In NRW müssen Pflegeheimbewohner isoliert werden, wenn nach einem "konkreten Anlass" eine Corona-Infektion nicht ausgeschlossen werden kann. Was ein solcher sein soll, ist jedoch nicht definiert, weswegen das Gericht die Regelung kippte.
Die Bewohnerin eines Pflegeheims im Kreis Lippe darf wegen Corona nicht länger isoliert werden. Das Verwaltungsgericht (VG) Minden gab in einem Eilverfahren dem Antrag der Frau statt (Beschl. v. 14.10.2020, Az. 7 L 729/2). Gegen den Beschluss können noch Rechtsmittel eingelegt werden.
Die Frau klagt gegen eine Allgemeinverfügung des nordrhein-westfälischen Gesundheitsministeriums (CoronaAVPflegeundBesuch). In dieser Verfügung vom 31. August 2020 wird vorgegeben, dass Pflegebedürftige isoliert werden müssen, bei denen nach einem konkreten Anlass eine Corona-Infektion nicht ausgeschlossen werden kann.
Das VG Minden hat die aufschiebende Wirkung der gegen diese Regelung erhobenen Klage angeordnet. Die summarische Prüfung der entsprechenden Norm habe eine "offensichtliche Rechtswidrigkeit" ergeben: Es fehle die Ermächtigungsgrundlage. Die vom Ministerium gewählte Generalermächtigung aus § 28 Abs. 1 Sätze 1 und 2 IfSG komme nicht in Betracht, da es spezialgesetzliche Regelungen in § 30 IfSG gebe.
Außerdem bemängelt das Gericht in seinem Beschluss, dass die Pflegeeinrichtung selbst entscheidet, wer isoliert wird - und nicht die zuständige Behörde. Eine derartige "Entkoppelung von einem behördlichen Entscheidungsprozess" sei rechtswidrig. Auch sei die Formulierung "konkreter Anlass" in der Verfügung zu ungenau, da die Allgemeinverfügung nicht enthalte, wann ein solcher vorliegt.
Der Beschluss wird begrüßt
"Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts in Minden hat Signalwirkung. Denn in vielen Bundesländern wurde das allgemeine Betretungsverbot aufgehoben und an die Einrichtungen delegiert. Doch freiheitsentziehende Maßnahmen der Isolation bedürfen hoheitsrechtlicher Entscheidungen", sagte Eugen Brysch von der Deutschen Stiftung Patientenschutz zu dem Beschluss.
Der Staat dürfte sich nicht vor der Verantwortung drücken, wenn es um Eingriffe in die Grundrechte der Pflegeheimbewohner gehe. Die Bundesländer seien aufgefordert, ihre Corona-Schutzverordnungen für Pflegeheime zu überprüfen, sagte Brysch. Sollte die Entscheidung aus Minden rechtskräftig werden, "dann hat das Schwarze-Peter-Spiel vieler Landesregierungen ein Ende."
pdi/LTO-Redaktion
mit Materialien der dpa
VG Minden: . In: Legal Tribune Online, 15.10.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/43117 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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