Der europäische Grundsatz der Energiesolidarität ist mehr als nur ein politischer Begriff, findet der Generalanwalt. Im Streit um russisches Gas droht Deutschland nun eine Niederlage vor dem EuGH, lassen dessen Schlussanträge durchblicken.
Im Streit um eine Ausweitung russischer Erdgaslieferungen im Zusammenhang mit der Ostseepipeline Nord Stream droht Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) eine Niederlage. Generalanwalt Manuel Campos Sánchez-Bordona empfahl dem obersten EU-Gericht in seinen am Donnerstag veröffentlichten Schlussanträgen, Rechtsmittel Deutschlands gegen einen Beschluss des Gerichts der Euopäischen Union (EuG) zurückzuweisen (Rechtssache C-848/19 P). Die Schlussanträge sind nicht bindend, häufig folgen die EU-Richterinnen und -richter ihnen aber.
Konkret geht es um Lieferungen durch die Pipeline Opal, die eine Verlängerung der seit 2011 betriebenen Ostsee-Pipeline Nord Stream ist, die russisches Gas nach Europa transportiert. Opal leitet das Gas durch Ostdeutschland weiter nach Tschechien.
Im September 2019 hatte Polen in erster Instanz einen Beschluss der EU-Kommission stoppen lassen, der dem russischen Gazprom-Konzern eine stärkere Nutzung der Erdgasleitung durch Ostdeutschland erlaubte (Rechtssache T-883/16). Gazprom durfte zunächst zur Sicherung des Wettbewerbs nur die Hälfte der Opal-Leitungskapazität nutzen. Mit dem Beschluss von 2016 erlaubte die EU-Kommission auf Antrag der Bundesnetzagentur aber eine deutliche Ausweitung der Kapazität für Gazprom.
Polen klagte dagegen mit der Begründung, wenn mehr Nord-Stream-Gas nach Mitteleuropa komme, könnte die Lieferung von Gas über zwei konkurrierende Pipelines durch Osteuropa gedrosselt werden - was laut den Schlussanträgen auch der Fall war. Dies bedrohe die Versorgungssicherheit in Polen und widerspreche dem in der EU geltenden Grundsatz der Solidarität im Energiesektor.
Deutschland "macht im Wesentlichen geltend, dass die Energiesolidarität lediglich ein politischer Begriff und kein rechtliches Kriterium sei", heißt es in den Schlussanträgen. Entsprechend könnten daraus keine unmittelbaren Rechte und Pflichten abgeleitet werden. Sánchez-Bordona teilt diese Ansicht jedoch nicht, ganz im Gegenteil: Der Grundsatz der Energiesolidarität könne sehr wohl zur Kontrolle der Rechtmäßigkeit von Handlungen der Unionsorgane im Bereich Energie angewandt werden, hieß es.
dpa/acr/LTO-Redaktion
Streit um russisches Gas: . In: Legal Tribune Online, 18.03.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/44533 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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