Generalanwältin zu Pauschalreiseansprüchen während Corona: Rei­se­p­reis­min­de­rung auch bei höherer Gewalt

15.09.2022

Bei staatlichen Corona-Maßnahmen handelt es sich nach Ansicht der EuGH-Generalanwältin zwar um höhere Gewalt. Reiseveranstalter müssten Urlaubern, die ihre Reise abbrechen mussten, trotzdem eine Minderung gewähren.

Die Corona-Pandemie hat der Tourismus-Branche ziemlich zugesetzt. Nach Ansicht der Generalanwältin am Europäischen Gerichtshof (EuGH) Laila Medina sind Reiseveranstalter trotzdem verpflichtet, den Reisepreis zu mindern, wenn sie einen Pauschalreisevertrag aufgrund der staatlichen Corona-Maßnahmen nicht erfüllen können. Dies geht aus Medinas Schlussanträgen zur Rechtssache C-396/21 hervor, die am Donnerstag gestellt wurden. 

In dem Fall, der bis vor den EuGH gelangt ist, hatte ein Urlauber eine vierzehntätige Reise von Deutschland auf die Kanarischen Inseln im März 2020 gebucht. Aufgrund der Pandemie endete die Reise aber schon nach sieben Tagen. Vor den deutschen Gerichten verlangte der Urlauber eine Preisminderung in Höhe von 70 Prozent des anteiligen Reisepreises für sieben Tage. Das Landgericht (LG) München I hatte daraufhin dem EuGH die Frage vorgelegt, ob ein Anspruch auf Minderung nach der Richtlinie 2015/2302 (Pauschalreisen-RL) auch dann bestehe, wenn die Vertragswidrigkeit auf die staatlich angeordneten Corona-Maßnahmen zurückzuführen ist.

Nach Ansicht der Generalanwältin ist der Reiseveranstalter nicht von seiner Minderungspflicht befreit. Zwar seien die im März 2020 als Reaktion auf die Pandemie angeordneten regulatorischen Einschränkungen als höhere Gewalt anzusehen, doch auch außergewöhnliche Umstände befreiten den Reiseveranstalter nicht von seiner Pflicht, Minderung zu gewähren. Die in Deutschland angeordneten Corona-Maßnahmen ließen den Anspruch auf Preisminderung entsprechend unberührt. Wie hoch genau eine "angemessene" Minderung ausfällt, sei wiederum von den nationalen Gerichten unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls festzulegen. Allerdings sollten die Gerichte bei Festlegung der Zahlungsfrist die pandemiebedingten Liquiditätsprobleme der Reiseveranstalter berücksichtigen. 

Die Generalanwältin stellte außerdem ihre Schlussanträge zu einem Fall aus Frankreich (Rechtssache C-407/21), der mit der Pauschalreisen-RL in ähnlichem Zusammenhang steht. Frankreich hatte nämlich im Zuge der Pandemie eine Verordnung erlassen, die es Reiseveranstaltern erlaubte, bei höherer Gewalt einen Gutschein auszustellen anstatt die Zahlungen den Reisenden in Geld zu erstatten. Französische Verbraucherschutzverbände hielten das für einen Verstoß gegen die Richtlinie und klagten. 

Laut Generalanwältin sei mit dem Begriff "Erstattung" in der Richtlinie eine Zahlung in Geld gemeint, die Erstattung in Form eines Gutscheins sei damit grundsätzlich ausgeschlossen. Berufe sich ein Mitgliedstaat auf höhere Gewalt, müsse er nachweisen, dass eine Abweichung vom Unionsrecht erforderlich sei. Die französische Verordnung gehe "wohl über das hinaus, was erforderlich und verhältnismäßig sei, um den Schwierigkeiten der Reiseveranstalter zu begegnen", so Medina in den Schlussanträgen.

acr/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Generalanwältin zu Pauschalreiseansprüchen während Corona: . In: Legal Tribune Online, 15.09.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/49629 (abgerufen am: 23.11.2024 )

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