Am Berliner Flughafen Tegel scheiden sich die Geister. Eigentlich sollte er schon seit Jahren geschlossen sein, stattdessen wird nun über seine Offenhaltung gestritten. Nun soll Ex-Richter am BVerwG Stefan Paetow helfen.
Nach dem Volksentscheid für die Offenhaltung des Flughafens Tegel hat der Berliner Senat den früheren Bundesverwaltungsrichter Dr. Stefan Paetow als Gutachter berufen. Paetow solle "eine juristische Bewertung des Sachverhalts vornehmen" und dabei die Argumente verschiedener Akteure mit einbeziehen, sagte Senatssprecherin Claudia Sünder am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur. Dann werde er eine Empfehlung abgeben, auf deren Basis dann der Senat sowie das Abgeordnetenhaus über das weitere Vorgehen entscheiden sollen.
Vor einem Monat hatten 56,4 Prozent der Wähler in Berlin bei einem Volksentscheid für den Weiterbetrieb von Tegel auch nach der Eröffnung des neuen Hauptstadtflughafens BER gestimmt. Sie stellten sich damit gegen die Pläne der drei Flughafengesellschafter Berlin, Brandenburg und den Bund, die den alten Airport im Nordwesten der Hauptstadt dann schließen wollen.
Berlins Regierungschef Michael Müller (SPD) hatte daraufhin die Idee eines Schlichters nebst Rundem Tisch nach dem Vorbild Stuttgart 21 ins Spiel gebracht. Allerdings wird Paetow nun offiziell als Gutachter und nicht als Schlichter betitelt, von einem Runden Tisch ist zunächst nicht mehr die Rede - auch weil die Tegel-Befürworter FDP und CDU signalisiert hatten, dort nicht über das "Ob" einer Offenhaltung mitdiskutieren zu wollen.
"Ein sehr guter Experte"
Paetow ist 74 Jahre alt und war von 1986 bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2008 beim Bundesverwaltungsgericht. Unter seinem Vorsitz genehmigte der 4. Revisionssenat im Jahr 2006 den Bau des BER, der nach diversen Verzögerungen allerdings noch immer nicht eröffnet wurde. Die Expertise Paetows in Rechtsfragen betreffend Flughäfen stehe außer Frage, begründete Sünder seine Berufung.
"Der Senat ist der Auffassung, einen sehr guten Experten gefunden zu haben." Paetow, der dem u.a. für das Recht der Anlegung und des Betriebes von Flugplätzen zuständigen 4. Senat seit 2001 vorstand, solle als "unabhängiger und neutraler Gutachter" arbeiten, er bekomme ein Büro im Roten Rathaus und eine Aufwandsentschädigung. Wie lange er arbeite, sei noch nicht klar, aber: "Der Senat und Dr. Paetow sind daran interessiert, schnell Ergebnisse vorlegen zu können." Zuerst hatte die B.Z. via Twitter die Personalie vermeldet.
Der Volksentscheid war rechtlich nicht bindend, über die Frage einer Offenhaltung Tegels kann auch nicht Berlin allein entscheiden. Der rot-rot-grüne Senat will das Votum nach eigener Aussage dennoch ernst nehmen und muss nun klären, wie er damit umgeht. So soll noch einmal untersucht werden, ob eine Offenhaltung Tegels überhaupt rechtlich möglich ist und welche Folgen das hätte. Die einzelnen Senatsverwaltungen legten dazu am Dienstag sogenannte Folgeabschätzungen vor.
Braucht Berlin Tegel?
Der Senat sieht erhebliche rechtliche und finanzielle Risiken, sollte das Tegel-Rad jetzt doch zurückgedreht werden. So sei der BER am südöstlichen Standort nur unter der Bedingung genehmigt worden, dass Tegel schließt. Eine Offenhaltung Tegels würde laut Senat unter anderem Sanierungskosten von mehr als einer Milliarde Euro nach sich ziehen, zudem mindestens 400 Millionen Euro für Lärmschutz. Zudem argumentiert der Senat mit dem Lärmschutz für 300.000 Tegel-Anwohner sowie mit den Nachnutzungsplänen für das Areal. Demnach sollen dort 9.000 Wohnungen, eine Hochschule, ein Technologiepark sowie Erholungsflächen entstehen.
Nach Einschätzung der Befürworter der Offenhaltung von CDU, FDP und AfD wird Tegel hingegen wegen absehbar steigender Passagierzahlen in der Region weiter als Zweitflughafen neben dem BER gebraucht. Die Flughafengesellschaft widerspricht dem und hatte im Sommer Pläne vorgelegt, wie der BER ausgebaut werden kann.
Der Senat will vor dem Hintergrund des Bürgervotums bei den anderen Gesellschaftern Bund und Brandenburg ausloten, ob sich an deren Haltung etwas geändert hat. An diesem Donnerstag ist dazu eine vorgezogene Gesellschafterversammlung geplant. Am 6. November gibt es eine gemeinsame Sitzung der Kabinette von Berlin und Brandenburg sowie eine sogenannte Landesplanungskonferenz.
dpa/pl/acr/LTO-Redaktion
Gutachter im Tegel-Streit: . In: Legal Tribune Online, 24.10.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/25203 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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