Die Beratungen bei den Bund-Länder-Konferenzen waren ausschlaggebend dafür, wie die Schutzmaßnahmen gegen das Coronavirus künftig aussehen. Die Kurzprotokolle hierzu muss das Bundeskanzleramt nun herausgeben, entschied das VG Berlin.
Gespannt haben die Bürgerinnen und Bürger während der Corona-Pandemie auf die Bund-Länder-Konferenzen geschaut. Schließlich wurde zumeist im Anschluss im Rahmen einer Pressekonferenz verkündet, welche Schutzmaßnahmen künftig im Land gelten. Die Protokolle dazu, muss das Bundeskanzleramt nun herausgeben. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Berlin entschieden, wie es am Dienstag bekanntgab (Urt. v. 30.06.2022, Az. VG 2 K 155/21).
Hintergrund sind die Bundes-Länder-Konferenzen, wo ab März 2020 die Bundeskanzlerin und die Ministerpräsidenten der Länder im Bundeskanzleramt zusammenkamen, um die Corona-Pandemie zu bewältigen. Der Tagesspiegel wandte sich Ende des Jahres an das Bundeskanzleramt und wollte Zugang zu den Kurzprotokollen der Konferenzen. Er berief sich dafür auf das Informationsfreiheitsgesetz (IFG), erhielt aber eine Absage.
Die behördlichen Beratungen seien als Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung zu schützen, hieß es aus dem Bundeskanzleramt. Sollten die Unterlagen veröffentlich werden, könne das den künftigen freien und offenen Meinungsaustausch in der Runde beeinträchtigen. Zudem bringe eine anschließende Berichterstattung eine neue und ungewollte Dynamik in die weiteren Beratungen zur Pandemiebekämpfung.
Keine konkrete Gefahr für künftige Beratungen
Die Ansicht teilte das VG Berlin nicht und hat das Bundeskanzleramt deswegen verpflichtet, dem Tagesspiegel Zugang zu den Kurzprotokollen zu gewähren. Die Bund-Länder-Konferenzen seien zwar als "Beratungen von Behörden" von § 3 Nr. 3b des IFG erfasst. Geschützt sei jedoch nur der eigentliche Vorgang der behördlichen Entscheidungsfindung als solcher, nicht die Ergebnisse und Grundlagen der Entscheidung, so die 2. Kammer.
Zudem habe das Bundeskanzleramt nicht darlegen können, inwieweit künftige Beratungen durch die Veröffentlichung konkret gefährdet seien sollen. Die andauernde Pandemielage und mögliche erneute Bund-Länder-Konferenzen, die das Kanzlerressort als Argument vortrug, begründeten jedenfalls keinen "Dauer-Beratungsprozess", schreibt das VG Berlin.
Aber selbst wenn im Jahr 2020 die einzelnen Beratungen aufeinander aufgebaut haben sollten, habe sich jedenfalls durch das stetig veränderte Infektionsschutzgesetz (IfSG) auch die Lage geändert, bis das Format schließlich eingestellt worden sei. Das VG Berlin spricht von einer "rechtlichen Zäsur", die mittlerweile eingetreten sei, weil Beratungen vor allem auch im Deutschen Bundestag stattfinden müssten.
Das Urteil ist noch nicht rechtkräftig. Es kann noch ein Antrag auf Zulassung der Berufung zum Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg gestellt werden. Das Bundeskanzleramt hat noch nicht entschieden, ob es ein Urteil zur Herausgabe von internen Protokollen zu Bund-Länder-Konferenzen in der Corona-Pandemie akzeptiert. Die schriftliche Begründung des Verwaltungsgerichts Berlin liege noch nicht vor, teilte ein Regierungssprecher am Dienstag mit. "Sobald
diese vorliegen, werden wir diese zunächst einmal sorgfältig auswerten." Dafür bleibt nach Urteilszustellung einen Monat lang Zeit.
mgö/LTO-Redaktion
VG Berlin zu Bund-Länder-Konferenzen: . In: Legal Tribune Online, 05.07.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/48940 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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