Tauben waren in einem Betrieb zur Plage geworden, das Landratsamt hatte daraufhin die Tötung der Tiere erlaubt. Laut VG hätte es aber zunächst andere Möglichkeiten prüfen müssen, um das Problem in den Griff zu bekommen.
Das Verwaltungsgericht (VG) Stuttgart hat eine behördliche Erlaubnis zum Töten von Tauben gestoppt, die in einem Betrieb im Ostalbkreis zur Plage geworden waren. Das Landratsamt habe nicht hinreichend geprüft, ob diese Maßnahme geeignet, erforderlich und angemessen ist (Urt. v. 29.09.2021, Az. 15 K 4096/19).
Das Gericht zeichnet in dem nun bekanntgewordenen Urteil von Ende September die Umstände nach: Demnach hatte eine Amtstierärztin des Landratsamtes 2018 bei einer Ortsbesichtigung festgestellt, dass verwilderte Stadttauben das gesamte Betriebsgelände und die Produktionshalle befallen hätten. Vor allem seien Maschinen verkotet und durch Federn verunreinigt worden. Die gesamte Tagesproduktion werde mitunter unbrauchbar, Kartonagen und Verpackungsboxen müssten gereinigt werden, um Kundenreklamationen zu vermeiden. Es entstünden erhebliche Schäden und fortlaufende Reinigungskosten.
"Der Taubendreck an den Maschinenarbeitsplätzen, in den Aufenthaltsbereichen und auf den Laufwegen der Mitarbeiter gefährde die Arbeitssicherheit", heißt es in dem Urteil weiter, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Die Behörde ging von einer "konkreten Gefährdung" der Gesundheit der Mitarbeiter aus.
"Menschliche Gesundheit höherer Rang als Tierschutz"
Nachdem umfangreiche Maßnahmen zur Vergrämung erfolglos gewesen seien, stufte die Behörde die Tauben als Schädlinge ein. Sie seien als Ultima Ratio durch einen stumpfen Schlag auf den Kopf zu betäuben und direkt per Genickbruch zu töten. "Dem Schutzgut der menschlichen Gesundheit komme ein höherer Rang als dem Tierschutz zu", hieß es.
Das Gericht folgte zwar der Einstufung der Vögel als Schädlinge, deren Tötung in der Tat einem legitimen Zweck - dem Schutz der körperlichen Unversehrtheit der Mitarbeiter - diene. Allerdings habe das Landratsamt nicht ausreichend Alternativen geprüft. Zwar hieß es in der Verhandlung, dass mehr Umsiedlungsmöglichkeiten gebraucht würden als verfügbar seien. "Dies enthebt eine Tierschutzbehörde jedoch nicht der Pflicht, in eine einzelfallbezogene Prüfung einzutreten", so das VG.
Das Gericht hob die Bescheide des Landratsamtes daher auf. Das Landratsamt in Aalen wird laut einer Sprecherin nicht vor den Verwaltungsgerichtshof ziehen, weil der zugrundeliegende Antrag inzwischen zurückgezogen sei.
Der Landestierschutzverband Baden-Württemberg, der gegen den Bescheid geklagt hatte, zeigte sich erfreut: "Das Tötungsverbot gilt auch für Tauben." Veterinärbehörden müssten prüfen, ob die Tiere anderswo untergebracht werden können, erläuterte der Vorsitzende Stefan Hitzler kürzlich in Karlsruhe. "Wir haben das sogar angeboten, aber dem Veterinäramt war das egal."
Beschränkung von Sitzmöglichkeiten als Alternative
Daniela Lisenfeld vom Tierschutzbund sagte, mit Abwehrmaßnahmen wie Netzen habe die Firma die Sitzmöglichkeiten so beschränkt, dass die zuletzt rund 40 Tauben weitgehend in umliegenden Bäumen blieben.
Die Tierschützer erläuterten, dass diese Vögel nicht einfach in der Wildnis ausgesetzt werden dürften. Würden sie aber in betreuten Taubenschlägen untergebracht, kämen sie nach einer Eingewöhnungsphase freiwillig dorthin zurück. Die Eier würden dann gegen Gipsmodelle ausgetauscht, so dass sich die Tiere nicht mehr vermehren können. "Eine Tötung überzähliger Tiere wird so verhindert." Dieses Vorgehen ist auch bei Stadttauben an öffentlichen Plätzen üblich.
dpa/pdi/LTO-Redaktion
VG Stuttgart: . In: Legal Tribune Online, 05.01.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/47114 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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