Wie viel Aufwand muss eine Behörde betreiben, um zu ermitteln, wer geblitzt worden ist? Eine einfache Google-Suche muss jedenfalls drin sein, meint das VG Berlin – und kassiert eine Fahrtenbuchauflage ein.
Wenn ein Fahrzeugführer nach einem Verkehrsverstoß nicht ermittelbar ist, kann die Zulassungsbehörde stattdessen Auflagen auch gegen den Fahrzeughalter verhängen. Das allerdings erst dann, wenn alle zumutbaren Maßnahmen getroffen worden sind, um den wahren Verkehrssünder zu identifizieren. Dazu gehört auch eine einfache Google-Bildersuche, die die Identität des Fahrers ohne großen Aufwand aufklärt, wie ein Richter am Verwaltungsgericht (VG) Berlin kurzerhand selbst demonstrierte (Urt. v. 26.06.2024, Az. 37 K 11/23).
Im November 2019 hatte die Berliner Zulassungsbehörde gegenüber einem Unternehmen angeordnet, ein Jahr lang ein Fahrtenbuch für eines der Firmenfahrzeuge zu führen. Hintergrund war, dass der Audi Quattro, der auf das Unternehmen zugelassen war, einige Monate zuvor innerorts mit 30 Kilometern pro Stunde zu viel auf dem Tacho geblitzt wurde. Obwohl dabei ein brauchbares Blitzerfoto entstanden ist, konnte nicht festgestellt werden, wer genau den Wagen gefahren ist. Die Firma bestritt den Verkehrsverstoß und machte darüber hinaus keine Angaben zum Fahrer. Das Ordnungswidrigkeitsverfahren wurde daher nach § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO) eingestellt.
Stattdessen wurde die Fahrtenbuchauflage nach § 31a Abs. 1 S. 1 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung erteilt. Die Norm regelt, dass einem Fahrzeughalter die Führung eines Fahrtenbuchs auferlegt werden kann, wenn es unmöglich war, festzustellen, wer den Wagen im Zeitpunkt eines Verkehrsverstoßes gefahren ist. Das Unternehmen legte jedoch Widerspruch und schließlich Klage gegen den Bescheid ein – mit Erfolg.
VG: Google-Suche drängt sich förmlich auf
Das VG Berlin war nicht davon überzeugt, dass die Behörde tatsächlich alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen zur Fahrerermittlung getroffen hat, um letztendlich das Führen eines Fahrtenbuchs verlangen zu können. Die spaßige Anekdote in diesem Fall: Dem Richter selbst war es durch eine schnelle Google-Bildersuche innerhalb kürzester Zeit gelungen, den Geschäftsführer der Firma als Fahrer des geblitzten Pkw zu identifizieren. Er suchte nach dem Firmennamen in Kombination mit dem Namen des Geschäftsführers. Daraufhin spuckte die Suche unter anderem ein Foto aus dem Xing-Konto des Chefs aus. Der Abgleich mit dem Blitzerfoto ergab zweifelsfrei: Der Chef höchstpersönlich fuhr den Firmenwagen zu dem Zeitpunkt, als er geblitzt wurde.
"Es ist schlechterdings nicht vermittelbar, dass die Berliner Polizei bei Ermittlung von Personen nicht diese naheliegende Erkenntnisquelle nutzt", heißt es in dem daraufhin ergangenen Urteil. Auch dass die Firma als Fahrzeughalterin selbst nicht bei der Aufklärung des Fahrers mitgewirkt habe, berechtige die Behörde nicht dazu, einfach keine weiteren Ermittlungen mehr anzustellen. Gerade weil diese Recherche nach dem Stand der Technik so gut wie keinen Aufwand und keine besonderen Kenntnisse erfordere und vorliegend aufgrund des Fahrzeugtyps Audi Quattro insbesondere der Geschäftsführer als Fahrer in Betracht zu ziehen sei, habe sich diese Aufklärungsmaßnahme aufgedrängt, so das Gericht.
Weniger zu unternehmen, unterlaufe den Untersuchungsgrundsatz nach § 46 Abs. 1 Ordnungswidrigkeitengesetz in Verbindung mit § 160 Abs. 1 und 2 StPO. Das VG Berlin erinnerte außerdem daran, dass die Fahrtenbuchauflage nicht dazu diene, die fehlende Mitwirkung des Fahrzeughalters bei der Aufklärung zu sanktionieren, sondern präventiven Charakter habe. Obwohl ein Verkehrsverstoß von einigem Gewicht in diesem Fall vorlag, hätte die Behörde demnach noch keine Fahrtenbuchauflage erteilen dürfen, schloss das Gericht.
lmb/LTO-Redaktion
VG Berlin kassiert Fahrtenbuchauflage ein: . In: Legal Tribune Online, 05.08.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55151 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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