Änderung des Abgeordnetengesetzes: Social-Media für Frak­ti­ons­mit­ar­beiter nur noch in engen Grenzen

von Hasso Suliak

28.06.2024

Ampel und Union wollen die Öffentlichkeitsarbeit der Bundestagsfraktionen begrenzen. Zulässig sollen nur noch Social-Media-Posts sein, die sich klar von der Parteiwerbung abgrenzen lassen. Sonst droht die Rückzahlung staatlicher Gelder.

Die Bundestagsfraktionen von SPD, Grünen, FDP und CDU/CSU wollen an diesem Freitag ein Gesetz auf den Weg bringen, das ihre eigene Öffentlichkeitsarbeit massiv einschränkt (BT-DS. 20/11944).  

140 Millionen Euro an Bundesmitteln stehen den Fraktionen des Deutschen Bundestages jährlich aus dem Bundeshaushalt Verfügung. Finanziert werden davon auch die Auftritte in den sozialen Medien. In der Vergangenheit kam es hierbei jedoch immer wieder zu eklatanten Verstößen gegen das Abgeordnetengesetz (AbgG). Dieses soll nun klarer gefasst und auch die Rückzahlungspflicht von Bundesmitteln wegen unzulässiger Öffentlichkeitsarbeit geregelt werden.  

Auf Freiwilligkeit basiert die Neuregelung im AbgG natürlich nicht: Vielmehr hatte der Bundesrechnungshof (BRH) im März gerügt, dass die Fraktionen bei der Nutzung sozialer Medien Bundesgelder "zweck- und damit auch regelwidrig" verwendeten. Hintergrund ist, dass Fraktionen eigentlich nur erlaubt ist, über ihre eigene Arbeit und die ihrer Abgeordneten zu informieren bzw. dafür staatliche Mittel auszugeben. Geregelt ist das im AbgG bislang nur relativ lapidar in den §§ 55 ff. in denen es u.a. heißt, dass die Fraktionen und ihre Mitglieder zwar die Öffentlichkeit über ihre Tätigkeit unterrichten dürfen. Unzulässig sei jedoch die Verwendung der Mittel für Parteiaufgaben (§ 58 Abs.4). Das Verbot folgt letztlich aus dem Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien im politischen Wettbewerb, das sich aus Art. 21 Abs. 1 des Grundgesetzes ergibt. 

BRH mit vernichtender Analyse 

Wie sich nach einer Analyse des BRH herausgestellt hatte, schlugen vor allem in Wahlkampfzeiten die Mitarbeitenden der Bundestagsfraktionen in der Vergangenheit mit ihren Social-Media-Inhalten immer wieder über die Stränge und leisteten mit ihren Posts zu allen möglichen Thermen ihren Parteien wertvolle, aber eben verbotene Wahlkampfunterstützung.  

Akribisch untersucht hatten die Rechnungshüter die Nutzung der Sozialen Medien aller Fraktionen im Wahljahr 2021. Das Ergebnis ist verheerend: Allen Fraktionen des Deutschen Bundestages attestierte der Rechnungshof, "dass sehr wahrscheinlich mehr als die Hälfte ihrer veröffentlichten Beiträge in den Sozialen Medien gegen die gesetzlichen Vorgaben verstießen. Vor allem in den Wochen vor der Bundestagswahl am 26. September 2021 agierten die Fraktionen massiv an Recht und Gesetz vorbei." 

Die Untersuchung der Aktivitäten der Unionsfraktion ergab etwa für den Zeitraum vom 16. August bis zum 19.September 2021: "In diesem Zeitraum überwogen die unzulässigen Beiträge der CDU/CSU-Fraktion deutlich." Bei anderen Fraktionen lautet das Urteil ähnlich. Bei der Untersuchung der SPD-Posts monierten die Rechnungshüter z. B. einen Post vom 20.September mit der Botschaft "Impfen rettet Leben". Das Urteil des Rechnungshofs: "In diesem Beitrag wird für das Impfen geworben. Eine konkrete Fraktionstätigkeit gemäß § 58 Absatz 4 AbgG ist nicht erkennbar." Auch ein Post, mit dem die CSU im Bundestag an die Opfer des 11. September erinnerte, erwies sich als rechtswidrig. "Eine Fraktionstätigkeit gemäß § 58 Absatz 4 AbgG ist nicht erkennbar." 

Der Politik empfahl der Rechnungshof seinerzeit dringend, das Gesetz zu ändern: "Der derzeitige Rechtsrahmen für die Öffentlichkeitsarbeit der Fraktionen gibt systemisch bedingt erhebliche Fehlanreize, für die eigene Politik, für die eigene Partei und damit für die Wiederwahl zu werben. Und das ist regelwidrig“, so der Präsident des Bundesrechnungshofes, Kay Scheller. "Der Gesetzgeber bleibt aufgefordert, die Vorgaben zu reformieren und zu präzisieren. Sie sollten für alle Akteure verbindlich, klar und zeitgemäß regeln, was erlaubt ist und was nicht. Verstöße brauchen Sanktionen, damit sie 'unattraktiv'‘ sind." 

Künftig verschärfte Bedingungen vor einer Bundestagswahl 

Zu der angemahnten Gesetzesänderung kommt es nun: § 55 Abs. 3 AbgG wird erheblich angereichert und präzisiert. Außerdem sollen kurz vor einer Bundestagswahl verschärfte Bedingungen gelten. Klargestellt wird im Gesetz nun, dass die Öffentlichkeitsarbeit nur der Unterrichtung der Öffentlichkeit über parlamentarische Vorgänge, Initiativen und Konzepte der Fraktionen, der Vermittlung ihrer allgemeinen politischen Standpunkte und dem Dialog mit Bürgerinnen und Bürgern über parlamentarisch-politische Fragen dient. Und: "Sechs Wochen vor einer Bundestagswahl bedarf die Öffentlichkeitsarbeit eines besonderen parlamentarischen Anlasses." 

Weiter wird bei Fehlverhalten die Rückzahlungspflicht staatlicher Gelder in einem neuen § 58 Abs. 5 AbgG explizit normiert: "Rechtswidrig verwendete Geld- und Sachleistungen sind an den Bundeshaushalt zurückzuführen."   

Das Gesetz wird an diesem Freitag im Bundestag erstmals beraten. Es könnte noch vor der parlamentarischen Sommerpause final im Bundestag verabschiedet werden.  

Zitiervorschlag

Änderung des Abgeordnetengesetzes: . In: Legal Tribune Online, 28.06.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/54880 (abgerufen am: 22.11.2024 )

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