EuGH-Generalanwalt zu Boulevard-Zeitung: Keine Pro­dukt­haf­tung für Tipps vom "Kräu­terp­farrer"

15.04.2021

Eine in der österreichischen Kronen-Zeitung abgedruckte Gesundheitsempfehlung führte bei einer Leserin zu Hautvergiftungen. Eine Haftung der Zeitung nach der Produkthaftungsrichtlinie kommt laut Generalanwalt aber nicht in Betracht.

Nach Ansicht von Generalanwalt Gerard Hogan ist eine Tageszeitung, die einen unrichtigen Gesundheitstipp enthält, kein "fehlerhaftes Produkt" im Sinne der Produkthaftungsrichtlinie 85/347. Dies geht aus seinen am Donnerstag veröffentlichen Schlussanträgen zu einem Fall aus Österreich hervor, der bald vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) entschieden wird (Rechtssache C-65/20).

Das österreichische Boulevardblatt Kronen-Zeitung hatte im Dezember 2016 einen Beitrag von "Kräuterpfarrer Benedikt" veröffentlicht. In dem Beitrag empfahl der Pfarrer, Rheumaschmerzen durch eine Auflage aus geriebenem Kren (Meerrettich) zu lindern. Allerdings war die in dem Beitrag angeführte Dauer für die Auflage unzutreffend. Statt zwei bis fünf Stunden, wie es in dem Beitrag hieß, hätte es zwei bis fünf Minuten heißen müssen. 

Eine Abonnentin, die die Empfehlung wortwörtlich befolgte, erlitt durch die im Meerrettich enthaltenen scharfen Senföle eine toxische Kontaktreaktion und verlangte Schadensersatz. Der österreichische Oberste Gerichtshof bat den EuGH daraufhin um Klärung, ob in einem solchen Fall eine verschuldensunabhängige Haftung nach der Produkthaftungsrichtlinie in Betracht kommt. 

In seinen Schlussanträgen empfiehlt der Generalanwalt, diese Frage mit nein zu beantworten. Seiner Auffassung nach ist die Richtlinie nur auf körperliche Merkmale von Produkten anwendbar. Zwar stelle auch eine Zeitung einen körperlichen Gegenstand dar, der zu Personenschäden führen könne, etwa durch fehlerhafte Heftklammern oder giftige Tinte. Bei dem im Fall geltend gemachten Anspruch gehe es aber um eine angebliche Fehlerhaftigkeit des geistigen Inhalts und nicht um einen Fehler, der einem körperlichen Produkt als solches anhaftet. Daher stehe hier eigentlich eine Dienstleistung in Rede und nicht ein Produkt, so der Generalanwalt. Das körperliche Exemplar einer Tageszeitung, die einen fachlich unrichtigen Gesundheitstipp enthält, sei daher nicht als "fehlerhaftes Produkt" im Sinne der Richtlinie anzusehen. 

acr/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

EuGH-Generalanwalt zu Boulevard-Zeitung: . In: Legal Tribune Online, 15.04.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/44727 (abgerufen am: 22.11.2024 )

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