Auch Geimpfte und Genesene werden in der Corona-Pandemie nicht so schnell zur Normalität zurückkehren können wie vielleicht erhofft. Das macht der jüngste Beschluss des VGH in Baden-Württemberg deutlich.
Ein Seniorenheim darf nach einem Gerichtsbeschluss auch gegen das Coronavirus geimpfte oder daran genesene Bewohner nicht gesondert bewirten. Es sei derzeit wissenschaftlich nicht ausreichend geklärt, ob diese Personengruppen das Virus weitergeben könnten, begründete der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg seinen am Donnerstag veröffentlichten Beschluss (v. 18.03.2021, Az. 1 S 774/21).
Er bestätigte damit eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Freiburg, bei dem die Antragstellerin in erster Instanz aus gleichem Grund gescheitert war. Sie wollte erreichen, das Landratsamt Lörrach gerichtlich zu verpflichten, ein gastronomisches Angebot nur für geimpfte und genesene Senioren als Ausnahme von der Corona-Verordnung des Landes zu genehmigen. Kritik an der Gerichtsentscheidung kam von der Deutschen Stiftung Patientenschutz: Mit dieser Argumentation blieben die 900.000 Pflegeheimbewohner bis zum Sankt-Nimmerleinstag im Lockdown, so die Stiftung.
Dem VGH zufolge gibt es zwar Berichte von Untersuchungen aus Israel, die den Schluss nahelegten, dass eine Impfung auch eine Weiterverbreitung verhindern könne. Diese Daten seien derzeit jedoch weder in einem wissenschaftlichen Fachmagazin noch einer Vorabpublikation veröffentlicht und hätten auch noch keinen wissenschaftlichen Begutachtungsprozess durchlaufen.
Die Patientenschützer forderten die Bundesregierung auf, endlich verlässliche Daten darüber zu liefern, wie groß die Infektionsgefahr von geimpften Menschen ist. "Niemand hat mehr Verständnis dafür, dass nach millionenfachen Impfungen innerhalb der letzten drei Monate in Deutschland in dieser Schlüsselfrage immer noch alles unklar ist", betonte Eugen Brysch vom Vorstand des Verbandes.
Die VGH-Richterinnen und Richter in Mannheim wollten hingegen nicht ausschließen, dass auch von Geimpften und Genesenen weiterhin eine Ansteckungsgefahr ausgehen und damit neue das Gesundheitswesen belastende Infektionsketten entstehen könnten. Dieses Risiko wäre derzeit allenfalls vernachlässigbar, wenn auch außerhalb der "Blase" des Seniorenheims eine Vielzahl von Menschen immun oder durch eine Impfung vor einem schweren Krankheitsverlauf geschützt wären, so das Gericht. Hiervon sei jedoch bei einer aktuellen Impfquote von 8,2 Prozent Erst- und 3,6 Prozent Zweitimpfungen bezogen auf die Gesamtbevölkerung derzeit noch nicht auszugehen. Das verbleibende Restrisiko sei daher nicht "sozialadäquat". Der Beschluss ist unanfechtbar.
dpa/acr/LTO-Redaktion
VGH Baden-Württemberg: . In: Legal Tribune Online, 18.03.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/44537 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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