"Deutsche Wohnen & Co enteignen": Was bedeutet die Mehr­heit für den Ber­liner Volks­ent­scheid?

27.09.2021

Sollten große Wohnungsunternehmen enteignet werden? Darüber hat Berlin am Sonntag abgestimmt. Das Ergebnis steht nun fest, rechtlich bindend ist die Entscheidung für die Politik jedoch nicht. Sie steht aber unter Zugzwang.

Beim Berliner Volksentscheid über Enteignungen von Immobilienkonzernen stimmten 56,4 Prozent der Wählerinnen und Wähler für das Vorhaben, 39 Prozent waren dagegen. Die Abstimmungsbeteiligung lag bei 75 Prozent. Unter dem Titel "Deutsche Wohnen & Co enteignen" konnten die Berlinerinnen und Berlin darüber abstimmen, ob große Wohnungskonzerne mit mehr als 3.000 Wohnungen enteignet werden sollen.

Mit dem Erfolg des Volksentscheids ist der Berliner Senat laut Beschlusstext aufgefordert, "alle Maßnahmen einzuleiten", die zur Überführung von Immobilien in Gemeineigentum erforderlich sind, und dazu ein Gesetz zu erarbeiten.

"Wir lassen nicht locker"

Die Initiative "Deutsche Wohnen & Co. enteignen", die 2019 startete, hat den Volksentscheid mit Berufung auf die Hochrechnungen bereits am Sonntag für gewonnen erklärt. "Gemeinsam haben wir die Stadt bewegt und die Politik aufgerüttelt", teilte die Sprecherin der Initiative, Joanna Kusiak, am Sonntagabend mit.

"Egal in welcher Zusammensetzung - die zukünftige Regierungskoalition wird die Vergesellschaftung von Wohnungskonzernen umsetzen müssen. Die Forderung zur Vergesellschaftung vereint weit mehr Stimmen hinter sich als jede Partei", so Kusiak weiter. 

Die Initiative kündigte an, die kommenden Koalitionsverhandlungen intensiv zu begleiten: "Wir akzeptieren weder Hinhaltestrategien noch Abfangversuche. Wir kennen alle Tricks", so Kalle Kunkel, ein weiterer Sprecher der Initiative. "Wir lassen nicht locker, bis die Vergesellschaftung von Wohnungskonzernen umgesetzt ist."

Konkret geht es bei dem in Deutschland bisher einmaligen Vorhaben um Unternehmen mit mehr als 3.000 Wohnungen in Berlin, soweit sie eine "Gewinnerzielungsabsicht" verfolgen. Diese sollen vergesellschaftet, also gegen Entschädigung enteignet und in eine Anstalt öffentlichen Rechts überführt werden. Betroffen wären rund 240.000 Wohnungen, etwa 15 Prozent des Berliner Bestands an Mietwohnungen.

Keine rechtliche Bindung

Das Votum ist für die Politik rechtlich nicht bindend. Denn abgestimmt wurde nicht über einen konkreten Gesetzentwurf. Gleichwohl werden sich der neue Senat und das neugewählte Abgeordnetenhaus damit ernsthaft auseinandersetzen müssen.

Die Initiative "Deutsche Wohnen & Co enteignen" als Initiator des Volksentscheids glaubt, mit Hilfe einer Vergesellschaftung von Wohnungen den Anstieg der Mieten stoppen und langfristig bezahlbare Mieten sichern zu können. Ob der Berliner Senat nun ein solches Gesetz erarbeitet, ist offen und hängt von der politischen Zusammensetzung der neuen Landesregierung ab. SPD, CDU, AfD und FDP sind – wie die Wirtschaft – gegen Enteignungen. Die Linke ist ohne Wenn und Aber dafür und stellte bereits am Montag eine Forderung an die künftige Regierung, ein rechtssicheres Gesetz zu erarbeiten. Die Grünen halten einen solchen Schritt "als letztes Mittel" für möglich.

Die Entschädigungskosten würden sich laut Prognosen des Senats auf 29 bis 36 Milliarden Euro belaufen. Die Enteignungsinitiative rechnet hingegen mit 7,3 bis 13,7 Milliarden Euro. Sie will die Immobilienunternehmen nicht mit Geld, sondern mit Schuldverschreibungen entschädigen, die dann über 40 Jahre aus den Mieteinnahmen getilgt werden. In jedem Fall dürfte ein solches Vorhaben von dem Bundesverfassungsgericht landen. Dort war Berlin zuletzt im April mit dem Mietendeckel gescheitert, also staatlich verordneten Obergrenzen für Mieten.

ast/dpa/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

"Deutsche Wohnen & Co enteignen": . In: Legal Tribune Online, 27.09.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/46124 (abgerufen am: 04.11.2024 )

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