Nachdem der StGH Hessen das milliardenschwere Corona-Hilfspaket des Landes als verfassungswidrig eingestuft hat, debattieren Politiker in anderen Bundesländern über die Bedeutung des Urteils für dort beschlossene Finanzhilfen.
Nachdem am Mittwoch der hessische Staatsgerichtshof (StGH) das beschlossene Corona-Sondervermögen als verfassungswidrig einstufte, wird sich bald auch der Verfassungsgerichtshof (VerfGH) Rheinland-Pfalz mit der Thematik beschäftigen. Am 4. März 2022 soll die mündliche Verhandlung über den Normenkontrollantrag der AfD-Landtagsfraktion stattfinden, wie der VerfGH am Freitag bekannt gab (Az. VGH N 7/21). Mecklenburg-Vorpommern debattiert ebenfalls über das Urteil aus Hessen. Auch dort ist eine Klage vor dem Landesverfassungsgericht in Greifswald anhängig.
Der hessische StGH hat am vergangenen Mittwoch entschieden, dass das kreditfinanzierte Corona-Sondervermögen der schwarz-grünen Landesregierung verfassungswidrig ist (Urt. v. 27.10.2021, P.St. 2783, P.St. 2827). Das milliardenschwere Hilfspaket, mit dem die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie bekämpft werden sollten, sieht bis Ende 2023 bis zu zwölf Milliarden Euro an Unterstützungsleistungen vor, etwa für Kommunen, denen wegen der Wirtschaftskrise Steuereinnahmen weggebrochen sind. Das Sondervermögen finanziert das Land mit neuen Schulden.
"Außergewöhnliches Volumen"
Nicht jedes Sondervermögen sei verfassungsrechtlich unzulässig, hieß es in der Urteilsbegründung des StGH. Es komme aber auf die Ausgestaltung an. Im konkreten Fall des Corona-Sondervermögens mit einem "außergewöhnlichem Volumen" würden aber Grundsätze des Haushaltsrechts in der hessischen Landesverfassung durchbrochen, wonach alle Einnahmen und Ausgaben des Staates in einen Haushaltsplan gebracht und für jedes Rechnungsjahr veranschlagt werden müssten. Die Abgeordneten könnten außerdem keinen substanziellen Einfluss auf die Verwendung von Geld aus dem Sondervermögen nehmen, das Budgetrecht des Landtags werde dadurch verletzt. Außerdem werde gegen die sogenannte Schuldenbremse verstoßen, die in die Verfassung aufgenommen wurde und die Aufnahme neuer Schulden grundsätzlich verbietet.
Unmittelbare Folgen hat die Entscheidung des StGH allerdings nicht, es müssen keine bisher schon ausbezahlten oder verplanten Finanzhilfen zurückbezahlt oder einbehalten werden. Das Gericht setzte dem Land Hessen eine Frist bis Ende März 2022, um eine Neuregelung zu finden. Bis dahin seien die bisherigen Vorschriften gültig.
Das Finanzministerium in Rheinland-Pfalz sieht Unterschiede in der intensiveren parlamentarischen Beteiligung zu Hessen, aber auch im Finanzvolumen und hinsichtlich der berücksichtigten Maßnahmen, wie Ministeriumssprecherin Annika Herbel am Donnerstag sagte.
"Ein Wink für Rheinland-Pfalz"
Das im September 2020 vom rheinland-pfälzischen Landtag beschlossene Corona-Sondervermögen umfasst 1,1 Milliarden Euro Landesmittel. Es soll auch zur Stabilisierung der kommunalen Haushalte beitragen, vor allem aber Ausgaben etwa im Gesundheitswesen, für den ÖPNV, den Breitbandausbau und die Bildung sicherstellen. Das Geld kann bis Ende 2022 bewilligt werden.
Jan Bollinger von der AfD-Landtagsfraktion sieht sich nach dem hessischen Urteil in der Auffassung bestätigt, "dass das Sondervermögen das Budgetrecht des Parlaments einschränkt". Er sei zuversichtlich, "dass die Verfassungswidrigkeit des hessischen Sondervermögens ein Wink für Rheinland-Pfalz ist".
Derweil beschäftigt sich auch Mecklenburg-Vorpommern mit dem hessischen Urteil. Ein Sprecher des Finanzministeriums in Schwerin kündigte an, dass das Urteil des hessischen Staatsgerichtshofes sorgfältig ausgewertet werde. Die zur Finanzierung der Corona-Maßnahmen getroffenen Regelungen seien zwar vergleichbar, unterschieden sich aber in wichtigen Details. Mit dem Gesetz zum MV-Schutzfonds habe der Landtag die wesentlichen inhaltlichen Schwerpunkte des Maßnahmenpakets gesetzt, umfassende Mitwirkungsmöglichkeiten und Transparenz seien gewährleistet. Die Corona-Pandemie sei in ihrem Verlauf und mit ihren Folgen noch immer schwer einzuschätzen und habe zu ganz besonderen Entscheidungen gezwungen, hieß es.
dpa/pdi/LTO-Redaktion
Nach Urteil des StGH Hessen: . In: Legal Tribune Online, 29.10.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/46510 (abgerufen am: 17.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag