Die "Briefaffäre" des baden-württembergischen CDU-Innenministers Strobl endet mit der Einstellung des Verfahrens durch Geldauflage. Auch namhafte Gutachter konnten die Staatsanwaltschaft nicht von der Annahme der Strafbarkeit abbringen.
In der sogenannten Briefaffäre soll das Ermittlungsverfahren gegen den baden-württembergische CDU-Landeschef und Innenminister Thomas Strobl gegen Zahlung von 15.000 Euro eingestellt worden. Strobl hatte einem Journalisten ein Anwaltsschreiben durchgestochen, woraufhin die Staatsanwaltschaft gegen ihn wegen Anstiftung zu verbotene Mitteilungen über Gerichtsverhandlungen (§§ 353d Nr. 3, 26 Strafgesetzbuch (StGB)) ermittelte.
Mit den Hintergründen und der Frage, wie viel "Skandal" wirklich im "Strobl-Skandal" steckt, hat sich Strafverteidiger Dr. Yves Georg an dieser Stelle für LTO beschäftigt. Er kam zu dem Ergebnis, dass eine Strafbarkeit Strobls ausscheide.
Die streitige Rechtsfrage: Ist ein Anwaltsschreiben ein "amtliches Dokument" im Sinne des § 353d Nr. 3 StGB, obwohl es nicht von einer Behörde stammt und obwohl es – im konkreten Fall – nicht etwa an ein Gericht, sondern an das Innenministerium gerichtet war? Die Fragen beantwortete die Staatsanwaltschaft Stuttgart bejahend und verwies dabei nach LTO-Informationen in der Einleitungsverfügung insbesondere auf die Kommentierung vom Tübinger Universitätsprofessor Prof. Dr. Bernd Hecker im Kommentar "Schönke/Schröder".
Namhafte Gutachter beeindrucken Staatsanwaltschaft nicht
Eben dieser Prof. Hecker kam jedoch in einem von der Verteidigung Strobls überreichten Gutachten nach Kenntnissen von LTO zu dem Ergebnis, dass die Schutzgüter des § 353d Nr. 3 StGB im konkreten Fall nicht einmal abstrakt gefährdet seien. Nach allen Auffassungen sowohl in Literatur als auch in der Rechtsprechung sei das Tatbestandsmerkmal "amtliches Dokument" nicht erfüllt. In einem weiteren von der Verteidigung Strobls eingebrachten Gutachten kommt Ex-Bundesrichter Prof. Dr. Thomas Fischer nach LTO-Informationen zu dem gleichen Ergebnis. Weiter betont Fischer, Strobl habe nicht damit rechnen können, dass der Journalist der Stuttgarter Nachrichten das Schreiben wörtlich wiedergibt (nur das stellt § 353d Nr. 3 StGB unter Strafe), dabei handele es sich vielmehr um eine eigenmächtige Grenzüberschreitung des Journalisten selbst, womit der subjektive Tatbestand der Anstifterhandlung durch Strobl nicht erfüllt sei.
Die Staatsanwaltschaft Stuttgart ließ sich von diesen Argumenten indes offenbar nicht beeindrucken und hielt an der Annahme der Strafbarkeit der Weitergabe des Schreibens fest. Trotz des Umstandes, dass die Frage der Strafbarkeit Strobls überhaupt hochumstritten ist, muss sich die Staatsanwaltschaft nun umgekehrt mit dem Vorwurf auseinandersetzen, dass sie bereit war, das Verfahren gegen Geldauflage einzustellen. Strobl habe sich "freigekauft", klagte etwa Sascha Binder (SPD).
Dabei muss Strobl tiefer in die Tasche greifen als der Chef des Kanzleramts Wolfgang Schmidt (SPD), gegen den ermittelt wurde, weil er im Wahlkampf ein amtliches Dokument bei Twitter veröffentlicht hat. Schmidt zahlte als Auflage 5.000 Euro.
Verfahrenseinstellung gegen Geldauflage kein "Freikauf"
Der Landeschef der CDU-Sozialausschüsse, Christan Bäumler, selbst Strafrichter in Villingen-Schwenningen, trat Vorwürfen gegen die Staatsanwaltschaft entgegen: "Die Justiz ermöglicht keinen 'Freikauf' von strafrechtlichen Vorwürfen." Die Staatsanwaltschaft stelle nur dann ein Verfahren gegen eine Geldauflage ein, wenn kein öffentliches Interesse an einer Strafverfolgung besteht. Mit einem "Deal" oder dem Einräumen einer Straftat habe dies nichts zu tun.
Gleichzeitig kritisierte Bäumler Strobls Umgang mit der Affäre in der CDU-Vorstandssitzung. Nach Fraktion und Präsidium stellte sich aber auch der Landesvorstand hinter den 62 Jahre alten Vize-Regierungschef. Strobl hatte das erweiterte Führungsgremium am Samstagabend in einer Schalte über das Angebot der Staatsanwaltschaft zur Einstellung des Verfahrens gegen eine Geldauflage von 15.000 Euro informiert.
Auch Fraktion und Präsidium hatten festgestellt, dass es kein Grund für einen Rücktritt sei, wenn Strobl das Angebot der Staatsanwaltschaft annehme. Allerdings dauerte die Sitzung der Fraktion mehrere Stunden. Schon mehrfach war es Strobl in schwierigen Situationen gelungen, sein politisches Überleben zu sichern, etwa nach Wahlniederlagen.
Mittlerweile hat Strobl die Geldauflage beglichen. Er hat je 7.500 Euro an den Weißen Ring und die Bewährungshilfe Stuttgart gezahlt.
dpa/ast/LTO-Redaktion
* Ergänzt und überarbeitet am 23.11.22, 15:54 Uhr
Staatsanwaltschaft trotzt Gegengutachten: . In: Legal Tribune Online, 24.10.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/49965 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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