Rechtsprechung: Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt bestä­tigt Rich­ter­vor­be­halt bei Ent­nahme von Blut­proben

nbu/LTO-Redaktion

02.07.2010

Das BVerfG hat den Richtervorbehalt bei der Entnahme von Blutproben gestärkt. Da der Gesetzgeber die Anordnung der Blutentnahme grundsätzlich dem Richter anvertraut hat, ist eine im Einzelfall durch die Ermittlungsbehörden wegen "Gefahr im Verzug" anzuordnende Blutentnahme zu begründen und aktenkundig zu machen.

Mal wieder eine Entscheidung in Sachen "Richtervorbehalt bei der Blutentnahme", die sicherlich die Diskussion dieser Dauerbrenner-Thematik noch einmal mehr anheizen dürfte:

Der Beschwerdeführerin wurde im Rahmen eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens ohne richterliche Anordnung Blut entnommen. Sie war von Polizisten in ihrer Wohnung wegen des Verdachts einer unmittelbar zuvor erfolgten Trunkenheitsfahrt aufgesucht worden, wobei sich die Beamten ohne ihren Willen Zutritt in die Wohnung verschafft hatten. Ein dort durchgeführter Atemalkoholtest ergab einen Wert von 1,01 mg/l, weshalb ihr nach Verbringung auf das Polizeirevier von einem Arzt auf Anordnung eines Polizeibeamten Blut entnommen worden war.

Die Beschwerdeführerin begehrte erfolglos im Zuge eines Einspruchs gegen den Strafbefehl Feststellung der Rechtswidrigkeit sowohl der Durchsuchung ihrer Wohnung als auch der Blutentnahme; gleichzeitig beantragte sie die Vernichtung der Blutprobe.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) verwarf die Entscheidung der Strafgerichte und hat die Sache zur erneuten Entscheidung an das zuständige Landgericht zurückverwiesen. Zwar sei die Durchsuchung ohne Einschaltung des Richters zulässig, da andernfalls der Ermittlungserfolg offensichtlich gefährdet gewesen sei.

Hingegen verletzten die Entscheidungen zur Rechtmäßigkeit der Blutentnahme die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf effektiven Rechtsschutz. Nur bei Gefährdung des Untersuchungserfolges durch die mit der Einholung einer richterlichen Entscheidung verbundene Verzögerung dürften Staatsanwaltschaft und - nachrangig - Ermittlungsbehörden die Blutentnahme selbst anordnen. Allerdings bedarf es bei solcher "Gefahr im Verzug" einer einzelfallbezogenen, in den Akten zu vermerkenden Tatsachenbegründung, sofern der drohende Verlust des Beweismittels nicht offensichtlich ist.

Nach Auffassung des BVerfG haben die Strafgerichte diese Grundsätze nicht beachtet. Weder haben die Gerichte berücksichtigt, dass eine Entscheidung zur Blutentnahme im Ausnahmefall auch mündlich getroffen werden könne, noch haben sie geprüft, ob der Zeitraum zwischen Atemalkoholtest und Anordnung der Blutentnahme ausgereicht hätte, damit ein Richter auch ohne schriftliche Antragsunterlagen den Sachverhalt eigenständig hätte bewerten und seine Entscheidung anschließend übermitteln können.

Demgegenüber sei der Antrag auf Vernichtung der Blutproben zu Recht zurückgewiesen worden, da die Verletzung des Richtervorbehalts nicht zwingend dazu führe, dass die Blutprobe als Beweismittel nicht verwertet werden darf.


Mehr dazu auf LTO.de:
Die Blutentnahme - ein Fall für den Richter?

Zitiervorschlag

Rechtsprechung: . In: Legal Tribune Online, 02.07.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/882 (abgerufen am: 20.11.2024 )

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