Gesetzlich versicherte Schwerhörige haben Anspruch auf technisch hochwertige Versorgung mit Hörhilfen, wenn mit sogenannten Vertragsgeräten kein optimaler Ausgleich des Hörverlustes erzielt werden kann. Dies entschied das SG im Fall eines 45-jährigen Versicherten, bei dem das rechte Ohr ertaubt ist und auf dem linken Ohr eine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit vorliegt.
Nach sachverständiger Überprüfung durch einen Akustikermeister stand für das Sozialgericht (SG) fest, dass der Mann auf ein hochwertiges Gerät zum Ausgleich des Hörverlustes angewiesen ist. Diese individuellen Verhältnisse seien für den Versorgungsanspruch maßgeblich. Dies gelte sowohl bei Festbeträgen als auch bei Anwendung der Versorgungsverträge.
Der Versicherte dürfe nicht dadurch schlechter gestellt werden, dass die Krankenkassen mit den Leistungserbringern eine Versorgungspauschale für alle Schwerhörigkeitsgrade vereinbart haben. Wählt der Akustiker – ob bewusst oder unbewusst – Geräte aus, die zwar ohne Eigenanteil erhältlich, aber für den Versicherten ungeeignet sind, verbleibe es bei der Sachleistungsverantwortung der Krankenkasse. Der Akustiker, der für die Krankenkasse die Versorgung durchführt, sei verpflichtet ein Hilfsmittel auszuwählen, das den Hörverlust möglichst weitgehend ausgleicht. Er fungiere als Gehilfe der Kasse, die sich das fehlerhafte Verhalten zurechnen lassen muss (Urt. v. 05.10.11, Az. S 5 KR 97/08).
Der Akustiker ließ den Kläger zwei Geräte testen, die zum Vertragspreis der Krankenkasse angeboten wurden (648, 40 Euro pro Gerät). Mit diesen war jedoch in geräuschintensiver Umgebung eine Verständigung nicht möglich. Die technisch hochwertigen Geräte, ausgestattet mit 16 Kanälen, einer automatischen Spracherkennung und Störlärmmanagement führten zu einem deutlich besseren Ausgleich des Hörverlustes.
Während des laufenden Verfahrens hat sich der Mann, der trotz geringer Hörreste auf dem rechten Ohr in der Vergangenheit immer nur linksseitig versorgt worden war, von seinem Akustiker ein Hörgerät anpassen lassen, das 1.820 Euro kostete. Die beklagte Krankenkasse war jedoch nur bereit, den Vertragspreis zu zahlen. Sie berief sich darauf, der Gesetzgeber habe für Hörgeräte Festbeträge eingeführt, an denen sich die vertraglichen Regelungen mit den Akustikern zu orientieren hätten. Mehrkosten müssten grundsätzlich von dem Versicherten getragen werden.
Dieser Argumentation folgte die Kammer nicht. Ist die Krankenkasse der Auffassung, der Akustiker hätte eine günstigere Versorgung anbieten müssen, müsse sie sich frühzeitig in die Versorgung einbringen und den Sachverhalt z.B. durch den Medizinischen Dienst prüfen lassen, so die Richter. Argumentiere sie ohne Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse des Versicherten, könne sie allenfalls Rückforderungsansprüche gegenüber dem Vertragsakustiker geltend machen.
tko/LTO-Redaktion
OLG Koblenz: . In: Legal Tribune Online, 15.02.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/5567 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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