-Redaktion/dpa
Hinweise auf rechtsextremen Hintergrund: . In: Legal Tribune Online, 17.06.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/35965 (abgerufen am: 03.11.2024 )
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