Amazon könnte bald verstärkt für Markenrechtsverletzungen Dritter auf seinem Marketplace zur Verantwortung gezogen werden. Laut EuGH-Generalanwalt ist Amazon am Vertrieb der Waren aktiv beteiligt – und hafte daher auch ohne Kenntnis.
Für die Online-Handelsplattform Amazon könnte es bald unangenehm werden. Nach Auffassung des Generalanwalts am Europäischen Gerichtshof (EuGH) Campos Sánchez-Bordona haftet das Unternehmen unter Umständen für markenrechtsverletzende Artikel auf dem Amazon-Marketplace. Dies geht aus seinen Schlussanträgen zu einem Rechtsstreit zwischen Amazon und dem Parfüm- und Kosmetikkonzern Coty Germany hervor, die am Donnerstag veröffentlicht wurden (Rechtssache C-567/18).
Coty hatte verschiedene Unternehmen des Amazon-Konzerns auf Unterlassung und Schadensersatz verklagt. Ein Testkäufer hatte nämlich festgestellt, dass das Parfüm "Davidoff Hot Water" von Dritten auf dem Amazon-Marketplace verkauft wird, obwohl das Markenrecht daran nicht erschöpft war. Coty hält die Lizenz an der Marke und hatte dem Verkauf zuvor nicht zugestimmt.
Im Rahmen des Amazon-Marketplace ermöglicht das Unternehmen auch Drittanbietern, ihre Produkte in Amazon-Logistikzentren zu lagern. Die Waren werden nach einer Bestellung dann auch durch Amazon verpackt und versendet. Ein Kaufvertrag kommt aber nicht mit Amazon, sondern zwischen dem Käufer und dem Drittanbieter zustande. Auch das Parfüm wurde von einem Dritten angeboten und enthielt den Vermerk "Versand durch Amazon".
Generalanwalt: Amazon spielt aktive Rolle im Vertrieb
Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte die Luxemburger Richter Fragen zur Auslegung von Art. 9 der Unionsmarken-Verordnung ((EU) 2017/1001) vorgelegt. Nach Art. 9 Abs. 3 Buchst. b der Verordnung hat der Markeninhaber unter anderem das Recht, Dritten zu verbieten, markenrechtsverletzende Waren zum Zwecke des Anbietens oder Inverkehrbringens zu besitzen. Der BGH wollte wissen, ob Amazon, das für einen Dritten markenrechtsverletzende Waren lagert, ohne vom Rechtsverstoß Kenntnis zu haben, die Ware im Sinne der Verordnung "besitzt", wenn nicht Amazon selbst, sondern allein der Dritte beabsichtigt, die Ware anzubieten oder in Verkehr zu bringen.
Nach Auffassung des Generalanwalts seien reine Lagerhalter, die nur Hilfsaufgaben übernehmen, von der Haftung freigestellt. Das Amazon-Marketplace-Programm sei aber mehr als das. Amazon beteilige sich nämlich aktiv am Vertrieb der Waren und lagere sie zum Zweck des Anbietens oder des Inverkehrbringens. Die fehlende Kenntnis von etwaigen Markenrechtsverletzungen befreie Amazon dabei nicht von der Haftung. Die "wesentliche Beteiligung am Vertrieb" führe dazu, dass von dem Unternehmen besondere Sorgfalt verlangt werden könne, so der Generalanwalt.
Ein Urteil zu der Sache wird innerhalb der nächsten Monate erwartet. Der EuGH beschäftigt sich nicht zum ersten Mal mit Klagen des Kosmetikkonzerns. 2017 entschied das Gericht, dass Coty seinen autorisierten Händlern verbieten kann, Waren über Drittplattformen wie Amazon zu verkaufen. In einem Fall, bei dem ein Verkäufer Parfüm-Plagiate auf Ebay angeboten hatte, ging es in Luxemburg um die Frage, ob Coty einen Auskunftsanspruch gegen die Bank hat, bei der der Verkäufer sein Konto führt. Der BGH entschied später, dass die Bank die Daten des Produktfälschers herausgeben muss.
acr/LTO-Redaktion
EuGH-Generalanwalt zu Markenrechtsverletzungen: . In: Legal Tribune Online, 28.11.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/38947 (abgerufen am: 19.11.2024 )
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