2/2: Damalige BMJ-Chefs zur NS-Zeit selbst diskriminiert worden
Die Frage, weshalb insbesondere die beiden "Gründungsväter" des BMJ, Thomas Dehler und Walter Strauß, derart problematische Personen für ihr Ministerium auswählten und darauf verzichteten, gezielt Remigranten anzuwerben oder von vornherein nach unbelasteten Mitarbeitern zu suchen, sei laut Bericht nur schwer zu beantworten. Beide waren selbst gänzlich unbelastet: Dehler war mit einer Jüdin verheiratet, Strauß entstammte einem jüdischen Elternhaus. Beide waren im Dritten Reich Diskriminierungen ausgesetzt gewesen; Strauß hatte nur mit Mühe überlebt. Trotzdem scheuten sie sich nicht, NS-belastete Mitarbeiter einzustellen.
Ihre wichtigsten Auswahlkriterien waren fachliche Kompetenz und ministerielle Erfahrung. Von den 170 Personen, die für die Untersuchung näher betrachtet wurden, waren 155 Volljuristen, von denen 94 eine Examensnote von vollbefriedigend bis sehr gut nachweisen konnten. Über 60 Prozent der als Referatsleiter oder Abteilungs- beziehungsweise Unterabteilungsleiter im BMJ tätigen Volljuristen besaßen also ein Prädikatsexamen. Wenn man bedenkt, dass in der Regel nur etwa 15 Prozent der Examenskandidaten die Note "vollbefriedigend" oder besser erreichen, bedeutete dies – allein auf die Examensnote bezogen – eine bemerkenswerte Ansammlung von Spitzenjuristen.
Nimmt man die Promotion als Gradmesser für Qualität hinzu, wird dieses Bild weiter bestätigt. So fanden sich unter den 155 Volljuristen insgesamt 90 promovierte Mitarbeiter sowie zwei weitere, denen ein Doktortitel honoris causa verliehen wurde. Dies entspricht einer Promotionsquote von 58 Prozent.
Strafverfahren wegen NS-Verbrechen wurden gegen Mitarbeiter des Ministeriums dennoch nur in Ausnahmefällen eingeleitet. Zwar gab es insgesamt zehn Verfahren, in den meisten Fällen wurden diese, die in der Regel auf Strafanzeigen von Privatpersonen zurückgingen, rasch eingestellt. Nur in einem Fall – beim Referatsleiter Heinrich Ebersberg – hätte sich Ende der 1960er Jahre möglicherweise ein anderes Ergebnis ergeben. Hier half dann aber die Verjährung.
BMJV startet neues Fortbildungsprogramm
Bei einer Veranstaltung am Montag wurde über die Ergebnisse und Konsequenzen diskutiert, die das Ministerium und die Justiz aus dem Projekt ziehen sollten. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) betonte in seiner Eingangsrede: "Die Akte Rosenburg ist bedrückend. Sie zeigt die großen Versäumnisse der Vergangenheit, und sie formuliert damit zugleich eine Verpflichtung für die Gegenwart."
Zu den Ursachen sagte Maas: "Weil sich viele Juristen als unpolitische Rechtstechniker verstanden, wurden sie in der NS-Zeit zu Mittätern des Unrechts. Später verhinderte falscher Korpsgeist eine ehrliche Auseinandersetzung mit der Geschichte und ein Mangel an rechtsstaatlicher Haltung machte viele Juristen zu Bremsern der demokratischen Erneuerung."
"Es gibt kein Ende der Geschichte. Auch heute gibt es Gefahren für Humanität und Freiheit, denen Juristinnen und Juristen an ihrem jeweiligen Platz widerstehen müssen. Das Wissen um die Geschichte kann die Sinne dafür schärfen, wenn Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit wieder in Frage gestellt werden. Um dieses Ethos weiter zu stärken, sollte das Unrecht, das deutsche Juristen angerichtet haben, Pflichtstoff der Juristenausbildung werden. Im Ministerium starten wir deshalb ein neues Fortbildungsprogramm", so Maas.
acr/LTO-Redaktion
Endergebnisse des Rosenburg-Projekts vorgestellt: . In: Legal Tribune Online, 10.10.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20818 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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