Ein Flugbegleiter wurde nach einem "fume event" arbeitsunfähig, als Berufskrankheit wird die Vergiftung aber nicht anerkannt, so das SG Berlin. Es wäre naheliegender, einen Arbeitsunfall zu prüfen – nur war das nicht Streitgegenstand.
Das Sozialgericht (SG) Berlin hat die Klage eines Flugbegleiters auf Anerkennung einer Berufskrankheit abgewiesen (Urt. v. 07.07.2016, Az. S68 U 637/13). Es ließ sich nicht beweisen, dass die Nervenerkrankung des Stewards auf dessen dauerhafte Belastung durch vergiftete Kabinenluft im Flugzeug zurückzuführen ist.
Seit einigen Jahren häufen sich die Berichte von Piloten, Stewardessen und Flugbegleitern über Erkrankungen aufgrund vergifteter Kabinenluft. Als eine Ursache wird immer wieder das Nervengift TCP (Trikresylphosphate) genannt, das möglicherweise zusammen mit Öldämpfen von den Triebwerken durch die Belüftungsanlage an Bord der Maschinen gelangt. Besondere Vorkommnisse, bei denen in der Kabine plötzlich ein beißender, miefiger Geruch wahrgenommen wird, bezeichnet man dabei als "fume event". In der Wissenschaft ist bisher umstritten, inwiefern Giftstoffe in der Kabinenluft für Erkrankungen ursächlich sind.
Nervenleitstörung nach fume event
Der Kläger war seit 1999 Flugbegleiter auf Kurz- und Mittelstrecken. Im Oktober 2011 begab er sich in ärztliche und psychotherapeutische Behandlung. Er klagte unter anderem über Kribbeln auf der Haut, Atemnot, Muskelzuckungen, Magenbeschwerden, Kopfschmerzen und Konzentrationsschwierigkeiten. Seinen Angaben nach war es am 3. Oktober 2011 zu einem fume event an Bord seines Flugzeuges gekommen. Die Ärzte stellten bei ihm eine Nervenleitstörung (Polyneuropathie) und eine psychische Erkrankung fest und stuften ihn als fluguntauglich und damit arbeitsunfähig ein.
2012 beantragte der Mann bei der Unfallversicherung die Anerkennung einer Berufskrankheit. Die Unfallkasse lehnte dies aber ab: Es liege keine von der Berufskrankheitenverordnung anerkannte Berufskrankheit vor. Auch die Einstufung der Erkrankung als (mit anerkannten Krankheiten vergleichbare) "Wie-Berufskrankheit" komme nicht in Betracht. Es mangele insoweit an gesicherten Erkenntnissen über Gefahrstoffe in seinem Arbeitsbereich.
Arbeitsunfall naheliegender - aber nicht Streitgegenstand
Das SG hat seine dagegen gerichtete Klage nun abgewiesen. Es könne nicht festgestellt werden, dass die Polyneuropathie des Mannes eine Berufskrankheit sei. Zwar komme das vom Gericht eingeholte Gutachten zu der Einschätzung, dass die Voraussetzungen einer Berufskrankheit vorliegen könnten. Der Flugbegleiter sei nämlich auf Flugzeugtypen eingesetzt worden, bei denen fume events mit Belastungen durch verschiedene Schadstoffe bekannt geworden seien, die für sich allein für eine Erkrankung nicht ausreichend seien, aber durch ihre Addition eine Polyneuropathie hervorrufen könnten. Gegen die Anerkennung als "Wie-Berufskrankheit" spreche indes, dass auch der Gutachter letztendlich nicht habe erklären können, wie die verschieden Stoffe zusammenwirkten. Er habe selbst eingeräumt, dass es noch offene Fragen gäbe.
Abgesehen davon habe er dauerhafte Belastungen oder frühere Gesundheitsschädigungen auch nicht hinreichend dokumentiert, so das Gericht. Er habe zwar lange als Flugbegleiter gearbeitet, letztlich aber nur ein einziges fume event geschildert. Bei einer nur einmaligen Betroffenheit liege jedoch keine dauerhafte Belastung vor, was Voraussetzung für die Anerkennung einer Berufskrankheit sei.
Den nach Auffasung des Gerichts naheliegenden Fall, ob das fume event als Arbeitsunfall zu bewerten sein könnte, haben die Richter nicht geprüft. Die Unfallkasse hatte auch die Anerkennung als Arbeitsunfall abgelehnt, diese Bescheide hatte der Flugbegleiter vor Gericht jedoch nicht angegriffen. Warum er sich nicht dagegen wehrte, konnte ein Gerichtssprecher nicht beantworten.
acr/LTO-Redaktion
SG Berlin Gift in Flugzeugkabine: . In: Legal Tribune Online, 22.07.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20089 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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