Ausländer, die in Deutschland nicht erwerbstätig sein dürfen, sind von bestimmten existenzsichernden Sozialleistungen ausgeschlossen. Das SG Darmstadt hält das für verfassungswidrig. Nun soll das BVerfG entscheiden.
In Deutschland lebende EU-Ausländer, die nicht arbeiten und kein anderes Aufenthaltsrecht haben, erhalten kein Hartz IV. Zur Überzeugung des Sozialgerichts (SG) Darmstadt verletzt der fast vollständige Leistungsausschluss das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Wie das SG am Freitag mitteilte, habe es deshalb dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob die maßgebliche Vorschrift mit dem Grundgesetz vereinbar ist (Beschl. v. 14.01.2020, Az. S 17 SO 191/19 ER).
Ende 2016 hat der Gesetzgeber auch für die Sozialhilfe einen entsprechenden Leistungsausschluss in das Gesetz aufgenommen (§ 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII) und Sozialhilfeleistungen in der Regel auf einen Monat begrenzt. Laut dem Darmstädter Gericht sind EU-Ausländer, die gegen den Verlust ihres Aufenthaltsrechts vor dem VG klagen, damit während der Dauer des verwaltungsgerichtlichen Klageverfahrens nahezu vollständig von existenzsichernden Leistungen ausgeschlossen. Ausländer aus Drittstaaten erhielten in dieser Situation hingegen regelmäßig Asylbewerberleistungen.
Im konkreten Fall geht es um eine Mutter mit drei minderjährigen Kindern. Sie sind rumänische Staatsangehörige und leben seit 2010 in Deutschland, die Kinder gehen hier zur Schule. Im Jahr 2018 stellte die Ausländerbehörde das Fehlen eines Freizügigkeitsrechts fest. Dagegen klagt die Familie vor dem VG, Hartz IV wird ihr im Hinblick auf das ungeklärte Aufenthaltsrecht jedoch nicht mehr geleistet. Ein Antrag auf Sozialhilfe wurde laut Gericht ebenso abgelehnt.
BVerfG wies ähnliche Vorlagen als unzulässig zurück
Hiergegen hat die Familie Ende Oktober 2019 einen Eilantrag vor dem SG Darmstadt gestellt. Laut Gerichtsmitteilung sichert die Familie ihren Bedarf gegenwärtig notdürftig im Wesentlichen durch Sachspenden einer Kirchengemeinde. Es drohe die Obdachlosigkeit, da eine Räumungsklage wegen rückständiger Mieten erhoben wurde.
Nach Auffassung des SG steht das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums als Menschenrecht deutschen und ausländischen Staatsangehörigen, die sich in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten, gleichermaßen zu. "Die in Art. 1 Abs. 1 GG garantierte Menschenwürde sei migrationspolitisch nicht zu relativieren", hieß es in einer Mitteilung des Gerichts.
Das SG Darmstadt ist nicht das einzige Sozialgericht, das den Leistungsausschluss für verfassungswidrig hält. Erst in der vergangenen Woche hat das BVerfG zwei Vorlagen des SG Mainz als unzulässig zurückgewiesen. Die Vorlagen genügten laut BVerfG nicht den Begründungsanforderungen.
acr/LTO-Redaktion
SG Darmstadt legt BVerfG vor: . In: Legal Tribune Online, 14.02.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/40307 (abgerufen am: 19.11.2024 )
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