Nach wochenlangen Turbulenzen hat sich die schwarz-gelbe Koalition in demonstrativer Geschlossenheit auf zahlreiche Reformen geeinigt. Sie beschloß am Sonntag Abend im Kanzleramt unter anderem, dass unverheirateten Eltern das gemeinsame Sorgerecht schneller und einfacher erteilt werden soll. Ferner ist die Option geplant, auf Bewährung verurteilte jugendliche Straftäter zur Warnung vorübergehend ins Gefängnis zu schicken.
Union und FDP haben sich in vielen innenpolitischen Fragen geeinigt. Hier eine kurze Übersicht der Ergebnisse:
Sorgerecht:
Unverheiratete Eltern kommen bald einfacher und schneller an das gemeinsame Sorgerecht. Bisher gab es ein gemeinsames Sorgerecht für Unverheiratete nur, wenn die Mutter einverstanden war. Die Neuregelung wird die Rechte lediger Väter stärken. Wenn sich die Mutter nicht einverstanden erklärt, hat der Vater künftig die Wahl, entweder direkt das Gericht anzurufen oder zunächst mit der Hilfe des Jugendamtes eine Einigung mit der Mutter herbeizuführen. Das Gericht entscheidet, wenn die Mutter nicht zustimmt.
Warnschussarrest/Jugendstrafrecht:
Junge Gewalttäter sollen in Zukunft trotz einer nur zur Bewährung ausgesetzten Strafe vorübergehend ins Gefängnis kommen können. Mit diesem "Warnschussarrest" soll ihnen der Unterschied vor Augen geführt werden, was es bedeutet, hinter Gittern zu sitzen oder dank der Bewährungsstrafe von Inhaftierung verschont zu bleiben. Ferner soll die Höchststrafe für Mord bei einer Verurteilung nach dem Jugendstrafrecht von 10 auf 15 Jahre angehoben werden. Damit erfüllen Union und FDP eine Vereinbarung aus ihrem Koalitionsvertrag.
Sterbehilfe:
Geschäfte mit der Sterbehilfe sollen unter Strafe gestellt werden. Dazu soll ein neuer Tatbestand im Strafgesetzbuch geschaffen werden, der die gewerbsmäßige Förderung der Selbsttötung unter Strafe stellt. Die eigenverantwortliche Selbsttötung ist ebenso wie deren Versuch oder die Teilnahme daran straflos. Dies soll für Fälle einer kommerzialisierten Suizidhilfe korrigiert werden. Denn dies könnte Menschen nach Ansicht der Koalition dazu verleiten, sich umzubringen.
Finanzprodukte:
Die Verbraucher sollen nach dem Willen der Koalition besser vor riskanten Finanzprodukten geschützt werden. Dazu soll die Stiftung Warentest im Auftrag des Staates Finanzprodukte prüfen und bewerten. Verbraucher sollen anhand von Anlage-Kategorien Risiken und Chancen von Finanzprodukten besser einschätzen können. Auch soll die Stiftung kontrollieren, ob Banken vorgeschriebene Informationspflichten tatsächlich einhalten. Die Organisation soll 1,5 Millionen Euro pro Jahr und mehr Personal erhalten und eine Art TÜV für Finanzprodukte entwickeln. Die Stiftung Warentest ist seit 1964 eine der renommiertesten Verbraucherschutzorganisationen in Deutschland.
Kronzeugenregelung:
Ferner soll die seit 2009 sehr weitgehende Kronzeugenregelung geändert werden, die bisher eine Strafmilderung auch dann ermöglicht, wenn zwischen der Tat des Kronzeugen und derjenigen, zu der Hilfe zur Aufklärung geleistet wird, kein Zusammenhang besteht. Nun soll eine Strafmilderung auf Fälle begrenzt werden, in denen die Offenbarung des Täters im Zusammenhang mit der eigenen Straftat steht. So soll ein Vergewaltiger nicht mehr in den Genuss eines Kronzeugenrabatts kommen, wenn er die Steuerhinterziehung eines Freundes offenbart.
Wirtschaftspolitik:
Mit der 8. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) bekommt das Kartellamt mehr Macht, um die Rechte mittelständischer Betriebe gegen große Konzerne besser zu schützen. Bei Missbrauch sollen Konzerne notfalls entflechtet, also zerschlagen werden können. Bei Strom und Gas wird die Preismissbrauchsvorschrift gegen marktbeherrschende Konzerne um fünf Jahre bis 2017 verlängert, ebenso das Verbot für den Verkauf von Lebensmitteln unter dem Einstandspreis.
Verlage:
Das Kartellamt soll zudem künftig Pressefusionen erst ab einer Umsatzschwelle von 62,5 Millionen Euro prüfen (bisher: 25 Millionen). Auch die so genannte Bagatellmarktklausel wird von 750.000 auf 1,875 Millionen Euro angehoben.
Bildung:
Union und FDP streben noch in dieser Wahlperiode eine Grundgesetzänderung an, um das erst 2009 festgeschriebene Kooperationsverbot von Bund und Ländern in der Bildungspolitik, insbesondere bei Hochschulen, wieder aufzuheben. Dazu muss die Regierung sich aber mit den Ländern einigen.
Pressefreiheit:
Journalisten sollen nicht mehr wegen Beihilfe zum Geheimnisverrat strafrechtlich verfolgt werden können, wenn sie ihnen zugespieltes Material veröffentlichen. Allein in den vergangenen zehn Jahre ermittelten Staatsanwälte in mehr als 150 Fällen.
Leistungsschutzrecht/Urheberrecht:
Die Koalition will das Urheberrecht im Internet stärken. Suchmaschinenbetreiber mit Nachrichten-Angeboten wie Google News schütten für ihre Veröffentlichung von Presseartikeln eine Abgabe an die Verlage aus, an der die Autoren und Kreativen beteiligt werden. Privatleute betrifft das nicht, weil die private Nutzung von Presseerzeugnissen im Internet kostenlos bleibt. Auch für Firmen bleiben Papierausdrucke und das Lesen von Nachrichten am Bildschirm unentgeltlich.
dpa/age/LTO-Redaktion
Spitzentreffen von CDU, CSU und FDP: . In: Legal Tribune Online, 05.03.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/5696 (abgerufen am: 14.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag