Ein Staatsstreich von Reichsbürgern? Der Generalbundesanwalt ermittelt gegen knapp 70 Beschuldigte um Prinz Reuß. Nun soll es eine erste Anklage geben. Es wird einer der umfangreichsten Staatsschutzprozesse der deutschen Geschichte werden.
Laut Medienberichten hat der Generalbundesanwalt Anklage gegen mehrere mutmaßliche Mitglieder einer mutmaßlichen Reichsbürgergruppe um Heinrich XIII. Prinz Reuß erhoben. Der Spiegel stützt sich auf die Bestätigung einer der Strafverteidiger in dem Verfahren, der MDR ebenfalls auf Anwälte der Beschuldigten. Danach sind neben Reuß neun weitere mutmaßliche Mitglieder der Gruppe vor dem Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main angeklagt worden. Bei Ihnen soll es sich um den Führungszirkel der Gruppe handeln. Auf Anfrage von LTO wollte weder die Bundesanwaltschaft noch eine Sprecherin des OLG die Anklage am Montagabend zu diesem Zeitpunkt bestätigen.
Das Verfahren dürfte einer der umfangreichsten Staatsschutzprozesse der deutschen Geschichte werden. Der Generalbundesanwalt ermittelt gegen knapp 70 Beschuldigte, Ermittlungen sollen mittlerweile 425.000 Aktenseiten füllen. Die Frage wo und in welcher Form gebündelt die Anklagen gegen die vielen Beschuldigten erhoben werden konnte, hatte die Bundesanwaltschaft beschäftigt. Gerichtssäle und -gebäude sind für solche Größenordnungen nicht ohne weiteres ausgelegt.
"Wir freuen uns, dass endlich Anklage erhoben worden ist", sagte einer der Strafverteidiger, der Anwalt Martin Heynert, dem Spiegel. "Mein Mandant erhält nun die Gelegenheit, sich vor Gericht gegen die Vorwürfe zu verteidigen, die gegen ihn erhoben werden."
Die Razzien und Festnahmen Anfang Dezember 2022 hatten mutmaßlich viel Unheimliches und Ungeheuerliches aufgedeckt, gewaltbereite Ex-Soldaten, ein irrlichtender Prinz, ein Rechtsanwalt der Außenminister werden sollte – eine in Umsturzpläne involvierte Richterin im Landesjustizdienst hätte aber ihre ganz eigene Dimension. Laut Spiegel und MDR soll unter den Angeklagten auch die inhaftierte ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete und Berliner Landgerichtsrichterin Birgit Malsack-Winkemann sein. Zuletzt waren bei einer Prüfung der U-Haft durch den Bundesgerichtshof (BGH), über die LTO berichtete weitere Details bekannt geworden, auch zur mutmaßlichen Rolle der Richterin.
Erstürmung des Bundestags geplant?
Malsack-Winkemann wurde zwischenzeitlich vorläufig des Dienstes enthoben. Sie habe laut BGH-Beschluss "die ihr zur Last gelegten Beteiligungshandlungen in objektiver Hinsicht im Wesentlichen eingeräumt". Der Vorwurf bezieht sich auf die mitgliedschaftliche Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung gemäß §129 Abs. 1 Nr. 1 Strafgesetzbuch (StGB). In dieser Norm geht es um die Gründung einer Organisation, deren Zweck unter anderem die Begehung von Mord oder Totschlag ist.
"Sie hat insbesondere bestätigt, Mitglied des Rates und dort für das Justizresort zuständig gewesen zu sein, [...] Rekrutierungsversuche unternommen und bei zwei Gelegenheiten mehrere Mitbeschuldigte durch das Reichstagsgebäude geführt zu haben, wobei diese Fotos und Videos gefertigt hätten." Die terroristische Zwecksetzung der Gruppe und Kenntnis von dem geplanten Angriff auf den Bundestag hat die beschuldigte Richterin zwar bestritten. Im Widerspruch dazu stehen aber laut BGH-Senat die Chats der Beschuldigten, die zeigen, dass sie Informationen aus dem Bundestag an Mitbeschuldigte sendete, damit diese "genau im Bild" seien und "planen" könnten.
Der Senat sieht es deshalb als hochwahrscheinlich an, dass die Beschuldigte Kenntnis von dem Plan zu einem bewaffneten Eindringen in das Reichstagsgebäude hatte und in diesbezügliche Planungen eingebunden war. So habe die ehemalige AfD-Abgeordnete beispielsweise an einen Mitbeschuldigten geschrieben: "Die Führungscrew sitzt übrigens bei den BT-Sitzungen auf der Regierungsbank. Wenn man auf das Rednerpult schaut, auf der linken Seite. Da sitzen sie dann geschlossen."
Der Senat hielt den folgenden Sachverhalt der Anklage für hochwahrscheinlich: "Die Beschuldigten, die der sogenannten Reichsbürger- und QAnon-Bewegung angehörten, schlossen sich zu einer auf längere Dauer angelegten Organisation zusammen, die sich zum Ziel setzte, die bestehende staatliche Ordnung in Deutschland insbesondere durch den Einsatz militärischer Mittel und Gewalt gegen staatliche Repräsentanten zu überwinden sowie durch eine eigene, bereits in Grundzügen ausgearbeitete Staatsform zu ersetzen."
Der Führungszirkel der Vereinigung habe das gewaltsame Eindringen einer bewaffneten Gruppe in das Reichstagsgebäude geplant, so der BGH in seinem Beschluss. Es sei beabsichtigt gewesen, Abgeordnete, Kabinettsmitglieder und deren Mitarbeiter verhaften und abzuführen zu lassen. "Trotz des teilweise fernliegenden gedanklichen Fundaments wiesen die Handlungen, von denen im Sinne eines dringenden Tatverdachts auszugehen ist, den zur Tatbestandserfüllung erforderlichen spezifischen Gefährlichkeitsgrad auf", bilanziert der BGH-Senat in den Beschlüssen. Es sind schwerwiegende Vorwürfe, die nun als erstes das OLG in Frankfurt am Main beschäftigen werden. Es muss nun entscheiden, ob es die Anklagen zulässt und es zum Prozess kommt.
Mutmaßliche Reichsbürger-Terrorgruppe: . In: Legal Tribune Online, 11.12.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/53392 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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