Die Trierer Verwaltungsrichter stellen sich weiter gegen das BAMF: Sie werden auch künftige Bescheide der Bundesbehörde kippen und stattdessen vielen Syrern den vollen Flüchtlingsstatus zuerkennen.
Das Verwaltungsgericht (VG) Trier hält an seiner Rechtsprechung zum Schutz syrischer Flüchtlinge fest. Eine Verhandlung mehrerer Klagen von Syrern auf vollen Flüchtlingsstatus habe gezeigt, dass die bisherige Praxis "jetzt erst recht" richtig sei, so die Richter. Auch weiterhin solle der Flüchtlingsstatus und nicht nur subsidiärer Schutz gewährt werden, wenn der Betroffene illegal aus Syrien ausgereist ist, in Deutschland einen Asylantrag gestellt hat und sich seit längerem hierzulande aufhält. Aktuell drohe den Menschen bei einer Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die politische Verfolgung, so die Urteile am Freitag (v. 07.10.2016, Az. 1 K 5093/16.TR u.a.).
Damit widerspricht das Trierer Gericht dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Die Behörde ist der Auffassung, dass viele Syrer nur subsidiären Schutz bekommen und nicht als Flüchtlinge anerkannt werden sollten. Deswegen hat das BAMF bereits in 156 Fällen Berufung gegen ähnliche Urteile des Trierer VG beim Oberverwaltungsgericht (OVG) Rheinland-Pfalz in Koblenz eingelegt. Aber nicht nur in Trier wird Syrern der volle Flüchtlingsstatus gewährt: Immer mehr Gerichte erster Instanz geben den Flüchtlingen Recht.
VG Trier widerspricht BAMF in Hunderten Fällen
Das Gericht in Trier ist nach seiner besonderen Zuständigkeit in Rheinland-Pfalz für sämtliche Asylklagen Anlaufstelle - und hat in diesem Jahr bereits in Hunderten Fällen Klagen von Syrern Recht gegeben und damit Entscheidungen des BAMF aufgehoben. Der subsidiäre Schutzstatus hat zur Folge, dass die Betroffenen eine Aufenthaltsberechtigung von nur jeweils einem Jahr haben. Drei sind es hingegen, wenn der Flüchtlingsstatus anerkannt wird.
In Trier ist man davon überzeugt, dass die Flucht und die Beantragung von politischem Asyl vom syrischen Regime als "Ausdruck einer politisch missliebigen Gesinnung und damit als Kritik am herrschenden System" angesehen werde. Rückkehrern drohten daher willkürliche Inhaftierungen unter menschenunwürdigen Bedingungen und Misshandlungen, Berichte internationaler Organisationen und des US-Außenministeriums belegten dies. Alle Flüchtlinge würden von der syrischen Regierung als Oppositionelle betrachtet, schätzen die Richter die Lage in Syrien ein.
Angesichts der hohen Flüchtlingszahlen war im März 2016 mit dem sogenannten Asylpaket II der Familiennachzug von Ausländern mit subsidiärem Schutz für die Dauer von zwei Jahren ausgesetzt worden. Subsidiärer Schutz wird jenen gewährt, die weder auf Asyl noch auf den Flüchtlingsstatus Anspruch haben. 2015 hatten Syrer praktisch automatisch den Flüchtlingsstatus bekommen.
Entscheidungen von OVG und BVerwG sind abzuwarten
Die anstehenden Berufungsverfahren beim OVG Rheinland-Pfalz hat das Trierer Gericht zum Anlass genommen, seine Rechtsprechung grundsätzlich zu überprüfen. Theoretisch hätte man auch "alle Verfahren erstmal ruhen lassen können, bis es eine Entscheidung gibt", so der Vorsitzende des Gerichts. Die Leute habe man aber nicht über ihren Status im Ungewissen lassen wollen.
In diesem Jahr seien bis Mitte September rund 2100 solcher Klagen eingegangen. Auch am Freitag standen drei Familien und ein Mann vor dem Trierer Gericht, weil sie statt des subsidiären Schutzes den Flüchtlingsstatus verlangten. In drei Fällen gab die Kammer den Klägern Recht, in einem Fall nicht, weil die Betroffenen nicht illegal aus Syrien ausgereist waren.
Ein Sprecher des OVGs sagte, es sei nicht absehbar, wann eine Entscheidung im Berufungsverfahren ergehen werden. Die Trierer Richter vermuten einen Termin erst 2017 und ein anschließendes Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVerwG).
Zuvor wird das OVG Schleswig-Holstein als bundesweit erstes Berufungsgericht am 23. November in einem Verfahren der Bundesrepublik Deutschland gegen Entscheidungen des dortigen Verwaltungsgerichts entscheiden.
dpa/mgö/LTO-Redaktion
VG Trier hält an Flüchtlings-Rechtsprechung fest: . In: Legal Tribune Online, 07.10.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20806 (abgerufen am: 22.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag