Erst bewilligte das das Land NRW vielen Kleinunternehmer Corona-Soforthilfen. Später verlangte es einen Großteil wieder zurück. Diese Rückforderungsbescheide hat das VG nun aufgehoben, weil die Förderbedingungen unklar formuliert waren.
Tausende Kleinunternehmer und Selbstständige klagen in Nordrhein-Westfalen gegen die Rückforderung von Corona-Soforthilfen durch das Land NRW. In drei Pilotverfahren hat das Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf am Dienstag den Empfängern der Soforthilfe Recht gegeben und die Schlussbescheide der Bezirksregierung Düsseldorf mit ihren Rückforderungen in Höhe von Tausenden von Euro als rechtswidrig aufgehoben (Urt. v. 16.08.2022, Az. 20 K 7488/20 u.a.).
Als zu Beginn der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 kleine Unternehmen und Selbständige durch verschiedene infektionsschutzrechtliche Maßnahmen in wirtschaftliche Notlagen gerieten, schufen Bund und Länder Programme, um kurzfristig Finanzhilfen bereitzustellen. Solche Soforthilfen erhielten auch die Kläger aus den drei repräsentativ verhandelten Fällen.
Konkret hatten der Betreiber eines Düsseldorfer Schnellrestaurants, die Betreiberin eines Kosmetikstudios aus Remscheid und ein auf Fortbildungsangebote spezialisierter Steuerberater aus Düsseldorf Umsatzeinbußen verzeichnet. Sie alle bekamen von der Bezirksregierung zunächst Soforthilfen in Höhe von 9.000 Euro bewilligt. Später forderte die Bezirksregierung in einem Schlussbescheid aber jeweils rund 7.000 Euro zurück. Dagegen wehrten sich die Betroffenen mit ihren nun in erster Instanz erfolgreichen Klagen.
Umsatzausfall bedeutet nicht Verlust
Das VG hat für seine Entscheidung die Förderpraxis des Landes zum Zeitpunkt der Bewilligungsbescheide und bei den anschließenden Schlussbescheiden miteinander verglichen. Es stellte fest, dass die Vergabepraxis nicht übereinstimmte.
Während des Billigungsverfahrens hätten die Hilfeempfänger davon ausgehen dürfen, das Geld wegen pandemiebedingter Umsatzausfälle bekommen und auch behalten zu dürfen. Darauf deuteten laut der Kammer Online-Hinweise, Antragsvordrucke und die Zuwendungsbescheide hin.
Demgegenüber stellte das Land bei den Schlussbescheiden auf einen "Liquiditätsengpass" ab. Es setzte eine Differenz zwischen den Einnahmen und Ausgaben des Geschäftsbetriebs, also einen Verlust, voraus. Dies sei aber rechtfehlerhaft, so das VG, weil diese Handhabung von der damaligen Förderpraxis abwich.
Mit Blick darauf konnte auch die Richtlinie des damaligen Wirtschaftsministeriums von Ende Mai 2020 nicht berücksichtigt werden. Hierin definierte das Land erstmals den Begriff des Liquiditätsengpasses.
Landesweit sind rund 2.000 ähnliche Verfahren anhängig
Die Vorsitzende Richterin Nicola Haderlein sagte außerdem, die Antragsformulare und die Bewilligungsbescheide für die Corona-Soforthilfe seien missverständlich formuliert gewesen. Die Antragsteller hätten zu Recht davon ausgehen können, dass Maßstab für die Soforthilfen ihre Umsatzeinbußen seien und nicht - wie erst Wochen später vom Land klargestellt - die durch die Pandemie eingetretenen Verluste. "Unklarheiten gehen immer zu Lasten der Behörden, nicht der Empfänger", so die die Vorsitzende.
Das Thema schlägt derzeit hohe Wellen. Landesweit sind Haderlein zufolge um das Thema Corona-Soforthilfen rund 2.000 Klageverfahren anhängig. Allein vor dem Düsseldorfer VG sind es rund 500. Wie mit diesen umzugehen ist, wird die Kammer in Kürze entscheiden.
Das Gericht ließ in den nun entschiedenen drei Fällen ausdrücklich die Berufung zum Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen zu.
mgö/LTO-Redaktion
Mit Materialien der dpa
VG Düsseldorf: . In: Legal Tribune Online, 17.08.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/49336 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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