Faeser verteidigt erleichterte Abschiebungen: Bun­destag besch­ließt "Rück­füh­rung­s­of­fen­sive"

18.01.2024

Mit diesem Beschluss reißen die Diskussionen nicht ab. Das "Rückführungsverbesserungsgesetz" bleibt umstritten. Im Fokus stehen die Verlängerung der Ausreisehaft und eine mögliche Strafbarkeit der Seenotrettung.

Die Abgeordneten des Bundestages beschlossen heute das "Gesetz zur Verbesserung der Rückführung". Damit "sorgen wir dafür, dass Menschen ohne Bleiberecht schneller unser Land verlassen müssen", sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) gegenüber der Rheinischen Post am Donnerstag. Mit den neuen Regelungen werde verhindert, dass Personen untertauchen, bevor sie abgeschoben werden könnten. Dadurch solle die gesellschaftliche Akzeptanz für den Schutz von Flüchtlingen mit Bleibeperspektive erhalten werden.

Durch das Rückführungsverbesserungsgesetz sollen mehr Menschen ohne Bleiberecht leichter abgeschoben werden. Dabei soll die Höchstdauer des Ausreisegewahrsams in § 62b Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (AufhG) von derzeit 10 Tagen auf 28 Tage verlängert werden. Dadurch sollen Behörden mehr Zeit erhalten, um eine Abschiebung zu planen.

Mit dem Gesetz sollen auch Straftäter leichter in ihre Herkunftsstaaten zurückgeführt werden. Zudem soll gegen Schleuser härter vorgegangen werden und ihre Ausweisung erleichtert werden. Auch Mitglieder krimineller Vereinigungen droht künftig leichter eine Abschiebung.

Familien und Minderjährige nicht in Abschiebehaft

Um Ausreisepflichtige schneller zu identifizieren, soll die Suche nach Daten und Dokumenten zur Identitätsklärung ermöglicht werden. Künftig sollen Behördenmitarbeiter in Gemeinschaftsunterkünften andere Räume als das Zimmer des Abzuschiebenden betreten dürfen. Oft scheitern Abschiebungen auch im letzten Moment, weil der Ausreisepflichtige nicht angetroffen wird. Die Lösung für dieses Problem laut dem neuen Gesetz: Die Abschiebungen werden grundsätzlich nicht mehr angekündigt. Auch ein Verstoß gegen Einreise- und Aufenthaltsverbote soll einen Grund für die Abschiebehaft darstellen.

Zur Entlastung der Ausländerbehörden sollen Aufenthaltserlaubnisse während des Asylverfahrens für jeweils sechs statt bisher nur drei Monate genehmigt werden. Asylbewerber sollen künftig drei Jahre statt 18 Monate lang niedrigere Asylbewerberleistungen erhalten.

Nach dem Änderungsantrag der Ampel-Fraktionen wurde eine Ausnahmeregelung für Minderjährige und ihre Familien geschaffen. Danach sollen diese "grundsätzlich nicht in Abschiebehaft genommen" werden. Abweichungen von dieser Regelung könnten nur bei minderjährigen Gefährdern oder Jugendstraftätern gemacht werden. Auch soll eine Pflichtverteidigung angeordnet werden, wenn Betroffene in Abschiebungshaft oder Ausreisegewahrsam befinden.

Seenotrettung weiter strafbar?

Das Rückführungsverbesserungsgesetz sorgte für lange Diskussionen im und außerhalb des Parlaments.

Aus der Regierung kamen unterschiedliche Töne: Stephan Thomae, Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Fraktion im Bundestag, sieht in dem Gesetz einen "wichtigen Schritt hin zu einer Migrationspolitik nach klaren Regeln, die für mehr Ordnung und Steuerung sorgt. Wir lösen als Koalition damit die Rückführungsoffensive ein, die wir im Koalitionsvertrag vereinbart haben. Wir sorgen dafür, dass Abschiebungen vereinfacht werden. Zudem senken wir Sozialleistungen für Asylbewerber, um Anreize für irreguläre Migration zu reduzieren", so Thomae gegenüber LTO.

Andererseits gab es schon im Vorfeld der Abstimmung Stimmen, die sich kritisch zu dem Rückführungsverbesserungsgesetz äußerten: Die Stellvertretende Vorsitzende der Grünen Jugend, Katharina Stolla, sieht alarmierende Gefahren in dem Rückführungsverbesserungsgesetz: "Das Abschiebegesetz bedeutet eine unfassbare Entrechtung von Menschen, die eigentlich dringend Schutz bräuchten", sagte sie der Neuen Osnabrücker Zeitung am Donnerstag.

Auch der grünen Europaparlamentarier Erik Marquardt sieht das Gesetz kritisch, wenn auch aus einem anderen Grund: Mehrere juristische Gutachten kommen zu dem Schluss, dass das Gesetz Seenotretter und andere Menschen, die Geflüchteten unentgeltlich helfen, eine Grenze zu überqueren, künftig strafrechtlich verfolgt werden könnten. Mit dieser Gesetzesordnung folge man "einer Agenda der Rechten, mit der humanitäre Hilfe kriminalisiert werden kann".

DAV: "Bedenken bleiben trotz Korrekturen"

Auch die Union hat am Mittwoch das Rückführungsverbesserungsgesetz kritisert: "Die Grünen schreiben eine Pflicht ins Gesetz, Anwälte vor Ausreisegewahrsam über die Maßnahmen zu informieren - damit werden die Ausreisepflichtigen aber über alle Berge sein, wenn sie in Haft genommen werden sollen", sagte der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Alexander Throm (CDU). Das Rückführungsverbesserungsgesetz sei in Wirklichkeit ein "Rückführungsverschlechterungsgesetz".

Bedenken hat auch der Deutsche Anwaltverein (DAV). Die Rechtsanwältin Gisela Seidler, Vorsitzende des DAV-Ausschusses Migrationsrecht, kritisiert vor allem den das verlängerten Ausreisegewahrsam von 28 Tagen: "Die Haftkriterien in diesem Bereich sind ohnehin schon messerscharf. Die nun zur Debatte stehende Regelung ist kaum noch im Bereich der Verhältnismäßigkeit." Zudem sei auch die Änderung bei der Strafbarkeit falscher Angaben im Asylverfahren eine bedauerliche Änderung. "Auch die Asylsuchenden selbst könnten damit unter Strafandrohung dazu gezwungen werden, sich eines Einreisedelikts oder einer Straftat im Heimatland zu bezichtigen."

so/LTO-Redaktion mit Material der dpa

Zitiervorschlag

Faeser verteidigt erleichterte Abschiebungen: . In: Legal Tribune Online, 18.01.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/53666 (abgerufen am: 22.11.2024 )

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